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Man kann auch mit Zaudern einen Krieg gewinnen

Feuilletonredakteur
Augustin Chéron (1760-1811) spielte Fabius auf der Bühne Augustin Chéron (1760-1811) spielte Fabius auf der Bühne
Augustin Chéron (1760-1811) spielte Fabius auf der Bühne
Quelle: pa/Heritage Images/Jean Simon Berthelemy
In der größten militärischen Krise, die Rom jemals durchstehen musste, rettete ein Politiker und General die Nation. Nicht durch Forschheit, sondern durch wohlüberlegtes Zaudern. Seine Landsleute feierten ihn dafür. Kann Fabius, genannt „Cunctator“ ein Vorbild für Olaf Scholz sein?

Die schönen deutschen Wörter zaudern und zögern las man in dieser Woche oft. Meist in der großgeschriebenen Form eines substantivierten Verbs. Immer ging es darum, das Verhalten von Bundeskanzler Olaf Scholz in der Panzerfrage zu bewerten. Der MDR kommentierte etwa: „Scholz’ Zögern hat seinen Preis.“ Die „Wirtschaftswoche“ meinte: „Mit seinem Zaudern hat Scholz Deutschlands Rolle in der EU geschwächt.“

Wenn irgendwann einmal die Geschichte des Ukraine-Krieges geschrieben wird, geht Scholz möglicherweise mit dem Beinamen „der Zauderer“ in ihre Seiten ein. Und es wird wohl eher nicht rühmend gemeint sein. Ganz anders als bei Quintus Fabius Maximus Verrucosus. Dessen Name ist zwar so lang wie der einer typischen Doppelnamen-SPD-Frau aus der Provinz, er war aber ein alter weißer Römer, der vor rund 2300 Jahren lebte. Die Nachwelt ehrte ihn als den „Cunctator“, was man mit „Zauderer“ oder „Zögerer“ übersetzen kann.

Diesen posthumen Ruhm verdiente sich Fabius Maximus, Spross des alten Patriziergeschlechts der Fabier, mit seiner Strategie im für Rom lebensbedrohlichen Zweiten Punischen Krieg gegen Karthago und dessen genialen Feldherrn Hannibal. Anders als seine Mit-Diktatoren und Konsulatskollegen, die sich und Zehntausende Legionäre in den Schlachten von Cannae und am Trasimenischen See abschlachten ließen, wich Fabius den Puniern lieber aus, attackierte höchstens kleine Kontingente, die auf der Suche nach Proviant und Pferdefutter waren, und verließ sich darauf, dass eine riesige Truppe in einem feindlichen Land weit von zu Hause langsam, aber sicher durch Desertionen, Krankheiten, und Nachschubmangel geschwächt würde.

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Als die frustrierten Karthager sich immer weiter nach Süditalien zurückzogen und schließlich übers Mittelmeer zurück nach Nordafrika verschwunden waren, ging Rom zum Angriff über, und es endete mit einer totalen Niederlage der Punier. Für die Offensive waren dann andere zuständig, vor allem Publius Cornelius Scipio. Fabius selbst konnte nur einen größeren Angriffserfolg verbuchen: die Einnahme von Tarent, der letzten mit Hannibal verbündeten Stadt auf der italienischen Halbinsel.

Es lebe der „Fabianismus“

Das Leben und Wirken des zaudernden Fabius ist bei den Geschichtsschreibern Livius und Plutarch überliefert. Der Dichter Ennius pries ihn: „Ein Mann hat uns durch sein Zögern den Staat wiederhergestellt.“ Die zuverlässigste Quelle ist jedoch Polybios, der relativ kurz nach dem Krieg, ein knappes Jahrhundert später, seine Universalgeschichte Roms schrieb. Er hatte Quellen, die anderen nicht mehr zur Verfügung standen. Und alle späteren Fabius-Feierer schrieben bei ihm ab.

Zu denen gehört neben Machiavelli und Molière auch die 1884 in England gegründete „Fabian Society“, deren „Fabianismus“ darin bestand, dass sie den Sozialismus eher durch Reformen als durch Revolution durchsetzen wollte. Sie prägte die britische Labour Party und auch Teile der sozialdemokratischen Parteien Europas um 1900. Inwieweit das Zaudern des SPD-Mannes Scholz davon inspiriert ist, ist rein spekulativ.

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