Drei Fußball-Weltmeisterschaften der Frauen in den Neunzigerjahren waren ohne großes mediales Aufsehen vorbeigezogen. Für den ersten EM-Titel hatte der DFB den Spielerinnen seiner Frauschaft Kaffeeservice als Prämie spendiert. Außerdem waren Sportfilme Kassengift. Aber eine indischstämmige britische Filmemacherin hatte eine fixe Idee: der erste große Film über Frauenfußball! Als die Geldgeber auf der Insel skeptisch blieben, wandte sich Gurinder Chadha an Wim Wenders’ Firma Road Movies. Brachte ein Drehbuch mit. Wenders’ Kompagnon Ulrich Felsberg biss an.
Timing ist alles im Kino. „Kick it like Beckham“ kam genau ein Jahr vor der Fußball-WM der Frauen 2003 – die Formulierung „Frauenfußball-WM“ ist in Ungnade gefallen, weil „Frauenfußball“ lange abfällig gebraucht wurde – in die Kinos. Der Plot ging so: Jess (Parminder Nagra), Tochter einer in London lebenden Familie mit indischen Wurzeln, spielt gegen den Willen ihrer Eltern Fußball mit Jungen im Park, darunter ihr bester Freund Tony, der aber schwul ist.
Jess wird von der Bio-Engländerin Jules (Keira Knightley) überredet, sich ihrer Frauenfußballmannschaft anzuschließen; Jules Mutter hält ihre Tochter für eine Lesbe, weil sie im Verein spielt. Im weiteren Verlauf verliebt sich Joe (Trainer der Fußballfrauen) in Jess, und ein US-Talentsucher bietet Jess und Jules ein Stipendium in Amerika an. Am Ende küssen sich Jess und Joe auf dem Flughafen, Jules fliegt mit Jess über den Teich, und deren Eltern akzeptieren die Liebe ihrer Tochter zum Fußball.
Da konnte man sich nicht beschweren. Alles drin: konservative Einwandererfamilien, Homosexualität, Ausländerfeindlichkeit, Eifersucht, gekränkter Stolz, britischer Humor. Und vor allem: Fußball als Mittel der Befreiung der Frau aus traditionellen Geschlechterrollen. Drei Wochen lang stand der Film an der Spitze der britischen Kinohitparade (um dann allerdings von dem Männerfilm „About a Boy“ abgelöst zu werden), und die WM im folgenden Jahr bedeutete den medialen Durchbruch für Frauenfußball. „Kick it like Beckham“ wurde sogar im nordkoreanischen Staatsfernsehen gezeig
Der DFB ließ sich für den Gewinn des Titels durch seine Elf immerhin zu 15.000 Euro Prämie pro Spielerin hinreißen. Bei der WM in Australien wären es 250.000 Euro, was immer noch 150.000 weniger sind als die deutschen Männer für einen (zugegeben, unwahrscheinlichen) WM-Gewinn bekämen.
Es gibt Sportarten, wo Prämiengleichheit hergestellt ist, wie bei den Grand Slam-Turnieren im Tennis, aber das hat auch immer etwas mit dem gebotenen Spektakel zu tun, und die Damen und Herren in Wimbledon stehen sich bei ihren Spektakeln in kaum etwas nach, was man von Frauen- und Männerfußball noch nicht sagen kann. Vielleicht müssen die Frauen einfach nur abwarten, bis sich der Männerfußball in seiner Geldgier und seinem Ausverkauf an zweifelhafte Milliardäre selbst erledigt haben wird.
Im Rückblick jedenfalls fallen ein paar Dinge bei „Kick it like Beckham“ auf. Zum einen verlangte der amerikanische Verleih eine Titeländerung in „Move it like Mia“, um von der Populariät der Soccer-Ikone Mia Hamm zu profitieren, was aber männliche Zuschauer im Rest der Welt ausgeschlossen hätte. Mit Joe ist immer noch selbstverständlich ein Mann Trainer der Fußballfrauen (auch sehr praktisch für den Plot). Und schließlich fällt die keusche Behandlung des Themas „Homosexualität“ auf. Im Grunde läuft die ganze Anlage des Films auf eine lesbische Beziehung von Jess und Jules heraus, und in einem frühen Skriptstadium waren die beiden auch ineinander verknallt.
Das wagte man damals noch nicht – so wie heute Schwulsein im Männerfußball weiter tabu ist – im Gegensatz zur aktuellen Frauen-WM: Da zählt die Website OutSports 95 Spielerinnen (von insgesamt 736), die sich als LGBTQ geoutet hätten.