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  3. Diebstahl-Skandal im British Museum: Die Ära Hartwig Fischer ist noch nicht (ganz) zu Ende

Meinung Diebstahl aus dem British Museum

Die Ära Hartwig Fischer ist noch nicht zu Ende

Stellv. Ressortleiterin Feuilleton
Hartwig Fischer Hartwig Fischer
Hartwig Fischer
Quelle: dpa/British Museum/Benedict Johnson
Hartwig Fischer ging 2016 nach London und übernahm als erster Ausländer seit rund 200 Jahren das British Museum. Er mied den Rummel, arbeitete lieber emsig an seinem Milliarden-Pfund-Masterplan. Was es über die Institution sagt, dass ausgerechnet er jetzt über einen kriminellen Mitarbeiter stürzt.

Hartwig Fischer ist am 25. August als Direktor des British Museum in London zurückgetreten. Der Hamburger Kunsthistoriker hatte schon vor wenigen Wochen angekündigt, dass er sein Amt zum Ende des Jahres aufgeben werde. Schon zu jenem Zeitpunkt wurde spekuliert, was alles zu der Entscheidung beigetragen hatte. Gründe gab es einige.

2016 war Fischer nach Stationen am Folkwang Museum in Essen und den Kunstsammlungen in Dresden an die Spitze eines der renommiertesten Häuser der Welt gewechselt. Erstmals seit 1827 führte ein Ausländer die Institution. Aufmerksamkeit war ihm auch als Nachfolger von Neil MacGregor garantiert. Zum Abschied aber blieben ihm nun nur noch wenige Worte und der Wunsch, dass sein Rücktritt den „größten Schaden von der Institution“ abwende.

Erster Hinweis schon 2021

Was ist geschehen? Im Verlauf der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass die Leitung des Museums seit 2021 darüber informiert war, dass rund 2000 Artefakte aus dem 8 Millionen Stücke umfassenden Bestand des Museums illegal bei Ebay verkauft worden seien, oft weit unter Wert. Unternommen worden dagegen sei aber nichts. Im Gegenteil. Obwohl der Antiken-Händler Ittai Gradel den Stellvertreter von Fischer, Jonathan Williams, auf den Diebstahl aufmerksam machte, wurden keine Konsequenzen gezogen. Mehr noch: Williams glaubte Gradel schlicht nicht, konnte sich nicht vorstellen, dass eigene Mitarbeiter dazu fähig seien.

2022 bestätigte sich das Unglaubliche. Und trotzdem: Noch vor wenigen Tagen versuchte Hartwig Fischer, die Schuld für die verzögerte Aufklärung auf Ittai Gradel zu schieben, entschuldigte sich erst, als der Händler ihm mit einer Anzeige wegen Rufmords drohte und E-Mails öffentlich machte. Die Loyalität Fischers gegenüber seinem Stellvertreter wurde nicht belohnt.

Fischers Vize Williams hatte eine der Brandmails des Kunsthändlers von 2021 mit den lapidaren Worten beantwortet: Die betreffenden Objekte seien alle vorhanden, und es gäbe keine Anzeichen für ein Fehlverhalten von Mitarbeitern des Museums. Wie falsch er lag, wird jetzt Tag für Tag, Enthüllung für Enthüllung deutlicher.

Zweiter Rücktritt wird erwartet

Auch Williams hat nun zugestimmt, mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben zurückzutreten. Allerdings nur bis die unabhängige Untersuchung der Diebstähle abgeschlossen sei. Wie lange diese Haltung noch aufrechtzuerhalten ist, hängt nicht nur von der Größe des Skandals ab, sondern besonders von der fragwürdigen Reaktion des Museums auf die Warnungen. Man kann sich kaum vorstellen, dass er seinen Posten behält, Hartwig Fischer aber gehen muss.

Diebstähle hat es im British Museum immer gegeben, 1993 eine römische Münze und Schmuck im Wert von 250.000 Pfund gestohlen, 2002 eine 2500 Jahre alte griechische Statue im Wert von etwa 25.000 Pfund, 2004 15 chinesische Artefakte, 2017 ein Cartier-Diamant im Wert von 750.000 Pfund. Eine derartige Schlamperei und Hybris aber wie sie nun bekannt wurde, ist sogar für das British Museum erstaunlich.

Der Masterplan des Hartwig Fischer

Ganz unabhängig vom jüngsten Skandal war der Druck auf Fischer zuletzt enorm. Einer, der immer wieder in diesem Zusammenhang auftaucht, wenn es darum geht, Fischers Führung infrage zu stellen, ist der Kuratoriumsvorsitzende George Osborne. Er hatte jüngst am Direktor vorbei Verhandlungen mit Griechenland zu einer Rückgabe der Elgin Marbles geführt. Eigentlich ein Affront, doch Fischer hat es nie geschafft, sich gegen diese Eskapaden zu wehren. Sein Stil wirkte immer nach innen nicht nach außen. Doch das ist für eine internationale Einrichtung mit einer Bedeutung wie das British Museum wohl zu wenig.

Und so war es nicht überraschend, dass die Reaktion des Museums auf seine Ankündigung London 2024 zu verlassen, auch ohne Diebstahlskandal nüchtern ausfiel. Die Ära Fischer ist damit aber noch nicht ganz vorbei. Im Herbst wird sein rund eine Milliarde teurer Masterplan vorgestellt. Fischers Auftrag war es, die „Generalüberholung des Gebäudes und der Präsentation der Sammlung“ auf den Weg zu bringen. Und das in Zeiten von Postkolonialismus und Restitutions-Agenda vieler anderer Staaten. Erst dann wird die Öffentlichkeit wirklich ein Urteil fällen können, wird das Resümee seiner Zeit in London vollständig sein. Diebstahl-Skandal hin oder her.

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