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Kunst Kunsthandwerk

Glücklich, wer daheim ein Gamsweibchen hat

Gamsweibchen aus dem frühen 16. Jahrhundert Gamsweibchen aus dem frühen 16. Jahrhundert
Ihr Geheimnis sind die Beine
Quelle: BARTHEL-BAMBERG
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Zu den Besonderheiten des alpinen Kunsthandwerks zählt das geheimnisvolle Gamsweibchen. Heute sind die Schnitzfiguren selten und sehr begehrt. Manchen wird vom Volksglauben sogar Zauberkraft zugeschrieben.

„Ist fürstliche Freude, ist männlich Verlangen, erstarket die Glieder und würzet das Mahl…“ tönt der Chor der Jäger in Carl Maria von Webers Oper „Der Freischütz“. Die Zeiten haben sich geändert. So unverhohlen lässt sich der Jagdrausch, als gesellschaftliche Distinktion und Tradition noch im Vordergrund standen, heute nicht mehr feiern. Die Aufgabe des Großgrundbesitzers, der Forstverwaltungen und ihrer Jäger sind die dem Wildtiermanagement unterliegende Ausrichtung der Jagd. Es gelten Prinzipien der Nachhaltigkeit und ökologische Erfordernisse.

Seinerzeit, also nachdem die Jagd nicht mehr nur der Gewinnung von Nahrungsmitteln gedient hatte, war sie ein Zeitvertreib der Privilegierten, ein Beleg gelungener Lebensgestaltung mit viel Naturbezug und Sinn für Prestige. Dazu gehörten dann auch malerische Auftragsmotive mit mehr oder minder blutrünstigen, fast immer mythologischen Sujets – und Trophäen.

Prächtige Geweihe, Eberschädel und Luchspräparate waren beliebter Dekor im Jagdzimmer, über der festlich gedeckten Tafel schwebte als Kronleuchter eine geschnitzte und bemalte Galionsfigur der Jagdlust, ein möglichst barbusiges Lüsterweibchen, auf Geweihstangen montiert und mit Kerzenhaltern versehen – Brauch und Mode von der Renaissance (selbst von Dürer gibt es Entwurfszeichnungen für elegante Lüsterweibchen) bis in die Barockzeit.

Noch seltener: Gamsmännchen

Eine Variante dieser hochrepräsentativen, auch für Ratssäle und Kirchen hergestellten Verbindung von kunsthandwerklichem und natürlichem Artefakt ist das Gamsweibchen, manchmal auch Gamsmännchen. Naturgemäß nur in den bayerischen, österreichischen und Schweizer Alpen zu finden. Kleiner, die Schnitzfigur sitzt auf den maximal 30 Zentimeter langen Krucken (den Hörnern) eines Gamsbocks oder einer Geiß, diente es als Wandschmuck, quasi als Türschild im Entree eines herrschaftlichen Hauses und präsentierte dem Eintretenden ein Wappenschild mit den heraldischen Bestandteilen der jeweiligen Familie. Manchmal war es ein Doppelwappen, das auf die Allianz zweier Familien verwies und möglicherweise ein Geschenk ans Hochzeitspaar war, das nun das Anwesen bewohnt.

Gamsweibchen aus dem frühen 16. Jahrhundert
Zu sehen bei den Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen: Gamsweibchen aus dem frühen 16. Jahrhundert beim Kunsthandel Wenzel
Quelle: BARTHEL-BAMBERG

Vielleicht diente es auch zu gewissem Grad als symbolische Wächterfigur oder als Lob der Hausherrin und ihren wohlgehüteten Hausstand. In der Literatur finden sich Hinweise, dass an die aufgebogenen scharfen Enden der Krucken die Schlüssel aufgehängt wurden. Ganz sicher jedoch dokumentieren diese Kombinationsfiguren die Lust der Zeitgenossen am Kuriosen und Bizarren.

Die Gamsjagd im steilen Gelände ist kräftezehrend und weit aufreibender als die Flachlandjagd, entsprechend Ehrfurcht gebietend ist eine Gamstrophäe, besonders wenn sie von einer alten Geiß stammt. Die weiblichen Gämsen sind nämlich weitaus misstrauischer und vorsichtiger als die Böcke.

Mit schrillem Pfiff warnen sie das Rudel, wenn Gefahr droht, bringen sich und die Jungen in Spalten und unwegsamem Gelände in Sicherheit. Ob Gams oder Geiß, sie zu schießen ist das Eine, sie zu bergen die oft größere Herausforderung. Anders als heute, da man immerhin versucht, den Schutz der Gebirgsfauna und -flora mit den Interessen menschlicher Aktivität unter einen Hut zu bringen, war die mit Geschick und Mut erlegte Beute ein enormer Prestigegewinn.

Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen

Der Gamsbart am Hut (über die Jahrhunderte bis heute), als auch das Gamsweibchen bis ins 17. Jahrhundert (mit einer Art Wiederbelebung zu Anfang des 19. Jahrhunderts) sind anschauliche kulturhistorische Belege des alpinen Brauchtums, gewürzt mit einer Prise Abwehrzauber. Fein geschnitzte und farbig gefasste Gamsweibchen im zeittypischen Gewand gelten heute als kostspielige Rarität. Charme und Historie, ein Gespinst aus atavistischer Legende und ambitioniertem Kunsthandwerk faszinieren nicht nur die inzwischen weniger rauen Jäger unserer Tage.

Wenzel in Bamberg, einer der Händler im Konzert der alljährlichen Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen (24. Juli bis 24. August) hat ein wohl um 1520 in Süddeutschland entstandenes Exemplar, dessen Wappenschilde nicht (mehr?) bemalt sind: für 6500 Euro.

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