Hans-Peter Hallwachs war das, wovon gern behauptet wird, dass es dies nur in amerikanischen Filmen gebe: ein Charakterkopf, sofort erkennbar, hager, sehnig; auf den Autogrammkarten, die er verteilte, stand er im offenen weißen Sakko, der oberste Knopf des schwarzen Hemdes offen, Hände in den Taschen vergraben, nur der Anflug eines Lächelns auf den geschlossenen Lippen.
Und wer ihn am Aussehen nicht erkannt hatte, erkannte ihn sofort an der Stimme; immer leicht angeraut, lakonisch, spröde, distanziert. Als der Südwestfunk in den Achtzigern die Raymond-Chandler-Krimis in kongeniale Hörspiele goss, war Hallwachs vom ersten gesprochenen Satz an die bestmögliche Stimme für diese abgebrühten, weltmüden Privatdetektive, die „die Chose nur hinter sich bringen, weil sie wissen, dass sie sie bald aufs Neue hinter sich bringen werden müssen“ – um einen Satz aus Edward Boyds Hörspiel „Schwarz wird stets gemalt der Teufel“ zu zitieren, in dem Hallwachs eine Art Philip Marlowe, Glasgower Variante, spricht.
So wie die Deutschen mit dem Krimi verheiratet sind, war auch Hans-Peter Hallwachs unseparierbar mit dem Krimi verbunden, meist als Kommissar oder Vorgesetzter, manchmal auch als Verdächtiger. 19-mal „Mord mit Aussicht“, 16-mal „Tatort“ (auch im allerersten war er dabei, als Stasi-Mann), 15-mal „Der Mann ohne Schatten“, 14-mal „Ihr Auftrag, Pater Castell“, 13-mal „Der Alte“, außerdem „Letzte Spur Berlin“, „Großstadtrevier“, die Kluftingers, die Donna-Leons, die SOKOs, „Siska“, „Derrick“, „Wolffs Revier“ – wahrscheinlich wird man bei genauerer Prüfung feststellen, dass es keine deutsche Krimiserie gibt, in der er nicht mindestens einmal aufgetreten ist.
Seine Filmografie umfasst über 200 Titel, wenn man jede einzelne Folge zählt, sind es mehr als 300; eine – unvollständige – Hörspielliste kommt auf gut 150 Produktionen. Das sind dann natürlich häufig nur minutenkurze Auftritte, aber er ist immer unverkennbar hallwachsisch: „Für uns spielte er immer Hauptrollen“ heißt es in der Stellungnahme der Familie, die jetzt erst seinen Tod am 16. Dezember bekanntgab.
Theater hat er nur wenig gespielt. Das hatte mit seinem Ausgebuchtsein für Film, Fernsehen und Hörspiele zu sein, aber auch mit dem Regietheater, dem er gar nichts abgewinnen konnte. In einem seiner seltenen Interviews im Berliner „Tip“ erzählte er von einem Regisseur am Berliner Schiller-Theater: „Beim ,Clavigo’ zum Beispiel, da kam irgendein Mensch, der das Stück, wie ich bei den Proben merkte, nicht einmal gelesen hatte. Wo da wörtlich drinsteht, dass da auch ein Arzt auftritt, das hatte er überlesen. Ich meine, das muss man sich mal vorstellen. Er hat dann dauernd irgendeinen Krampf gemacht und war wahnsinnig böse. Das eskalierte sogar darin, dass er sagte, wenn wir das so machten, wie ich es vorschlage, wo bliebe er dann. Dann würde man seine Regie gar nicht mehr erkennen.“
Auch die „Wallenstein“-Inszenierung kam nicht besser weg: „Alle Kollegen waren gegen diese fürchterliche Arbeit, aber man hätte nicht drei zusammengekriegt, die aufgestanden wären. Ich übrigens auch nicht, und das werfe ich mir heute auch sehr vor. Ich hätte nicht auf drei warten müssen, ich hätte allein dagegen opponieren müssen.“
Vielleicht hatte seine Allgegenwart auf Bildschirm und Leinwand auch mit seiner Theater-Resignation zu tun. Nicht, dass es im Film immer besser gewesen wäre. Hallwachs scheute sich auch dort nicht, Tacheles zu reden. „Das war erschütternd“, beschrieb er seine Erfahrung bei „Fabian“, dem Film, der ihn berühmt machte. „Und hatte was mit dem Dilettantismus des Regisseurs Wolf Gremm zu tun.“
Für Hans-Christoph Blumenberg, den Regisseur von „Der Sommer des Samurai“ hegte er eine gewisse Hochachtung: „Das war der Erste, den ich kenne, der sagt: ,Du ich weiß gar nicht, wie das ist mit Schauspielern’.“ Und: „Blumenberg hat Talent, das Gefühl für Schauspielerqualitäten, und ihm fiel kein Stein aus der Krone, sich meine Vorschläge anzuhören.“ Das größte Lob erhielt damals ein Filmhochschulabsolvent, mit dem Hallwachs ein „Kleines Fernsehspiel“ gedreht hatte: „Ein Film, der eine reine Freude war.“ Der Name des Talents: Oliver Hirschbiegel (der später den „Untergang“ drehte).
Bei Hallwachs’ Omni-Gastauftrittspräsenz wird gern vergessen: Er hat auch Hauptrollen gespielt, und gar nicht wenige. Die bekannteste ist die des Moralisten „Fabian“ in der ersten Verfilmung von Kästners Großstadtroman (1980). Gleich in seinem ersten Film – Schlöndorffs „Mord und Totschlag“ (1967) – war er der Liebhaber der Rolling-Stones-Muse Anita Pallenberg, der ihr hilft, eine Leiche zu beseitigen. Und in dem französischen Biopic „Schliemann – Die Leidenschaft seines Lebens“ (2002) spielte er die Titelrolle. Überhaupt, die Reihe der von ihm verkörperten historischen Figuren ist erlaucht: Ferdinand Lassalle, Willy Brandt, Ferdinand Sauerbruch, Günter von Drenkmann (eines der ersten RAF-Opfer).
Ein paar Mal hat sich diese Verkörperung des kühlen Machtmenschen und unnahbaren Einzelgängers, der sich zur Konzentration gern in japanischem Bogenschießen übte (wer in Deutschland hätte besser die Doppelrolle des Schwertkämpfers und Geschäftsmanns in „Der Sommer des Samurai“ gespielt) auch Komödie gestattet. Ja, dieser Konsul Kanon in Bully Herbigs „(T)Raumschiff Surprise – Periode 1“ ist wirklich Hans-Peter Hallwachs. Jetzt ist er im Alter von 84 Jahren in Berlin gestorben.