In Hollywood, wo gewerkschaftlich organisierte Drehbuchautoren die Traumfabrik 148 Tage lähmten, würde man sich darüber wohl die Augen reiben: Fünf Jahre dauerte der Berliner Rechtsstreit um die Drehbuchhonorare zu Til Schweigers größten Kassenerfolgen, „Keinohrhasen“ und „Zweiohrküken“. Der Drehbuchautorin Anika Decker wurden am Mittwoch vom Landgericht nachträgliche Vergütungen von insgesamt 183.000 Euro zugesprochen, zusätzlich zu den ursprünglich gezahlten Honoraren von 50.000 und 157.000 Euro. Viel Geld, doch weit weniger als es hätte sein können, hätte Decker ihre Ansprüche innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist erhoben. So blieben die ursprünglichen Kinoeinnahmen, deren Summe Schweigers „Barefoot Films“ und Koproduzent Warner Bros. hatten offenlegen müssen, unberücksichtigt.
Nicht nur deren unerhörte Höhe (70 bzw. 43 Millionen Euro) hatte die deutsche Filmbranche seit dem vorangegangenen Prozess im Februar 2022 beschäftigt. Grundlage für die Klage war der im Urheberrechtsgesetz nur vage formulierte und kaum angewendete Fairnessparagraf (§ 32a): Er sieht eine Nachzahlung vor, wenn die ursprüngliche Honorierung und die späteren Erträge in einem Missverhältnis stehen. Nun konnte sich Decker lediglich auf spätere Einnahmen aus DVD-, Streaming und Pay-TV von 4,5 Millionen Euro berufen, die 2018, als sie klagte, noch nicht verjährt waren.
Auch die Kosten des Verfahrens (gegen das Urteil kann noch Berufung eingelegt werden) muss wohl Decker tragen. Andererseits: In der Sache bekam sie recht, und so könnte dieses Urteil die Ansprüche von Urheberinnen und Urhebern nachhaltig stärken. Der Deutsche Drehbuchverband gratulierte seinem Mitglied Decker, kritisierte jedoch den Verjährungsentscheid: „Autor*innen schreiben Geschichten, es zählt nicht zu ihren Aufgaben, sich über die Erfolgsquoten ihrer Werke in unterschiedlichen Verwertungsformen auf dem Laufenden zu halten, wir haben keine Marktbeobachtungspflicht.“
Hier allerdings wird die Sache interessant: Erfolgsbeteiligungen sind im deutschen Filmgeschäft für Künstler, die nicht auch Produzenten sind, aus einem guten Grund unüblich: Kaum ein Kinofilm spielt seine Produktionskosten tatsächlich ein. Die Filmfördermodelle sind so aufgestellt, dass Produzierende im Extremfall auch ohne den Verkauf einer einzigen Kinokarte über die Runden kommen. Ihre „producer’s fee“ errechnet sich aus den Budgets, die von ihnen geforderten Eigenanteile lassen sich mit Vorab-Verkäufen – etwa ans Fernsehen – verrechnen. Das minimiert ihr Risiko. Kommt es dann doch einmal zu Gewinnen, zahlt man die bedingt rückzahlbaren Darlehen an die Förderanstalten zurück – und der Rest ist Schweigen.
In einem Wirtschaftsbereich, der gar nicht mit seiner eigenen Wirtschaftlichkeit rechnet, wirken die märchenhaften Gewinne der Schweigerfilme wie eine Rückblende in die Zeit von „Winnetou“ und „Schulmädchenreport“. Doch die Zeiten ändern sich: Der Streamingmarkt hat in den letzten Jahren zu deutschen Welterfolgen geführt wie der Serie „Dark“ und der Oscar-prämierten Literaturverfilmung „Im Westen nichts Neues“.
Selbstverständlich müssen Produktionsfirmen die Gewinne offenlegen, um Kreative angemessen zu beteiligen. Für die meisten deutschen Kinofilme, insbesondere die künstlerischen Produktionen, wird Erfolg auch künftig in einer anderen Währung gemessen werden: In Qualität, die zuletzt auch wieder zu großen Festivalerfolgen geführt hat wie Christian Petzolds „Roter Himmel“ oder Timm Krögers Venedig-Beitrag „Die Theorie von Allem“. Und die hat ihren Preis, der letztlich von den Kreativen mit den Produktionsfirmen zu verhandeln ist. Es fiele ihnen wohl leichter, wenn sie nicht nur den Deutschen Drehbuchverband, sondern eine mächtige Gewerkschaft auf ihrer Seite wüssten.