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Medien Künstliche Intelligenz

Willkommen in der Ära des Prompt-Journalismus

Medienredakteur
Die AI-Sonne geht über dem Zeitungsland auf Die AI-Sonne geht über dem Zeitungsland auf
Die AI-Sonne geht über dem Zeitungsland auf
Quelle: Getty Images/The Image Bank RF/LUVLIMAGE; Getty Images/Moment RF/Isabel Pavia; dpa /ROBERT JAEGER; Getty Images/kycstudio; Montage: Infografik WELT/Felix Scharnowski
Suchmaschinen und soziale Medien waren erst der Anfang. Künstliche Intelligenz wird die Art und Weise, wie wir Nachrichten konsumieren, drastisch verändern. Dies hat Folgen für Medien, ihr Geschäftsmodell und ihre Glaubwürdigkeit. Ein Ausblick.

Alles, was wir über die Welt wissen, wissen wir durch die Massenmedien, hat der Soziologe Niklas Luhmann vor knapp 30 Jahren gesagt. Was weiterhin stimmt – nur verändert sich die Art und Weise, wie Menschen Medien nutzen, radikal. Zwar bleibt es eine wichtige (und von den Medienanbietern favorisierte) Methode, einzelne Medienmarken direkt zu abonnieren oder zu kaufen, um sich zu informieren. Die Atomisierung von klassischen Informationspaketen – wie etwa einer gedruckten Zeitung – durch das Internet und die sozialen Medien hat allerdings eine parallele, ganz neue Art der Informationsbeschaffung etabliert.

Mit gravierenden Folgen für Medien, die von zahlenden Abonnenten und Werbung leben. Die Hoffnung auf einen beiderseitigen Vorteil haben sich nicht erfüllt. Zwar generieren Suchmaschinen und soziale Netzwerke mit ihren Ergebnissen und Postings eine gewisse Aufmerksamkeit für Inhalte von Medien, die sonst nicht im Netz entdeckt worden wären.

Doch diese Aufmerksamkeit hat sich zumindest nach Einschätzung vieler Medienunternehmen nicht in entsprechend hohen Einnahmen aus Abos und vor allem Werbung niedergeschlagen. Stattdessen vereinen die großen Plattformen wie Google und Meta einen riesigen Anteil digitaler Werbeumsätze auf sich, scheinen also mehr von Medien profitiert zu haben, als diese von ihnen (das bestreiten Google und Co. allerdings).

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Die künftige Integration von immer leistungsfähigerer Künstlicher Intelligenz (KI) in Suchmaschinen könnte das ohnehin sensible Verhältnis von Technologie-Unternehmen und Medien endgültig zum Kippen bringen. Die Integration einer Antwortfunktion in Google, die mit generativer KI funktioniert, könne sich als ein „wahrer Alptraum“ für Verlage entpuppen, orakelte neulich das „Wall Street Journal“.

Mit Verweis auf ein Experiment des Magazins „Atlantic“ berichtete die Zeitung, es sei möglich, dass bis zu 75 Prozent der Nutzer, die ansonsten auf Links zur Seite des Magazins im Internet geklickt hätten, dies nicht mehr täten – weil ihnen die KI-generierte Antwort schon ausreiche. Durchschnittlich könnten bei allen Medien zwischen 20 und 40 Prozent der über Google zugeführten Nutzer wegfallen.

Wenn nun also die Suchmaschinen, also vor allem Google und Microsoft – der Marktanteil von Googles Suchmaschine liegt in Deutschland bei etwa 90 Prozent – eine sehr leistungsfähige KI-Antwortfunktion integrieren, dann wird sich das Verhalten zumindest eines Teils der Nutzer noch einmal gravierend verändern.

Bitte mit Quelle

Daraus entstehen wird ein „Prompt-Journalismus“, also ein auf konkrete Fragen zum Nachrichtengeschehen („Worum geht es in dem Nahost-Konflikt und wie ist die aktuelle Lage?“, „Wie sieht die Bundesliga-Tabelle aus?“, oder „Warum gibt es keinen staatlichen Zuschuss für E-Autos mehr?“) in wenigen Sekunden generierter Journalismus. Prompts sind die Aufforderungen, die Nutzer von Tools wie ChatGPT formulieren, um möglichst gute Ergebnisse zu erhalten.

Anders als bei Anfragen an Suchmaschinen werden diese Prompts präziser formuliert sein müssen, sind aber mit Spracheingabe auch einfacher zu handhaben. Die Antworten basieren auf von Journalisten recherchierten Informationen und Analysen, hier wird es wichtig sein, den Nutzern Quellenangaben zu liefern – ihnen also zusätzlich mitzuteilen, aus welchen Medien die Antworten entnommen und zusammengestellt wurden. Dies steigert auch laut Studien die Akzeptanz für KI-generierte Texte.

Für Medienunternehmen stellt sich die Frage, ob sie diese Art der Nachrichtenvermittlung, die sie letztlich selbst nur zu einem kleinen Teil kontrollieren können, unterstützen wollen. Die Frage ist allerdings vor allem theoretischer Natur – eine Wahl nämlich haben sie am Ende vielleicht gar nicht. Denn sicherlich könnten einzelne Medienmarken versuchen, den KI-Unternehmen den Zugriff auf ihre Inhalte verweigern.

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Die Frage ist nur, ob sie damit ihre eigene Marke vor einer vermeintlichen Entwertung schützen – oder ob sie eine wichtige neue Einnahmequelle über Lizenzvereinbarungen mit KI-Firmen nicht anzapfen und damit verpassen. Unklar ist dabei, wie groß die Akzeptanz der Nutzer für solche KI-generierten Nachrichtenzusammenfassungen sein wird.

Axel Springer (der Verlag von WELT) hat gerade eine Partnerschaft mit OpenAI abgeschlossen, dem derzeit führenden KI-Unternehmen, an dem Microsoft maßgeblich beteiligt ist. Sam Altman, der Kopf von OpenAI, war im vergangenen Monat spektakulär gefeuert – und dann wieder zurückgeholt worden. Wie dieser höchst ungewöhnliche Konflikt sich auf die gesamte Strategie des Unternehmens auswirken wird, ist bisher unklar. Die Notwendigkeit, sich mit der Kreativbranche über die Verwendung von Inhalten zu einigen, ist dabei wohl eher kein Thema gewesen.

Bisher bekannt ist, dass der Deal zwischen Axel Springer und OpenAI vor allem zwei wesentliche Aspekte hat. Zum einen sollen ChatGPT-Nutzer Zusammenfassungen verschiedener deutscher und englischsprachiger Medienmarken des Verlags, darunter auch „Politico“ und „Business Insider“, erhalten, inklusive Quellenangaben und Verlinkungen – hier könnten neue Abonnenten gewonnen werden. Zum anderen wird die OpenAI-Technologie mit Inhalten dieser Medienmarken trainiert, um die Ergebnisse zu verbessern. Hierfür fließt Geld von OpenAI an Axel Springer; die finanziellen Details wurden nicht kommuniziert.

Ist es strategisch sinnvoll, den neuen Prompt-Journalismus mitzugestalten und davon finanziell zu profitieren? Dafür spricht, dass im Umgang mit Suchmaschinen und sozialen Medien jahrelang von den meisten Medienunternehmen nicht auf Augenhöhe verhandelt wurde, vielleicht wegen der Marktmacht der Technologiegiganten auch nicht verhandelt werden konnte.

Abhängig vom Algorithmus

Wenn beispielsweise Meta den Algorithmus von Facebook mal so einstellte, dass mehr Nachrichten angezeigt wurden – und dann nach wenigen Jahren eine komplette Kehrtwende weg von Medieninhalten machte, weil diese angeblich für Nutzer nicht so relevant seien – dann war eine faire Partnerschaft schlecht möglich. Der Weg über ein reformiertes Urheberrecht und damit quasi „verordnete“ Zahlungen für die Nutzung von Medieninhalten durch Aggregatoren und soziale Medien war zudem bisher zumindest finanziell wenig ertragreich.

Bedeutet also: Reagieren Medienunternehmen nicht auf die nächste Welle der technologischen Revolution, hin zur individuellen Nachrichtenabfrage durch Konsumenten, könnten sie weiter an Boden verlieren. Fraglos wird es weiter eine substanzielle Zahl von Menschen geben, die sich eine Zusammenstellung von Nachrichten durch menschliche Redakteure wünschen, wie etwa bei einer Zeitungsseite und Nachrichtensendungen in Radio und Fernsehen.

Dass es bis heute kein wirklich erfolgreiches individualisiertes Nachrichtenangebot einer einzelnen Medienmarke gibt, spricht für die Beständigkeit solcher menschlich kuratierter Nachrichtenpakete. Doch je mehr Rituale auch im Medienkonsum erodieren, desto größer sind die Chancen für alternative Arten der Nachrichtenbeschaffung.

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Dass Medienunternehmen schnell die potenzielle Gefahr erkannt haben, die vom KI-Einsatz auf Plattformen wie Google, Bing, Meta und Co. ausgeht, liegt nach den Erfahrungen der vergangenen zwei Jahrzehnte auf der Hand. In Deutschland und anderen Ländern fordern die Verlegerverbände, dass die KI-Firmen offenlegen, welche Inhalte sie konkret zum Training ihrer Sprachmodelle (Large Language Models) verwenden – um dann entsprechend für die bisher unentgeltliche Nutzung honoriert zu werden.

Noch verweisen die nun zur Kasse gebetenen Firmen auch darauf, dass sie letztlich (wie in einer Bibliothek) nur Inhalte verwenden, die öffentlich zugänglich seien. Das könnte sich als juristisch wackelige Grundlage für eine kostenlose Nutzung erweisen. Doch dieser Konflikt ist noch jung und lässt Spielräume für Entwicklungen.

Im gerade verhandelten AI Act der Europäischen Union ist eine gewisse Auskunftspflicht über die Verwendung von Inhalten enthalten – doch diese geht etwa den deutschen Verlegerverbänden nicht weit genug. Im schlimmsten Fall rechnen diese mit einer Enteignung ihrer Inhalte durch die neue Technologie.

Und das Vertrauen?

Als Garant für ein funktionierendes Geschäftsmodell galt und gilt die Glaubwürdigkeit einer Medienmarke. Das Vertrauen in Medien insgesamt ist in der Gesamtbevölkerung weiterhin gegeben, wobei es laut aktuellen Studien wie dem Reuters Report oder dem Edelman Trust Barometer eher abnimmt. Zudem machen sich infolge der Häufung von Krisen neue Phänomene wie Nachrichtenmüdigkeit zunehmend bemerkbar.

Die Plattformen, auf denen Medieninhalte zu sehen sind, beeinflussen die Wahrnehmung einer Medienmarke. Das Vertrauen in soziale Medien ist in den meisten Ländern insgesamt nicht besonders ausgeprägt, die Einstellung vieler Menschen gegenüber dem Einsatz von Algorithmen ist zumindest laut Umfragen eher negativ. Gleichzeitig informieren sich vor allem jüngere Menschen zunehmend über digitale Plattformen, darunter etwa auch TikTok – diese Art von Paradoxie ist in der digitalen Welt nicht selten.

Offen ist, ob und wie der Einsatz von KI sich auf das Vertrauen in Medien auswirken wird – und hier ist die Frage, ob Medien komplette Artikel selbst von einer KI schreiben lassen wollen (manche tun das bereits), noch gar nicht berücksichtigt. Wie sich die Akzeptanz entwickelt, hängt auch von der Qualität der Ergebnisse ab. Klar ist nur, dass kein Medium den neuen Prompt-Journalismus ignorieren kann – denn kein Medium ist eine Insel mehr.

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