Vor fünf Jahren wurde Chris Dercon als eine Art Königsmörder vom damaligen Kulturstaatssekretär Tim Renner von der Tate Modern in London abgeworben und an die Volksbühne nach Berlin geschickt. Der Auftrag: die verschworene Truppe aufbrechen. Doch der Kulturmanager lief stattdessen ins offene Messer und wurde nach zähem Kampf als kapitalistischer Verräter verjagt – nach Paris.
Wo er tatsächlich zum Turbokapitalisten wurde: Er vermittelte zwischen Macron und den saudischen Prinzen im Fall des 450-Millionen-Dollar-Bilds „Salvator Mundi“, rühmte sich für die gigantomanische Blue-Chip-Show für Anselm Kiefer, um schließlich die Vergabe der Pariser Kunstmesse an die Art Basel zu lancieren, die an diesem Wochenende als Paris+ zum ersten Mal stattfindet – und das Ende der traditionsreichen Fiac bedeutet. Das Urteil der Franzosen: Königinnenmord.
Dercon ist in Paris allerdings nur ein gut geöltes Rädchen im Getriebe, das benutzt wird, um den Einfluss der Privatsammlungen auszuweiten, wie Louis Vuitton im Bois de Boulogne oder Pinault in der Bourse de Commerce. Auch Emma Lavigne hat gerade ihren Posten als Präsidentin des Palais de Tokyo aufgegeben, um Generaldirektorin der Pinault Collection zu werden. Vom Palais zu Pinault ist es nur unwesentlich weniger weit als von der Volksbühne zur Fondation Cartier.
Denn dort hat nun Chris Dercon angeheuert: in der Welt des Kultursponsorings durch Luxusmarken, die natürlich auch prominent auf der Art Basel vertreten ist. Wie die Museen dieser Milliardärskonkurrenz etwas entgegensetzen wollen, ist fraglich, besonders wenn sie sich weiter so anstellen wie der Louvre: Zur Paris+ ist dem Museum nicht mehr eingefallen als eine Ausstellung zur „Geschichte des Stilllebens“.