Beim letzten Mal, dass wir auf der Meile waren, roch es da schlecht, obwohl es im Kino war. Abgewrackte Menschen saßen in einer abgewrackten Kneipe. Einer von ihnen, Fritz Honka hieß der, schleppte regelmäßig betrunkene, alte Frauen heim, metzelte sie nieder und packte ihre Überreste mit Wunderbäumen in seine Schränke.
„Der goldene Handschuh“ hießen die Kneipe, der Roman von Heinz Strunk und der gar nicht so gute Film von Fatih Akin.
Als Kommissar Falke jetzt zurück kommt zur Meile, zur Reeperbahn, zum möglicherweise absurdesten Ort nicht nur in Hamburg, braucht es da keine Wunderbäume mehr. Die Reeperbahn riecht nicht mehr.
Osteuropäische Frauen werden mit Bussen in klinisch saubere Häuser gefahren und dann weiter. Sextouristen fliegen ein und aus. Auf den Straßen haben JunggesellInnenabschiedsgruppen einen Höllenspaß. Und alles gehört den Albanern.
Die Reeperbahn ist ein Freizeitpark. Und wer wissen will, wie furchtbar das ist, schaue sich „Die goldene Zeit“ an. Einen „Tatort“, der von der Gegenwart handelt und davon, wie Gespenster von damals in ihr zugrunde gehen.
Falkes goldene Zeit müssen die 80er gewesen sein. Da war Honka längst Geschichte. Und der alte Kiez war tot, wusste es aber noch nicht, glaubte sich noch groß.
Jetzt hängt Pohl, der Kiez-Pate, dem mal alles gehörte, in einer fiesen Bude am Beatmungsgerät. Sein Sohn wird von einem 14-Jährigen, der wie die Sexarbeiterinnen aus dem Osten kam, niedergemetzelt.
Und „Eisen-Lübke“, der Sicherheitschef der Pohls war und Falke einst einweihte in die Kunst des Türstehens, den bewerfen die Albaner mit Pommes.
Die wollten sich lustig machen über die Pohls, sagt Falke, damit, dass sie ein Kind zum Töten schickten. Falke kriegt, wie man im Rheinland sagt, das arme Tier, und fängt in einer ziemlich „Handschuh“-haften Kneipe wieder an, Hochprozentiges in Milch zu kippen.
Kollegin Grosz hält ihn, so nüchtern, wie es eben menschenmöglich ist im Kiez, auf Kurs. Eisen-Lübke jagt den Kindkiller.
„Die goldene Zeit“ ist umstellt von Klischees. Man darf nicht so scharf darüber nachdenken, womit hier wirklich Geschäfte gemacht werden. Dafür schaut das „Tatort“-Debüt der hochbegabten 34-jährigen Münchnerin Mia Grübler sehr scharf auf das, was da zwischen den Figuren geschieht und mit der Nostalgie und der Menschlichkeit.
Ein Herz hat „Die goldene Zeit“, das „Der goldene Handschuh“ nicht hatte. Es schlägt zwischen dem Eisen-Lübke und dem Kind, das er nicht töten kann.
Ein Post-„Pate“-Film. Ein Abgesang auf den Kiez. Ernüchternd. Traurig. Und gültig.