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  3. „Der Leopard“ von di Lampedusa: Die Weltformel des Konservatismus

Kultur Weltformel des Konservatismus

„Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, muss sich alles ändern“

Literarischer Korrespondent
Untergehende Adelswelt: Burt Lancaster als Fürst in Viscontis Verfilmung von „Der Leopard“ (1963) Untergehende Adelswelt: Burt Lancaster als Fürst in Viscontis Verfilmung von „Der Leopard“ (1963)
Untergehende Adelswelt: Burt Lancaster in „Der Leopard“
Quelle: picture alliance/United Archives
Ein berühmter Satz aus dem Roman „Der Leopard“ scheint die rettende Losung für eine sich rasant wandelnde Welt zu sein. Doch bei der Wiederlektüre erscheint der Satz immer rätselhafter. Was bedeutet er wirklich?

Der berühmte Satz, vielleicht der bekannteste der italienischen Literatur des 20. Jahrhunderts, fällt ziemlich früh. Der junge Draufgänger Tancredi sagt ihn seinem „Zione“, dem „großen Onkel“ Fabrizio zum Abschied, als er sich aus der Heimat Palermo aufmacht, um an der Seite Garibaldis für die Sache der italienischen Nationalisten in den revolutionären Kampf zu ziehen: „Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, muss sich alles ändern.“

Dieser Schlüsselsatz aus Guiseppe Tomasi di Lampedusas 1958 erschienenem Roman „Der Leopard“ ist längst zur Losung aller vermeintlich wahren Konservativen geworden (die man gern die „Wertkonservativen“ nennt), weil man seinen Kern so versteht: Es geht darum, das Wertvolle und Wesentliche zu bewahren, indem Unwesentliches, Äußerliches, „nur“ Symbolisches preisgegeben wird.

Widerstand gegen die Geschichte

Tancredi setzt sich sogar an die Spitze der Bewegung von 1860/61, die die jahrhundertealte Feudalordnung in einem modernen italienischen Einheitsstaat unter der Führung des Hauses Savoyen überwinden will. Auch der Fürst Fabrizio, Herr des ehrwürdigen, kirchentreuen Geschlechts Salina mit dem Leoparden im Wappen, soll seinen Widerstand gegen den Lauf der Geschichte aufgeben.

Aber was genau ist das Wesentliche? Jenes „alles“, das auch Tancredi erhalten will durch Veränderung von – ebenfalls – „allem“? Kann es das Ganze etwa zweimal geben? Und wo genau verläuft die Grenze zwischen dem Bewahrenswerten und dem als Ballast Abzuwerfenden? Eben das ist die Frage, die jener scheinbar entschiedene, aber im Grunde ganz rätselhafte Satz erst aufwirft und die jeden Konservativen bis hin zu potenziellen Kanzlerkandidaten der CDU/CSU beschäftigen dürfte.

Der geistreiche Tancredi meint es in jenem historischen Moment von 1860 wohl so, dass er durch sein Mitwirken die Monarchie als Staatsform retten und eine Republik verhindern will (tatsächlich wurde diese erst 1946 per Volksabstimmung eingeführt). Der Intellektuelle Salina, als adeliger Kauz für seine Passion für die Astronomie bekannt, versteht es anders, gleichzeitig lebenserfahrener-handfester und abgehoben-philosophischer.

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Indem er Tancredi unstandesgemäß mit der Tochter eines reichen Emporkömmlings verheiratet, sichert er den ökonomischen Status seines Hauses auch im neuen Zeitalter. Andererseits hat sich der „Leopard“ schon in tiefer Melancholie damit abgefunden, dass seine Welt untergeht. Was für ihn zählt, sind die ewigen, letzten Wahrheiten, der Himmel der Ideen, der sich über dem irdischen Chaos der Geschichte erhebt.

Guiseppe Tomasi, Herzog von Palma und Fürst von Lampedusa, selbst der späte Abkömmling eines großen sizilianischen Adelshauses, vollendete seinen einzigen Roman kurz vor seinem Tod 1957. Seinen Welterfolg (auch die Verfilmung von Visconti) erlebte er nicht mehr. 2019 erschien „Der Leopard“ bei Piper in neuer Übersetzung von Burkhart Kroeber.

Der Roman bietet gerade kein Patentrezept für Konservative; er demonstriert grandios und hochironisch das Scheitern allen eitlen, menschlichen Strebens. In Sizilien, so der Fürst, verändere sich ohnehin niemals etwas: „Schlaf ist das, was die Sizilianer wollen, und sie werden jeden hassen, der sie aufwecken will.“

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