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Kultur „Die Discounter“

„Hamburger lügen nicht gerne“

Feuilleton-Redakteurin
Regisseure und Autoren Oskar und Emil Belton Regisseure und Autoren Oskar und Emil Belton
Regisseure und Autoren Oskar und Emil Belton
Quelle: picture alliance/AAPimages/Timm
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Die Belton-Zwillinge haben mit Anfang zwanzig einen deutschen Serienhit gelandet. „Die Discounter“ ist voller peinlicher Momente, die beim Zuschauen ein bisschen wehtun. Ein Gespräch über die Kunst der Improvisation und was Scham mit Lässigkeit zu tun hat.

Wer an „Die Discounter“ denkt, denkt schnell auch an „Stromberg“ und „Jerks“. Denn in der deutschen Supermarktserie sprechen die Schauspieler in ähnlicher Manier in die Kamera und es ist manchmal ähnlich unangenehm zuzusehen. Geschrieben haben die Mockumentary die Zwillingsbrüder Emil und Oskar Belton zusammen mit ihrem Freund Bruno Alexander. Ein Erfolg, den Kritiker vor allem für die authentische Jugendsprache lobten. Nun gibt es eine dritte Staffel und demnächst vielleicht auch eine vierte.

WELT: Die letzte Staffel von „Die Discounter“ haben Sie im Gasthaus Ihrer Familie in der Mecklenburgischen Seenplatte geschrieben. Wo waren Sie dieses Mal?

Emil Belton: In Bayern waren wir, in einer Alpenhütte. Wir wollten noch weiter weg sein von Hamburg. Das war ziemlich gut.

WELT: Also beim Schreiben wollen Sie keinen Input mehr, sondern völlige Ruhe?

Oskar Belton: Ja, es ist wichtig, dass wir keine Termine haben im Schreibprozess, sonst kickt uns das immer raus. Wir brauchen eine klare Struktur: Von morgens bis abends wird gearbeitet und das wars. Wir sagen alles ab, auch Arzttermine, damit man wirklich hundertprozentig fokussiert aufs Drehbuch ist. Damit man das in einem Wusch weg hat.

WELT: In der ersten Folge der neuen Staffel wird der Pausenraum zu einer Art Therapiecouch. Dabei sagen Titus und Lia, man müsse eigentlich einfach nur zuhören, die Menschen erzählen einem alles von allein. Ist das eine Erfahrung, die Sie bei der Figurenkonzeption für die Serie gemacht habt?

Emil Belton: Auf jeden Fall. Wir improvisieren nur. Wenn man improvisiert, spielt man sehr viel von sich selbst. Das sind alles Gedanken, die dir spontan kommen und die du spontan raushaust. Das ist anders, als wenn man Texte lernt und eine andere Figur spielt. Deswegen haben wir so besetzt, dass der Cast auch wirklich zu den Charakteren passt. Marc Hosemann (Thorsten), Ludger Bökelmann (Peter), David Ali Rashed (Samy), Bruno Alexander (Titus), die haben alle ein bisschen von den Charaktereigenschaften, die sie auch als Rolle haben. Nur Merlin Sandmeyer nicht, der in der Serie Jonas spielt, der ist ganz anders in echt.

WELT: Sie geben die Handlung vor, aber der Text wird von den Schauspielern improvisiert?

Oskar Belton: Wir haben ein Drehbuch, das aber in indirekter Rede geschrieben ist wie ein Roman. Der Plot ist vorgeschrieben für die ganze Staffel und die ganze Folge, sonst würde das ausarten.

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Emil Belton: Genau, es ist vorgeschrieben, aber der Cast kann sich in den verschiedenen Szenen auch spontan etwas ausdenken, also noch mal abbiegen. Wir schreiben auch die Dialoge, aber immer in indirekter Form.

Oskar Belton: Im Konjunktiv 2.

Emil Belton: Also: Pina kommt ins Büro, sie habe Thorsten dabei beobachtet, wie er XY macht. Torsten streitet das ab. So zum Beispiel. Dann klammern sich die Schauspieler und Schauspielerinnen nicht an vorgeschriebene Zitate, sondern schwimmen ein bisschen, sind etwas verloren. Dadurch kommt dann das Innere zum Vorschein.

Oskar Belton: Und es wird authentischer. Wir haben früher selbst viel geschauspielert, da hat man immer auf seinen Einsatz gewartet …

Emil Belton: Ich habe das immer als verkrampft empfunden.

Oskar Belton: … Beim Impro ist das anders, da lässt man alles los. Es hat was Befreiendes.

Emil Belton: Für manche schon, für andere gar nicht. Gerade bei den Alteingesessenen, der Schauspiel-Königsgarde Deutschlands, können da viele nichts mit anfangen. Die haben ihr Leben lang geschauspielert und Texte gelernt. Beim Improvisieren stehen sie dann da und sagen: Wo sind die Linien in meinem Kopf? Aber wir haben auch einige kennengelernt, wie eben Marc Hosemann, Martin Brambach, oder Wolfgang Michael, die das können.

Marc Hosemann und Klara Lange alias Thorsten und Pina
Marc Hosemann und Klara Lange alias Thorsten und Pina
Quelle: © Prime Video/Johannes Fielers/Pyjama Pictures
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WELT: Die Art der Comedy, die dabei herauskommt, hat etwas sehr Rohes. Der Mensch steht dabei sehr nackt da.

Emil Belton: Genau, weil es nicht um Gags geht. Es geht nicht um Witze, sondern um verschiedene Menschentypen, die aufeinandertreffen und um den Humor, der allein in diesen Begegnungen liegt.

Oskar Belton: Viel entsteht dann auch noch mal im Schnitt. Die Kunst besteht dann darin, die Pausen länger zu ziehen, damit die Situation noch unangenehmer ist. Wenn am Set in einer Szene eine Stille entsteht, ziehen wir die im Schnitt noch mal fünf Sekunden länger, damit es noch unangenehmer wird. Mit dem Schnitt kannst du viel retten oder aber verhunzen.

WELT: In „Die Discounter“ geht es, ähnlich wie bei Ihrem Vorbild „Jerks“ von Christian Ulmen, viel um „Cringe“-Momente. Also unangenehme zwischenmenschliche Situationen, bei denen man sich beim Zuschauen windet. Sie haben auch mal gesagt, dass Sie im Alltag viele Schammomente erleben. Gleichzeitig transportieren Sie und Ihre Figuren eine große Lässigkeit, sowie auch Christian Ulmen, der sich nach eigener Aussage auch sehr schnell schämt. Wie passen Scham und Lässigkeit zusammen?

Emil Belton: Ich glaube, wenn man sensibel ist, hat man gute Antennen, was „Cringe“-Momente angeht. Andere Menschen spüren das weniger. Wenn ich in einem Raum bin, wo die Stimmung schlecht ist, dann merke ich das sofort. Und das merkt auch Christian Ulmen sofort. Ich glaube, das ist eine Art von Sensibilität, die Lässigkeit mitbringt.

Vielleicht ist es aber auch eine Form von Abwehr. Man ist unsicher und baut dann vor sich einen Schutz aus Lässigkeit auf. Aber da muss ich auch noch mal drüber nachdenken.

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WELT: Das heißt, um Cringe-Humor zu verstehen, muss man sensibel sein?

Oskar Belton: Ja. Wir wurden oft dafür kritisiert, dass wir ja überhaupt nicht lustig sind. Dann habe ich mal geguckt, was diese Leute sonst so lustig finden. Das war dann oft so eine Art Slapstick-Humor, wo es wirklich um Witze geht. Über sowas kann ich dann nicht lachen.

Emil Belton: Das können wir dann nicht so gut, wir sind keine Witzeschreiber. Wie haben einen anderen Zugang, uns fallen dafür vielleicht Nuancen im Zwischenmenschlichen eher auf, und damit eben diese Cringe-Momente. Leute, die das nicht so wahrnehmen, finden unsere Serie dann auch nicht lustig, sondern verabscheuen das und denken sich: „Warum soll ich mir das jetzt geben?“

Oskar Belton: Viele beklagen auch, dass es unseren Charakteren an emotionaler Wärme fehlt. Ich sehe das gar nicht so. Wir erzählen auch die Wärme, nur manchmal eben auf eine dreckige Art und Weise. Es gibt ein Herz zwischen den Angestellten im Supermarkt.

WELT: Als Gast tritt in der neuen Staffel auch Heinz Strunk auf, der mit Ihnen und Christian Ulmen in ein ganz ähnliches Comedy-Register fällt. Der Humor ist distanziert und hat etwas typisch Norddeutsches. Würden Sie da zustimmen?

Emil Belton: Ja, schon. Norddeutscher Humor ist irgendwie kühler, aber auch purer und echter. Ich glaube, Hamburger lügen nicht gerne. Das wirkt anfangs vielleicht unfreundlich, weil man nicht so überschwänglich ist. Aber das ist hier eine Art Kodex, dass man sehr ehrlich ist, und dadurch eben auch härter wirkt.

Oskar Belton: Der Humor ist trockener.

Emil Belton: Das hat ein bisschen was Skandinavisches. Das Vorbild von „Jerks“ kommt ja ursprünglich auch aus Dänemark.

Oskar Belton: Ich finde auch, dass Tatorts und Krimis aus Skandinavien viel lustiger und unterhaltsamer sind als die Deutschen. Weil die mit Erwartungen brechen. Und das versuchen wir auch. Wir wollen Abbiegungen finden, die man nicht vorhersehen kann.

WELT: Mögen Sie US-Comedy?

Emil Belton: Mir ist das oft sehr schnell zu viel und manchmal zu trashig. Ich konnte lange mit der amerikanischen Version von „The Office“ nichts anfangen. Mir war das zu drüber. Aber irgendwann war es dann das absolute Vorbild. Man merkt, wenn der Regisseur oder die Drehbuchautorin ihre Figur ernst nimmt, so dass die in sich funktioniert und an ihre Welt glaubt. Das finde ich cool. Bei den „Discountern“ gibt es keine einzige Figur, die sich selbst nicht ernst nimmt. Jonas nimmt sein Leben ernst. Thorsten nimmt sein Leben ernst. Wenn das gebrochen wird, eine Figur was Dummes nur für den Witz sagt, dann funktioniert das für mich nicht mehr.

WELT: Gibt’s Pläne für eine nächste Staffel?

Oskar Belton: Also wir wissen, ob eine kommt, oder ob keine kommt. Wir dürfen es nur nicht sagen. Nur so viel, wir würden definitiv gerne eine drehen.

Staffel 3. von „Die Discounter“ ist auf Amazon Prime zu sehen.

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