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  3. Johann Georg Pisendel: Wie er den Beruf des Dirigenten erfand

Kultur Barocklegende

Der Mann, ohne den Cate Blanchett nie dirigiert hätte

Redakteur Feuilleton
Virtuose, Komponist, Erzieher: Johann Georg Pisendel (1687 bis 1755) Virtuose, Komponist, Erzieher: Johann Georg Pisendel (1687 bis 1755)
Virtuose, Komponist, Erzieher: Johann Georg Pisendel
Quelle: picture alliance / akg-images
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Cate Blanchett spielt im Zukunftsfilm „Tár“ die Chefdirigentin der Berliner Philharmoniker. Sie sagt darin auch viel Kluges über das, was man so tut auf dem Pult vor einem Orchester. Den Grundstein für das System hat ein Musiker gelegt, den heute kaum einer mehr kennt.

Es gibt doch ein paar Gründe, um sich „Tár“ anzuschauen. Den Science-Fiction-Film, in dem Cate Blanchett eine Dirigentin spielt, die es an die Spitze der Berliner Philharmoniker gebracht hat, und der für sechs Oscars nominiert war, aber nicht einen bekam.

Eine machtvolle, machtvoll dirigierende Frau ist diese Lydia Tár. Sie lässt sich mit Maestro anreden. So agiert sie auch, auf dem Pult und in ihrem Leben. Sie begreift sich als Krönung einer dreieinhalb Jahrhunderte währenden Tradition von Orchesterregenten.

Sie kann auch – damit geht „Tár“ eigentlich los – prima philosophieren über die Zeit und die Musik und über die Geschichte ihres Jobs reden. Über Jean-Baptiste Lully am Versailler Hof des französischen Sonnenkönigs zum Beispiel, den angeblichen Urahnen aller Dirigenten und Erstverwender eines Dirigentenstabs, der sich allerdings das damals relativ gewaltige Ding derart auf den Fuß stampfte, dass er an der daraus resultierenden Blutvergiftung starb.

Eine alte Geschichte. Immer wieder gern erzählt. Lydia Tár hätte auch von der Stadt erzählen können, in der wesentliche Teile von „Tár“ gedreht wurden. Und von einem der ältesten Orchester der Welt. Und von einem Mann, der für seinen bis heute strahlenden Glanz die Grundlage gelegt hat.

Die Stadt heißt Dresden (dessen Kulturpalast ist im Film die Berliner Philharmonie). Das seit Jahrhunderten glänzende Orchester ist die Staatskapelle (dessen Schwesterorchester, die Dresdner Philharmonie, sind die Berliner Philharmoniker in „Tár“). Der Mann, den heute kaum einer mehr kennt, heißt Johann Georg Pisendel.

Man könnte sagen, Christian Thielemann als Staatskapellendirektor wäre nichts ohne Pisendel. Aber das würde zu weit führen. Und ein bisschen in die Irre.

Concerto Köln spielt Johann Georg Pisendel

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Weil Pisendel in so ziemlich allem den Gegenentwurf zu Thielemann und Tár darstellt, als Kapellmeister, als Orchesterzieher, als Musiker. Aber vielleicht fangen wir mal da an, wo alles begonnen hat. In Cadolzburg.

Das ist ein Marktflecken im Mittelfränkischen. Hübsch sortiert um eine ziemlich schicke Hohenzollernburg. Pisendels Vater war am Hof musikalischer Zeremonienmeister und Kantor, Johann Georg war der einzige der Söhne unter seinen 13 Kindern, der neben drei Schwestern das Kindbett überlebte.

Eine schöne Stimme hatte Johann Georg, klug war er, Tasteninstrumente lernte er schnell. Mit neun wurde er vom Ansbacher Hohenzollernhof abgeworben.

In der Allstarband von Ansbach

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Der Vater hatte das eingefädelt. Man muss sich das Abwerbesystem musikalischer Talente zwischen den Höfen des Barock ungefähr vorstellen wie das junge Fußballer heute.

Zwölf Jahre blieb Johann Georg in der Allstarband des Markgrafen von Ansbach, lernte alles, was man als Orchesterleiter wissen muss, wurde – dank des Unterrichts beim Extremvirtousen Giuseppe Torelli – zum herausragenden Geiger seiner Generation.

Das Glück, immer zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein, zieht sich durch sein Leben. Pisendel wechselt nach Leipzig, eines Jurastudiums wegen, das er am Ende nie beginnt, weil er in Telemanns Collegium Musicum hängen bleibt und sich als famoser Orchestererzieher entpuppt.

Johann Georg Pisendel Solo-Sonate für Violine

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Unterwegs nach Leipzig trifft er in Weimar den beinahe gleich alten Johann Sebastian Bach. Die beiden bleiben ziemlich beste Freunde (dass Bach sechs Solosonaten für Geige schreibt, haben wir wohl Pisendels Solo-Sonate zu verdanken), wie Pisendel und Telemann ziemlich beste Freunde bleiben (dem schreibt Pisendel bis zu seinem Lebensende und schickt ihm seltene Pflanzen).

Die Gabe der Freundschaft beherrscht Pisendel (im Gegensatz zu manch einem Maestro). Und die Gabe des Aufsaugens und Vermischens musikalischer Stile.

Er lernt an den Epizentren barocker Musik, in Versailles, in Darmstadt, wird von seinem neuen Dienstherrn, dem Dresdner Kurfürsten, von dem er sich 1712 hatte verpflichten lassen, nach Italien zur Ausbildung geschickt. Pisendel und Vivaldi werden ziemlich beste Freunde.

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Ein Vielschreiber ist Pisendel nicht. In dem, was er schreibt (die Geigerin Mayumi Hirasaki hat davon mit dem Concerto Köln für Edel eine fabelhaft glücklich machende Auswahl eingespielt), kreuzen sich aber französische Eleganz, italienische Wildheit und deutsches Ebenmaß zum zukunftsweisenden „gemischten Stil“, den Pisendel miterfunden hat. Die eigentliche Bedeutung des Johann Georg Pisendel müsste man allerdings ins immaterielle Unesco-Weltkulturerbe aufnehmen.

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Er sammelte nicht nur Partituren aus der damals bekannten Musikwelt (in seinem legendären Dresdner Schrank II fanden sich fast 2000 sorgfältig für Aufführungen präparierte Werke) und machte sie Kollegen zugänglich. Er professionalisierte das Probenwesen, machte aus einem Hühnerhaufen hochbegabter Einzelspieler ein Orchester, legte den Grundstein fürs Berufsbild des Konzertmeisters.

Und er gründete den Mythos vom deutschen Kapellmeister. Johann Georg Pisendel legte als Konzert- und Kapellmeister die Basis dazu, dass die Dresdner Hofkapelle jene „Wunderharfe“ (Richard Wagner) werden konnte, die sie heute noch ist. Uneitel, zugänglich, menschenfreundlich. Ein Anti-Tár.

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