Der jüngste Auswärtssieg der deutschen Fußballnationalmannschaft in Frankreich mit zwei wunderschönen Toren wirft die Frage auf, wie solche Tore während der Euromeisterschaft im eigenen Land gefeiert werden sollten.
Seit fünf Jahren läuft nach jedem deutschen Treffer in den Stadien daheim „Kernkraft 400“ von Florian Senfter. Passt die Torhymne noch zu einer Nation, die den Atomausstieg bewältigt hat? Zumal ihr Komponist unter dem Künstlernamen Zombie Nation auftritt? Eine Petition sammelt schon Stimmen für die passende Alternative: „Major Tom“ von Peter Schilling. 1982 war das Lied ein Hit der Neuen Deutschen Welle, Deutschland wurde Vizeweltmeister in Spanien.
Bevor wieder jemand die Frage stellt, wozu ein Spiel, in dem die Tore nicht minütlich fallen, weswegen sie auch ohne Musik enthemmt mit Bierduschen gefeiert werden, auch wenn Fußballfunktionäre fieberhaft mit Videobeweisen daran arbeiten, den Jubel einzudämmen – wofür Fußball also solche Hymnen braucht (es gibt sie nicht nur dort, wo wenig los ist, wie in Leipzig („I Feel Good“, James Brown), sondern sogar in stimmungsvolleren Stadien wie in Bochum („Cancan“, Jacques Offenbach)): Die Torhymne gehört zur Fußballtradition des 21. Jahrhunderts.
„Major Tom“ von Peter Schilling wäre ideal. Dort heißt es: „Effektivität bestimmt das Handeln/ Man verlässt sich blind auf den andern/ Jeder weiß genau, was von ihm abhängt.“ Und: „Experten streiten sich um ein paar Daten.“ So geht Fußball heute.
Dabei haben sich die Initiatoren der Petition sogar noch mehr gedacht. Mit der Musik von „Major Tom“ und mit dem Textauszug „Dann hebt er ab und völlig losgelöst“ hatten die Ausstatter von Adidas bereits ein Werbevideo zur EM in Deutschland unterlegt. „Egal ob man sich für das Trikot begeistern konnte oder nicht, alle waren sich einig, dass der Song zu einem Gefühl des Neuanfangs in der Nationalmannschaft passte“, schreiben die Unterschriftensammler.
Ohne Adi Dasslers Schraubstollen wären die Deutschen 1954 niemals Weltmeister geworden. Aber bald werden sie Nike tragen. Man schwebt weiter, wie es in der neuen Hymne heißen wird.