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Literatur „Sonntage im August“

Werfen wir uns in den Rhythmus der Wellen

Leitender Feuilletonredakteur
Das Glück unter der Sonne: Nizza, 1962 Das Glück unter der Sonne: Nizza, 1962
Das Glück unter der Sonne: Nizza, 1962
Quelle: AFP
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Der August ist der große Gleichmacher: In der Sonne werden wir alle ein einig Volk von Müßiggängern. Die Zeit steht still. Niemand hat das so schön und elegisch beschrieben wie der französische Nobelpreisträger Patrick Modiano.

Träge Tage im Sonnenglast. Der Sand in den Uhren scheint das ganze Laufwerk aufzuhalten. Steht die Zeit nicht überhaupt still? Die Stunden schleppen sich dahin. Strahlend scheint die Sonne. Am besten lässt es sich da am Wasser aushalten: „Dann gingen wir an diesen Strand hinunter auf der Suche nach einem ganz kleinen freien Platz, wo wir uns auf unseren Badetüchern ausstrecken konnten. Nie waren wir so glücklich wie in diesen Augenblicken, verloren in der nach Sonnenöl duftenden Menge. Die Kinder um uns bauten Sandburgen, und die fliegenden Händler turnten über die Leiber und boten Eiscreme an. Wir waren wie alle, nichts unterschied uns von den anderen an diesen Sonntagen im August.“

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So endet ein Klassiker der neueren französischen Literatur. „Sonntage im August“ erschien 1986, zu einem Zeitpunkt also, als sein Autor Patrick Modiano noch weit vom Literaturnobelpreis entfernt war, den er dann 2014 erhielt.

Aber er hatte seinen Stil bereits gefunden und mit ihm das Thema seines Lebens: die Suche nach einer verlorenen Zeit, die – anders als bei Marcel Proust – keine nostalgisch verklärte Welt von gestern ist, sondern eine brüchige, unsichere; bevölkert von Menschen, die urplötzlich verschwinden, jedoch, wenn man Glück hat, in späteren Jahren wieder auftauchen, auch wenn sie dann manchmal nur Gespenster sind, Wiedergänger der eigenen Erinnerung.

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Einen solchen Plot gibt es auch in „Sonntage im August“: Sylvia, einst Geliebte des Icherzählers, war mit einem Male fort. Sie hatte für den Geliebten ihren Mann verlassen, nicht ohne ihm einen wertvollen Diamanten zu stehlen, dessen Verkauf ihr neues Leben an der Seite des damals ziemlich mittellosen Fotografen finanzieren sollte.

Hindämmernde Masse

Doch der Verkauf gelang nicht, Sylvia wurde entführt, und dem Icherzähler bleiben nur die Erinnerungen an jene Tage im August, als er mit Sylvia noch optimistisch in die Zukunft blickte, weil er sich an den sommerlichen Sonntagen mit ihrem ritualisierten Ablauf sicher fühlen konnte vor jeglicher Nachstellung, Teil jener unterschiedslos vor sich hindämmernden Masse geworden, die der August aus uns allen macht.

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Ja, der Monat August ist nicht nur in Frankreich, wo er das ganze Land zur selben Zeit in die Ferien schickt, die dann für alle am 31. des Monats zu Ende gehen, der große Gleichmacher. Er lässt auch uns Deutsche zumindest klimatisch zu einem einig Volk von Brüdern und Schwestern werden: Wir schwitzen alle gleich, vereint in der Suche nach Abkühlung, nach erquickendem Schlaf sowie nach jenen Freuden, die vor allem Urlaube am Meer für uns bereithalten, so, wie sie Patrick Modiano in den zitierten Sätzen beschrieben hat.

Werfen wir uns also in die Wellen, genießen wir ihren einlullenden immer gleichen Rhythmus, die Auflösung der eng getakteten Strukturen unseres Alltags. Es werden schon die Tage mit den klaren Kanten und Konturen wiederkehren. Und auch die abhandengekommenen Sylvias und alle anderen mehr oder weniger geliebten Mitmenschen tauchen dann unweigerlich wieder auf.

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