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Medien Künstliche Intelligenz

Der Radiosender, der aus der Retorte kommt

Medienredakteur
Das Tonstudio bleibt leer Das Tonstudio bleibt leer
Das Tonstudio bleibt leer
Quelle: picture alliance / Westend61
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Radiomoderatoren kann man lieben oder hassen – aber könnte ihren Job auch eine Künstliche Intelligenz übernehmen? Und im Plauderton Meldungen aus der Region vorlesen und Musiktitel ansagen? Ein deutscher Radiosender probiert es aus.

Moderatoren von Radiosendungen kann man mögen oder ablehnen, egal sind sie ihren Hörern meistens nicht. Stimmen erzeugen Emotionen – und wer sich seine Küche oder sein Wohnzimmer von Menschen beschallen lässt, die nicht zur Familie gehören, der möchte sich angenehm und kompetent angesprochen fühlen. Wenn es nun heißt, dass demnächst ein Radiosender startet, bei dem jede Stimme von einer Künstlichen Intelligenz (KI) erzeugt wird, stellt sich unmittelbar die Frage: wer möchte das hören und warum?

Radio GPT“ nennt sich die Software, die es Radiosendern ermöglichen soll, ein Programm generieren zu lassen – also nicht nur die Zusammenstellung der Musik zu übernehmen, sondern auch alle Stimmen und deren Texte künstlich zu erzeugen. Damit wirbt jedenfalls das amerikanische Unternehmen Futuri Media aus Ohio. Die Firma mit dem nicht ganz so subtilen Namen verspricht Kunden aus der Medienbranche, ihre Inhalte, Reichweiten und letztlich Umsätze durch den Einsatz von KI maßgeblich zu steigern.

Als erste deutsche Kundin hat nun die Audiotainment Südwest GmbH in Mannheim zugegriffen. Die Firma ist eine Größe in der Radiobranche, mit den von ihr produzierten Programmen, darunter BigFM, RPR1 und Radio Regenbogen, erreicht sie laut Messungen über 5 Millionen Hörer am Tag. Mit der auf junge Zielgruppen ausgerichteten Marke BigFM („Deutschlands biggste Beats“) will man noch in diesem Sommer einen ersten deutschen KI-Radiosender starten.

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„Wir sehen das Projekt als offenes Experimentierfeld und Lernlabor, zu dem wir Programmierer und Radio-Interessierte aus ganz Deutschland einladen, dabei zu sein“, sagt Mike Doetzkies, der das KI-Projekt verantwortet, im Gespräch mit WELT. Die Voraussetzungen sind gut, laut einer Studie der Medienanstalten hatten im vergangenen Jahr „,mehr als zwei Drittel der Personen ab 14 Jahren in Deutschland Zugang zu mindestens einer digitalen Radioempfangsmöglichkeit oder nutzen Webradio“.

Seit das US-Unternehmen OpenAI, an dem Microsoft beteiligt ist, seine KI-Software ChatGPT und zuletzt GPT-4 zugänglich gemacht hat, die mit beeindruckenden technologischen Fortschritten in der Sprach- und Bilderzeugung aufwarten, ist KI auch in der Medienbranche zum wichtigsten Innovationsthema geworden. In der Diskussion halten sich Befürchtungen und Hoffnungen die Waage – bisher erwarten die Optimisten, dass KI die Arbeit von Journalisten unterstützen kann, die originären Aufgaben wie etwa Recherche aber nicht ersetzt. Wer etwas auf sich hält, experimentiert also mit der KI – was nicht nur schlau ist, sondern auch imagefördernd wirken kann, wenn man es richtig anstellt.

„Auf jeden Fall anders“

„Der Sender wird auf jeden Fall anders klingen als eine typisches Pop-Welle“, sagt Doetzkies, der auch Programmleiter des Senders Regenbogen 2 ist – er schürt und dämpft damit Erwartungen zugleich, je nach Lesart. Keineswegs gehe es aber darum, Moderatoren zu ersetzen, sagt er. Womit Doetzkies einen möglichen Vorbehalt gleich entkräften will. In der Tat ist es unrealistisch, dass eine ausreichend große Zahl von Menschen bei ihren Stammsendern einen Umstieg von menschlichen auf künstliche Moderatoren mitmachen würde.

Was allerdings gut denkbar ist, dass neue Sender gestartet werden, die spezifische Angebote haben, die in dieser Form nicht mit dem bestehenden Personal zu leisten sind. Die Musik ist, auch wenn sie einen Großteil der Zeit dominiert, dabei austauschbar. Für „Radio GPT“ ist der Anwendungsfall in der Startphase eine Versorgung der Hörer mit lokalen Informationen.

So soll eine Software namens Topic Pulse das Internet nach Inhalten aus einer spezifisch definierten Region absuchen und nach Relevanz bzw. hoher Aufmerksamkeit bewerten. Mike Doetzkies nennt als Beispiel eine fiktive Nachricht, dass in Heilbronn ein Hund einem Kind das Leben gerettet hat. Macht diese Nachricht auf lokalen Nachrichtenangeboten oder in sozialen Medien die Runde, werde von der KI-Software eine entsprechende Meldung generiert – und im laufenden Programm als Wortbeitrag gesendet.

Quelle: BigFM

Da dies automatisch passiert, wäre ein KI-Radio skalierbar – also auf jede Region eines Landes und bei Bedarf über die Themen- und Musikauswahl auch für unterschiedliche Hörergruppen anwendbar. Mehr Inhalte, mehr Reichweite, mehr Umsatz über ebenfalls automatisch eingespielte Werbung aus der Region.

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Stellen sich freilich praktische Herausforderungen. Da ist zuerst die Faktenprüfung für alle gesendeten Nachrichten und Informationen. Die Themen, die von den KI-Stimmen vorgestellt werden, sollen sich demnach aus lokalen Nachrichtenangeboten, sozialen Medien oder beispielsweise Polizeimeldungen der Region generieren. „Alles, was die KI senden möchte, wird vorher auch aus ethischen Gründen und unserer journalistischen Selbstverpflichtung von Redakteuren in einem sogenannten 4 Augen-Prinzip geprüft“, verspricht Mike Doetzkies. Zusätzlich wäre zu klären, ob diese Inhalte urheberrechtlich genutzt werden dürfen.

Daneben gilt es ebenfalls, eine technologische Hürde zu überspringen, denn: „Mit Deutsch hat die KI noch Probleme, die Sprache empathisch emotional nachzubilden.“ Im Englischen gelinge das bereits gut, andere Sprachen wie Spanisch seien wegen ihrer größeren Verbreitung auch weiter in der Entwicklung. Ein bis drei Stimmen wolle man auf dem KI-Radio zum Einstieg haben, sagt der Radiomacher. Und formuliert bereits weitere Ziele, so sollten sich Hörer auch in Echtzeit mit der KI unterhalten können, wie bei einem Telefonanruf im Studio. Doch auch hier stellen sich rechtliche wie technologische Fragen – die auch Futuri Media noch nicht erschöpfend beantwortet hat.

Mike Doetzkies ist Programmleiter von Radio Regenbogen 2
Mike Doetzkies ist Programmleiter von Radio Regenbogen 2
Quelle: ©Marc Schiele

Nun ließe sich „Radio GPT“, das den Mannheimern viel Aufmerksamkeit eingebracht hat, als PR-Nummer abtun. Die Crew der Audiotainment Südwest mit ihren Geschäftsführern Valerie Weber, Kai Fischer und Tobias Heger gehört zu den eher lauteren, dabei aber dynamischen Radiomachern der Republik. Die eine Chance erkennen, wenn sie sich bietet. Was die Firma in die KI-Revolution investiert, kann Mike Doetzkies nicht sagen, das Team bestehe aber aus sieben Mitarbeitern und die Lizenz für die Software, die auf GPT-4 basiert, muss auch bezahlt werden.

Selbst wenn sich am Ende herausstellt, dass das Interesse an künstlichen Stimmen noch nicht so ausgeprägt ist – es werden sich mit der KI sowohl neue Geschäfte wie Einsparpotenziale ergeben. Mike Doetzkies verspricht: „Alles, was wir Radiomacher gelernt haben, stellen wir für dieses neue Projekt auch in Frage.“ Was kein verkehrter Ansatz sein kann, um als Unternehmen eine Zukunft zu haben.

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