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Kultur Schlesinger-Affäre

Intendanten um ARD-Chef Tom Buhrow haben „kein Vertrauen mehr“ in RBB-Geschäftsleitung

„Es wird immens gespart und dann lässt es sich die Chefetage so richtig gut gehen“

„Sie nennen es Zielprämien. Am Ende des Tages hat Schlesinger auf das Gehalt was draufbekommen“, sagt Kayhan Özgenc, Chefredakteur vom Business Insider, zum Fall Schlesinger. Im WELT-Gespräch verrät er, was sein Team über das bislang geheime Bonussystem für die Führungskräfte des RBB herausgefunden hat.

Quelle: WELT

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Die Affäre um die abberufene Senderchefin Patricia Schlesinger zieht weiter Kreise. Nun vermelden die ARD-Intendanten, dass sie das Vertrauen in die amtierende Geschäftsleitung des RBB verloren haben. Der Redaktionsausschuss fordert einen sofortigen Rücktritt der Führung.

Die ARD-Intendantinnen und -intendanten haben das Vertrauen in die amtierende Geschäftsleitung des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) in der Aufarbeitung der Affäre um die abberufene Senderchefin Patricia Schlesinger verloren. „Wir, die Intendantinnen und Intendanten der ARD, haben kein Vertrauen mehr, dass der geschäftsführenden Leitung des Senders die Aufarbeitung der diversen Vorfälle zügig genug gelingt“, teilte ARD-Chef Tom Buhrow am Samstag mit.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll mangelnde Aufklärung bei dem umstrittenen Bonus-System für Führungskräfte eine Rolle gespielt haben. Aus ARD-Kreisen war zu hören, dass manchmal nach Intendantenschalten ganz neue Sachlagen zu Vorwürfen rund um den RBB vorlägen, die zuvor nicht von dem Sender in der Runde kommuniziert worden seien.

Damit wächst auch innerhalb der ARD der Druck auf das Führungsteam rund um den geschäftsführenden Intendanten Hagen Brandstäter, die Ämter niederzulegen. Die ARD-Gemeinschaft mit ihren neun Landesrundfunkanstalten legt traditionell großen Wert auf Einigkeit und den Auftritt mit einer Stimme. Umso bemerkenswerter ist die jetzt kommunizierte Haltung der ARD-Häuser.

Kurz zuvor hatte bereits die Rundfunkratsvorsitzende Friederike von Kirchbach ihren sofortigen Rücktritt aus dem RBB-Kontrollgremium erklärt. Am Montag trifft sich der RBB-Verwaltungsrat, um über die konkrete Vertragsauflösung der abberufenen Intendantin Schlesinger zu beraten.

ARD-Vorsitzender Tom Buhrow
ARD-Vorsitzender Tom Buhrow äußerte sich am Samstag im Namen der ARD-Intendanten
Quelle: pa/dpa/Oliver Berg

Buhrow, der auch Intendant des Westdeutschen Rundfunks (WDR) ist, sagte in seiner Funktion als ARD-Chef: „Wir wollen ein Signal senden: Wir wollen helfen, dass der Sender stabilisiert wird und dass auch wieder Vertrauen wachsen kann, damit wieder berechenbare transparente Strukturen einkehren. Wir sind der Überzeugung, dass es mit dieser Geschäftsleitung immer unruhiger wird.“ Es werde auch im RBB, unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, immer unruhiger statt ruhiger. Buhrow ergänzte: „Es scheint so instabil, dass man sagen kann, es besteht die Gefahr, dass sich die Strukturen des RBB anfangen aufzulösen.“

Der Vertrauensverlust hat auch Folgen für Intendantensitzungen. Buhrow erläuterte: „Wir sind aus der Runde der Intendantinnen und Intendanten gebeten worden, uns über vereinzelte Fragen auch ohne den RBB zu beraten. Das kann und darf aber kein Dauerzustand in der ARD werden.“ Aus Kreisen verlautete, dass es am Freitagabend zum ersten Mal eine Intendantenschalte ohne den RBB gab.

Der Intendant des Norddeutschen Rundfunks (NDR), Joachim Knuth, äußerte sich am Samstag ähnlich. Auch er begründete den Vertrauensverlust der ARD in die RBB-Leitung mit fehlender Transparenz bei der Aufarbeitung des Falls Schlesinger. Knuth sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Das fehlende Vertrauen gilt der geschäftsführenden Leitung des RBB, weil die mehrfach eingeforderte Transparenz nicht hergestellt wurde.“

Zugleich betonte der NDR-Intendant: „Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des RBB gilt unsere Solidarität, sie sind und bleiben Teil der ARD-Familie und können sich unserer Unterstützung sicher sein.“ Nötig sei jetzt ein zügiger Prozess, aus dem der RBB als Ganzes gestärkt hervorgehe.

Redaktionsausschuss für sofortigen Rücktritt der Geschäftsführung

Der Redaktionsausschuss, eine Vertretung der Journalisten im RBB, forderte die Geschäftsleitung des Senders zum Rücktritt auf. In einer Erklärung des Redaktionsausschusses, die der Deutschen Presse-Agentur vorlag, hieß es am Samstag: „Die RBB-Geschäftsleitung genießt kein Vertrauen mehr – weder in der ARD noch im eigenen Haus. Deshalb muss sie unverzüglich zurücktreten.“

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Der Ausschuss schrieb zudem: „Auch wir als Vertretung der Journalistinnen und Journalisten im RBB vertrauen nicht mehr darauf, dass mit dieser Geschäftsführung eine lückenlose Aufklärung möglich ist.“ Darüber hinaus erwarte man, dass nicht einfach die Stellvertreter oder die Hauptabteilungsleiter automatisch nachrücken.

Weiter hieß es: „Denn alle, die in der Ära Schlesinger von Boni profitiert haben, haben auch dieses System mitgetragen. Wir brauchen andere, flachere und wirklich transparente Strukturen.“ Der Ausschuss verlangt, dass die Belegschaft in diesen Prozess einbezogen werde.

Teurer Dienstwagen mit Massagesitzen und Privat-Chauffeur

Die ganze Krise beim RBB dreht sich um Vorwürfe der Vetternwirtschaft und des Filzes gegen die zurückgetretene und abberufene Intendantin Schlesinger sowie den zurückgetretenen Chefkontrolleur Wolf-Dieter Wolf. Die Vorwürfe drehen sich um Absprachen zwischen beiden zu Schlesingers Gehalt, das bislang nicht in Gänze offengelegt wurde.

Es gibt ein umstrittenes Bonus-System für Führungskräfte in dem Sender, das erst auf öffentlichen und internen Druck hin für die oberste Direktorenriege bekannt wurde. Schlesinger bekam zudem eine kräftige Gehaltserhöhung um 16 Prozent auf 303.000 Euro. Abendessen für Gäste in ihrer Privatwohnung sollen mit angeblich falschen Rechnungen auf RBB-Kosten abgerechnet worden.

Für Unmut sorgte auch der Umbau der Chefetage des Senders für 1,4 Millionen Euro, Mitarbeiter sind wütend, weil zugleich im RBB-Programm gespart wurde. Auch ein teurer Dienstwagen Schlesingers mit Massagesitzen und Privat-Chauffeur sorgte für Aufsehen. Der Ehemann Schlesinger und „Spiegel“-Journalist Gerhard Spörl bekam zudem Aufträge von der landeseigenen Messe Berlin, wo Wolf auch Chefkontrolleur war. Zudem gab es umstrittene Beraterverträge für ein RBB-Bauprojekt, die aus dem Umfeld Wolfs stammen sollen. Schlesinger und Wolf wiesen Vorwürfe gegen sie zurück.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen Schlesinger, Spörl und Wolf wegen des Verdachts der Untreue und Vorteilsannahme. Es gilt die Unschuldsvermutung für alle drei. Eine externe Anwaltskanzlei untersucht den ganzen Fall, der den RBB in eine beispiellose Krise geführt hat. Auch bei der Messe wird derzeit intern ermittelt.

dpa/säd/cvb/sebe

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