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Kunst Berliner Galeristen

„Laufkundschaft spielt gar keine Rolle“

Stellv. Ressortleiterin Feuilleton
Berliner Galerist Alexander Levy Berliner Galerist Alexander Levy
Berliner Galerist Alexander Levy
Quelle: Gordon Welters
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Alexander Levy zieht mit seiner Galerie um von Kreuzberg nach Moabit. Was nach nicht viel klingt, kann in der Kunst alles bedeuten. Eine Begegnung mit einem Galeristen, der einen ganz eigenen politischen Stil und damit Berlin prägt

Alexander Levy fehlte in Venedig. Während sich Künstler, Sammler, Museumsleute endlich wieder trafen – zur Eröffnung der Biennale in den Giardini und Arsenale –, klopfte der Berliner Galerist noch Putz von kahlen Wänden. Denn jetzt soll hier im Stadtteil Moabit die Eröffnung seiner neuen Galerie gefeiert werden. Zum Gallery Weekend Berlin werden auch einige internationale Besucher aus Venedig in der deutschen Hauptstadt erwartet.

Zum 18. Mal lädt ein ausgewählter Kern von Galerien, in diesem Jahr sind es 52, zum Kunstwochenende nach „Mitte, Schöneberg, Kreuzberg und Charlottenburg“. Moabit sucht man jedoch in der Ankündigung vergeblich. Schaut man auf die Karte des Gallery Weekend, steht die Galerie Alexander Levy aber nur noch leicht im Abseits. Der Hauptbahnhof ist fünf Minuten entfernt, Charlottenburg mit der U-Bahn keine zehn.

Andere trauen sich noch weiter raus, wie die Galerie Ebensperger mit ihren Räumen im Krematorium Wedding, einem der wichtigen Kunsttreffpunkte in der Stadt unweit des Savvy, das sich selbstbewusst „The Laboratory of Form-Ideas“ nennt und vom designierten Direktor des Hauses der Kulturen der Welt, Bonaventure Soh Bejeng Ndikung, gegründet wurde. Und natürlich Mehdi Chouakri, seit 1996 in Berlin, der in den Wilhelmhallen im Norden von Reinickendorf seine 1000-Quadratmeter eröffnen wird.

Neue Orte: Gallery Weekend Berlin

In Moabit zwischen Tiergarten, Charlottenburg und dem Wedding residiert Alexander Levy exakt auf der Grenze zwischen „vertraut und neu“, wie er selbst sagt. Doch mit den Immobilienpreisen wandern auch die Galeristen weiter. In Kreuzberg, wo er zehn Jahre in der Rudi-Dutschke-Straße 26 seine Galerie führte, beginnen die Preise mittlerweile bei 25 Euro pro Quadratmeter.

Levy hat in Moabit die alten Räume von Gregor Podnar übernommen und noch mal erheblich ausgebaut und renoviert. Podnar ist zurück nach Wien – und hinterließ eine Botschaft: Er habe nicht einen einzigen Sammler in der Stadt gefunden. Es ist das, was man in den vergangenen zehn Jahren so oft von Galeristen hörte, die mit viel Hoffnung kamen und frustriert die Segel strichen. Levy kann das nicht nachvollziehen. Aber er sieht auch die Gefahr, in der Berlin schwebt. Von den Politikern höre man zu oft, Berlin werde wie Paris und London.

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Vor seinem Galeriefenster beginnt der Kleine Tiergarten, in dem der Georgier Selimchan Changoschwili 2019 auf offener Straße erschossen wurde. Ein Mord, den man heute Wladimir Putin anlastet. Auf der anderen Seite des Parks liegt das Lageso, vor dem 2015 die Geflüchteten in den Warteschlangen fast erfroren, weil die Politik versagte.

Mit Levys Galerie aber beginnt das gesettelte Moabit, das schon an Charlottenburg erinnert; wenige Schritte und man flaniert an einem herausgeputzten Spreeufer. Hier wohnen einige seiner besten Kunden. Doch welche Rolle spielt die „Laufkundschaft“ überhaupt? Alexander Levy lächelt. „Gar keine“, auch nicht in der Dutschke-Straße. „Ich habe vielleicht einmal in meiner Zeit als Galerist ein Werk spontan verkauft.“

Lydia Ahrens und Alexander Levy führen die Galerie in Berlin
Lydia Ahrens und Alexander Levy führen die Galerie in Berlin
Quelle: Gordon Welters

Die Räume der Galerie seien dafür da, die Künstler in Ausstellungen zu zeigen – das Verkaufen finde auf einer anderen kommunikativen Ebene statt. Zehn Jahre gehörte Levy nun zur Rudi-Dutschke-Straße, jener Zeile, in der damals viele Zugezogene strandeten, wie Michael Janssen und Rafael Jablonka aus Köln, wo jetzt Galerien wie Nordenhake und KOW um die Ecke zu finden sind. Zugezogen ist damals auch Levy. Er folgte seinem Vater.

Alexander Levy kommt aus einer Kunstfamilie. Sein Vater Thomas Levy ist seit mehr als 50 Jahren Kunsthändler in Hamburg; 2019 hat er allerdings seine große Galerie aufgegeben und veranstaltet nun Salons im Wohnzimmerstil. So wuchs auch Alexander Levy auf, mit Eat-Art von Daniel Spoerri, einem engen Freund der Familie.

Kunsthändlerfamilie Levy

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Die Biografie von Thomas Levy ähnelt so vielen aus dieser Generation: Die Begegnung mit Künstlern veränderte oft das Leben. Thomas Levy war mit 18 Jahren an der Börse tätig, als er in Paris Man Ray, Sonia Delaunay, Paul Celan und Meret Oppenheim kennenlernte. Oppenheims Nachlass betreut er bis heute.

Der Sohn Alexander Levy wollte eigentlich etwas anderes machen, in die Musik einsteigen, aber doch auch weiterführen, was er an der Arbeit des Vaters mochte: gemeinsam mit den Künstlern Projekte entwickeln, sie fördern, weiterbringen. Er habe Medienmanagment studiert und alles gelernt, was man als Galerist brauche: „BWL, Finance, Presse und Vertrieb.“ Doch das Musikgeschäft sei viel unflexibler gewesen als die Kunst.

Als der Vater die Räume in Berlin eröffnet hatte und ein Mitarbeiter zurückzog – griff Alexander Levy zu und gestaltete ab 2011 das Programm nach seinen Vorstellungen um. Es wurde seine eigene Galerie, die er heute gemeinsam mit seiner Freundin Lydia Ahrens führt. Nun aber wird es eine Réunion geben – auch der Vater zieht in die Moabiter Räume ein. Allerdings: Die Galerie des Vaters hat einen eigenen Eingang. Vermischt wird nichts, noch nicht. Aber Alexander Levy ist klar, die Familiengalerie im Hintergrund entspannt auch sein Geschäft. Der Sekundärmarkt interessiert ihn nicht.

Wie aber passt das zusammen, Meret Oppenheim, Man Ray, Daniel Spoerri und, nehmen wir, Julius von Bismarck? „Pelztasse“ und „Fulgurator“? Alexander Levys Künstler kann man am besten anhand seines bekanntesten Künstlers beschreiben, den er gefördert und unterstützt hat: den Berliner Künstler Julius von Bismarck.

Sein Werk ist eine Mischung aus hochpolitischer Technikaffinität und wahnwitzigem Erfindergeist, hyperperfektionister Ästhetik und manischer Inszenierungswut. Dafür wird kein Aufwand gescheut, wenn er Waldbrände mit einer Zeitlupenkamera filmt oder Blitze einfängt.

Mit Bismarck verdient die Galerie ihr bestes Geld. Und doch steht der Künstler inhaltlich für einige Künstler des Programms, weil er für jedes neue Projekt große Investitionen braucht: Technik kostet eben. Da ist auch Nik Nowak, der mit seinen unfassbar präzisen Sound-Installationen durch die Institutionen wandert – und zeigt, wie man politisch hochbrisante Themen vollkommen überraschend ästhetisieren und messerscharf wirken lassen kann.

Nowak hat anlässlich seiner Ausstellung zum Lautsprecherkrieg zwischen Ost- und West-Berlin im Berliner Kindl gesagt: „Das ist keine Konzeptkunst, sondern es ist eine physische Arbeit mit dem Material.“ Ein Satz, der auf viele Künstler der Galerie passt.

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Ist aber an der Kunst der Galerie irgendetwas surreal? Der Surrealismus ist zurzeit en vogue, auch in der Hauptausstellung auf der Biennale, „The Milk of Dreams“. Überprüfen kann man das zum Gallery Weekend Berlin, wenn Thomas und Alexander Levy Meret Oppenheim, Man Ray und Egor Kraft (geboren 1986 in Sankt Petersburg) zeigen.

Für den russischen Künstler, der selbst zwar in Wien lebt, aber seinen Bruder an der Front der Russen weiß und seine Freundin nur mit dem letzten Flug nach Österreich herausholen konnte, war sofort nach Kriegsbeginn klar, dass er die ursprünglich geplante Ausstellung nicht würde durchziehen können – und wollen.

Kraft, zu dessen Werk ebenfalls intensive Auseinandersetzung mit neusten Techniken gehört, hat für seine Ausstellung „Lies, Half Truths & Propaganda (The Bad, the Worse and the Worst)“ Prototypen für fälschungssichere Fotografien entwickelt, die in einer Blogchain-Struktur gespeichert werden. Mit diesem Programm wird Alexander Levy zum Gallery Weekend ganz sicher nicht an der Peripherie liegen, sondern die wichtigen und großen Fragen unserer Zeit ansprechen – und dieses Kunstwochenendes.

Gallery Weekend Berlin, vom 29. April bis zum 1. Mai 2022 in 52 Galerien der Stadt

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