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Warum 1000 Mitarbeiter der „New York Times“ Transfeindlichkeit vorwerfen

Medienredakteur
Quelle: picture alliance / ZUMAPRESS.com
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Rund 1000 Mitarbeiter der „New York Times“ haben die Zeitung wegen ihrer Berichterstattung über Transgender-Themen kritisiert: Sie verbreite „Lügen“ und „Ungenauigkeiten“. In diesem Konflikt wird auch die Zukunft des Journalismus verhandelt.

Nach einem Eklat um einen Gastbeitrag, der im Sommer 2020 zu internen wie externen Protesten und zum Abtritt ihres Meinungschefs James Bennet führte, muss die „New York Times“ mit einer neuen Welle von Kritik gegen ihre Berichterstattung umgehen. Damals ging es um einen Kommentar des republikanischen Senators Tom Cotton, der den Einsatz von Militär befürwortete, um die innere Sicherheit zu gewährleisten, denn der Mord an George Floyd hatte zu massiven Unruhen in Städten geführt. Jetzt geht es um die Berichterstattung der Zeitung über Transgender-Themen. Diese sei voreingenommen und fördere Vorurteile.

In einem offenen Brief haben laut Berichten etwa 1000 Personen, die schon einmal für die „New York Times“ zum Beispiel als Gastautoren oder freie Mitarbeiter tätig waren, die Zeitung kritisiert. In den vergangenen acht Monaten seien auf der Titelseite Artikel im Umfang von rund 15.000 Wörtern (das wären etwa 2000 Zeilen in der WELT) erschienen, in denen der Frage nachgegangen worden sei, ob die medizinische Versorgung von Transgender-Kindern angemessen sei. Dabei sei der Anteil dieser Kinder sehr gering, die Berichterstattung entsprechend von einer Agenda getrieben.

Der in dem Brief genannte Umfang der Artikel wurde von der Zeitung nicht bestätigt oder dementiert. Laut den Angaben der Initiatoren wurde der Brief zusätzlich von über 20.000 Personen, darunter Abonnenten der Zeitung, unterschrieben.

In den vergangenen Jahren, heißt es in dem Schreiben an Philip B. Corbett, der bei der Zeitung für die Einhaltung ethischer Standards verantwortlich ist, habe die „Times“ das Thema der Geschlechterdiversität „mit einer auf eine unheimliche Art vertrauten Mixtur von Pseudowissenschaft und euphemistisch-aufgeladenen Sprache behandelt“. In Berichten über Transgender-Kinder seien wichtige Informationen über die Quellen der Berichte unterschlagen worden. Einige Artikel der Zeitung seien für „anti-trans“-Kritiken beispielsweise von Politikern der Republikaner benutzt worden.

Dieser Brief wurde durch eine weitere Protestnote ergänzt, die die „unverantwortliche“ Berichterstattung der „New York Times“ angriff. Absender dieses Briefes ist die Lobbygruppe GLAAD, die nach eigenen Angaben weltgrößte Interessenvertretung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, queeren und Trans-Menschen. In diesem Brief ist von „Lügen, Vorurteilen, randständigen Theorien und gefährlichen Ungenauigkeiten“ der „New York Times“ über Trans-Menschen die Rede – und erinnere an voreingenommene Berichte über die Schwulenbewegung seit den 60er-Jahren.

„New York Times“-Chefredakteur Joe Kahn
„New York Times“-Chefredakteur Joe Kahn
Quelle: Bob Daemmrich/Alamy Stock Photo

Ein Sprecher der „New York Times“ hat auf die Anwürfe geantwortet, die Berichterstattung sei „nuanciert und fair“ – und nannte seinerseits Beispiele. Die Mission einer Lobbygruppe wie GLAAD und einer Zeitung wie der „Times“ unterscheide sich allerdings voneinander. Einem Nachrichtenmedium ginge es um unabhängige Berichte zu Themen, „Herausforderungen und Vorurteile“ und die Frage, wie eine Gesellschaft mit Themen wie Transgender umgehe. Davon abgesehen entspreche es nicht den ethischen Regeln für Reporter, sich für Kampagnen zu engagieren: „Wir haben klare Vorschriften, die es Times-Journalisten verbietet, den Journalismus von Kollegen öffentlich anzugreifen oder Zustimmung für Attacken von außen zu signalisieren.“

Die Organisation GLAAD fordert ihrerseits von der „Times“, keine „voreingenommenen anti-trans Beiträge“ mehr zu veröffentlichen, regelmäßig Treffen mit Meinungsführern der Trans-Community abzuhalten und mindestens vier Trans-Menschen in Vollzeit anzustellen.

Ob und in welcher Form die Berichterstattung der Zeitung voreingenommen und tatsächlich fehlerhaft ist, ließe sich nur über eine detaillierte Inhaltsanalyse herausfinden. Es gäbe durchaus „faire“ Artikel zu dem Thema in der „Times“, heißt es im Brief der freien Mitarbeiter.

Offen zutage tritt hier aber – wie bereits im Fall Bennet – der Wunsch und Wille von Autoren wie von Lobbygruppen, stärker Einfluss auf die inhaltliche Ausrichtung und Positionierung von Medien zu nehmen. In einem Kommentar des britischen „Guardian“ wurde argumentiert, die „Times“ ignoriere, dass es keine klare Trennung zwischen der Vertretung von Interessen („advocacy“) und Journalismus gebe. Im englischen Original heißt es in dem „Guardian“-Kommentar vermutlich bewusst „advocacy“ und nicht „activism“.

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In dieser Behauptung steckt der Kern eines Konflikts im Journalismus, der in Zukunft eher noch an Bedeutung gewinnen wird. An der Oberfläche geht es um die Frage, wie ausgewogen und objektiv Journalismus sein kann und muss. Während die „klassische“ Schule auf größtmögliche Objektivität beharrt, folgen Objektivitäts-Skeptiker einer Art publizistischer Gesinnungsethik. Unter der Oberfläche aber geht es um die Frage, welche externen und internen Prozesse und Motive die Berichterstattung eines Mediums beeinflussen – und wofür Journalismus überhaupt gut ist.

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Die „Medien-Woche“ ist ein Podcast über die Welt der Medien und ihre Macher. Christian Meier, Redakteur bei WELT, und Stefan Winterbauer, Chefredakteur des Branchendienstes Meedia, unterhalten sich immer freitags über die wichtigsten Themen der Woche. Hintergründig, analytisch, unterhaltsam.

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