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  4. Micheline Presle stirbt mit 101: Nachruf auf die ewig stürmische Jugend

Film Micheline Presle †

Ewig stürmische Jugend

Leitender Feuilletonredakteur
Micheline Presle (1922–2024) im Jahr 1948 Micheline Presle (1922–2024) im Jahr 1948
Micheline Presle (1922–2024) im Jahr 1948
Quelle: Getty Images
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Micheline Presle ist gestorben. Sie war die letzte der französischen Filmdiven, die noch aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg in unsere Gegenwart hineinreichen. In Deutschland war sie vor allem für einen Film berühmt.

Wie oft haben wir das in den letzten Jahren gelesen: Die letzte große Filmdiva des amerikanischen, italienischen oder deutschen Kinos ist tot. Nur vom französischen Kino konnte man das nie sagen. Da schienen diese Damen ewig zu leben. Jedenfalls harrten sie länger aus als selbst Gina Lollobrigida, die im Januar 2023 mit 95 Jahren starb. Hingegen wurde Michèle Morgan, die große Liebende des französischen Films der 1930er, 1940er, 1950er 96 Jahre alt. Denise Grey, die noch im hohen Alter als quirlige Urgroßmutter in „Die Fete“ Triumphe feierte, starb mit 99, Danielle Darrieux, Inbegriff der dezent koketten „anständigen Frau“, mit 100, und sie alle übertraf Micheline Presle, die jetzt gegangen ist – sie erreichte das biblische Alter von 101 Jahren.

In Deutschland verbindet sich der Name dieser Schauspielerin, die am 22. August 1922 in Paris geboren wurde, vor allem mit einem Film. Der kam 1947 heraus und wurde allein schon durch den deutschen Verleihtitel „Stürmische Jugend“ zum Fanal. Der französische Originaltitel war sogar noch effektvoller: „Le diable au corps – Der Teufel im Leib“. Wie so oft verband sich der Film mit einem Skandal, genauer gesagt mit mehreren, denn die Handlung, die auf den gleichnamigen Roman des früh verstorbenen Schriftstellers Raymond Radiguet von 1923 zurückgeht, rührte gleich an drei Tabus.

Es geht in „Stürmische Jugend“ nämlich, mitten im Ersten Weltkrieg, um eine junge Frau, die ihren Verlobten, bald auch schon Ehemann, der „im Felde steht“ und „für das Vaterland seinen Kopf hinhält“, wie man damals sagte, mit einem anderen betrügt. Es handelt sich um einen minderjährigen Schüler, gespielt von Gérard Philippe in seiner ersten großen Filmrolle, dessen Drängen sie nicht widerstehen kann. Und das Schlimmste: Die junge Frau wird auch noch von ihm schwanger.

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Das verstand man nach 1945 als Hommage an die Macht der Gefühle, die über gesellschaftliche Konvention und Staatsräson den Sieg davonträgt. Man konnte diese Losung auch als Kommentar zum jüngst vergangenen Krieg lesen, in dem es ja auch viele unerhörte, unerlaubte Beziehungen gegeben hatte, und diejenigen, die man als „Einverständnis mit dem Feind“, also den deutschen Besatzern, interpretieren konnte, waren während der „Säuberungen“ nach der Befreiung Frankreichs grausam bestraft worden. Wer kennt nicht die schrecklichen Bilder von Französinnen, die mit geschorenen Haaren, bespuckt und geprügelt, durch die Straßen ihrer Heimatstädte getrieben wurden.

Die Relativität des Alters

Diese indirekte Aktualität des mit viel Leidenschaft und jugendlichem Furor daherkommenden Films ließ die Menschen gern darüber hinwegsehen, dass Gérard Philippe für einen minderjährigen Schüler eigentlich zu erwachsen aussah, vor allem aber, dass Micheline Presle keineswegs älter wirkte als ihr Liebhaber. Was zählte, war die Lebensfreude, die sich hier aussprach, und sie machten die beiden Protagonisten denn auch zu einem sogenannten Traumpaar jener Jahre, nicht nur in Frankreich, sondern in ganz Europa.

Auch Hollywood horchte auf. Micheline Presle bekam einen Filmvertrag in Amerika, drehte dort sogar mit Fritz Lang einen politischen Film, an der Seite des damaligen Superstars Tyrone Power („American Guerilla in the Philippines“), doch so richtig durchschlagend war ihr Erfolg nicht in der Neuen Welt. Wie schon bei Michèle Morgan oder Danielle Darrieux blieb es bei einem kurzen amerikanischen Intermezzo – sowie einer gewissen Reserve seitens des französischen Publikums, das solche Eskapaden übelnahm.

Micheline Presle mit Hardy Krüger in „Blind Date“, 1958
Micheline Presle mit Hardy Krüger in „Blind Date“, 1958
Quelle: picture alliance / Everett Collection

Auch die großen Regisseure schienen sich von der Heimkehrerin abzuwenden. Und diese, die vor und während des Krieges mit so renommierten Filmemachern wie Abel Gance, Marcel L’ Herbier und Jacques Becker gearbeitet hatte, musste sich bald mit Nebenrollen begnügen – immerhin allerdings bei Jacques Démy, Claude Chabrol, Alain Resnais.

In den 1960er-Jahren kam sie allerdings wieder ganz groß raus: nun als Familienmutter in der Serie „Eine französische Ehe“ („Les saintes chéries“), die von 1965 bis 1971 lief. Und man kann wunderbar den Unterschied zwischen französischer und deutscher Weiblichkeit in jener Zeit erkennen, wenn man sich vor Augen hält, dass Micheline Presle nun gewissermaßen das Pendant zu Inge Meysel wurde, die zeitgleich in der Serie „Die Unverbesserlichen“ ein burschikoses Muttertier verkörperte, ohne jenen Hauch von Erotik, den die Presle auch als Madame Mère immer verströmte.

Und dabei blieb es. Micheline Presle, die bis in die 2010er-Jahre zumindest in Frankreich auf der Leinwand zu sehen war, hat geschmeidig immer rechtzeitig das Fach gewechselt, ohne ihren Charme und ihre Attraktivität zu vernachlässigen. Sie war von der „stürmischen Jugend“ zur modernen Emanzipierten geworden, danach zur Grande Dame, schließlich zur lebenden Legende, die in der Hauptsache sich selbst darstellte: Micheline Presle, die letzte Lebende aus der großen Zeit des französischen Kinos, als dieses noch die ganze Welt verzaubert hat.

Diese Zeit, wer wüsste es nicht, ist lange vorbei. Aber die großen Diven, die es verkörpert haben, sie werden ewig leben, in unserem Gedächtnis, in unseren Träumen. Sie werden weiter unsere Vorstellung von Schönheit, Eleganz, Grazie und Anmut prägen. Und dankbar verneigen wir uns vor ihnen. Sie haben uns reich beschenkt. Wie schön, dass wir ihre Zeitgenossen gewesen sind.

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