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Eine Gala zwischen Feier und Krisen

Filmredakteur
Deutscher Filmpreis 2022 Deutscher Filmpreis 2022
Beim Deutschen Filmpreis wurde auch Wladimir Klitschko zugeschaltet
Quelle: dpa/Britta Pedersen
Beim Deutschen Filmpreis räumt der Favorit „Lieber Thomas“ neun Lolas ab. Der Abend steht im Zeichen des europäischen Krieges in der Ukraine - und der Frage, ob in solchen Zeiten in Frack und Abendkleid gefeiert werden soll und darf.

Im Vorfeld des 72. Deutschen Filmpreises war eigentlich ziemlich klar, wie es ausgehen würde. Und so kam es auch. Der große Favorit „Lieber Thomas“ gewann neun Lolas, inklusive die für den Besten Film, Regie (Andreas Kleinert), Drehbuch (Thomas Wendrich) und den Hauptdarsteller (Albrecht Schuch). Der zweite Sieger war „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“: Ausgezeichnet wurden hier die Hauptdarstellerin (Meltem Kaptan) und der Nebendarsteller (Alexander Scheer), außerdem gab es eine silberne Lola. Zwei Lolas gingen an „Große Freiheit“ – die bronzene und für die Maske.

Wäre das am Freitagabend im Palais unter dem Berliner Funkturm alles gewesen, man könnte das Schaulaufen der deutschen Filmbranche abhaken; einer der besseren Kinojahrgänge, aber noch pandemiegeschädigt. Doch es war auch eine Lola in Zeiten des europäischen Krieges in der Ukraine. Ob in solchen Zeiten in Frack und Abendkleid gefeiert werden soll und darf, hat die Veranstaltung durchaus ernsthaft beschäftigt.

Die Akademie wies auf ein von ihr aufgelegtes Stipendienprogramm für ukrainische Filmemacher hin. Die Feier holte sich quasi eine Absolution des (in dem Fall echten) Wladimir Klitschko, der per Handyvideo zum Feiern ermutigte und die Dokumentarfilmkategorie mit den Worten ankündigte, deren Regisseure seien „Soldaten der Wahrheit“; es war die eine Formulierung an diesem Abend, welche die Kriegsrealität am direktesten in das Palais holte.

Die Gala balancierte drei Stunden lang zwischen Feier und Krise

Dem folgte eine Liveschaltung nach Kiew zu zwei jungen Dokumentarfilmerinnen, eine von ihnen war mit ihrer Kamera gestern noch an der Front. Claudia Roth, die neue Kulturstaatsministerin, berichtete von ihrer Reise nach Odessa, wo sie auch die stillstehenden Filmstudios besuchte; als Filmförderin hat sie seit Freitagabend einen neuen Spitznamen weg, „Miss Moneypenny“. Der Kinderfilm „Peterchens Mondfahrt“ war im Übrigen der letzte deutsche Film in den ukrainischen Kinos, bevor diese schließen mussten.

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So balancierte die Gala drei Stunden lang zwischen Feier und Krise. Oder genauer: Zwischen Feier und Krisen – Plural. Es gibt ja auch noch die Krise der Ausgehkultur nach der Pandemie. Die „Magischen Tiere“ hatten als erfolgreichster deutscher Film 1,7 Millionen Besucher, gefolgt von „Wunderschön“ mit 1,4; früher wären sie mit solchen Zuschauerzahlen nicht mal in die Nähe der Spitzenfilme gekommen.

„Das Kino ist ein fragiler Ort geworden“, sagte Janine Jackowski, deren Firma „Komplizen-Film“ mit dem Bernd-Eichinger-Spezialpreis ausgezeichnet wurde, völlig zurecht, weil seit zehn Jahren kaum ein Produktionshaus so mutig mit seinen Filmen ist, von „Toni Erdmann“ über „A.E.I.O.U.“ bis „Corsage“. Es war auch ein Selbstermutigungsabend für die Branche, die sich aber darüber im Klaren ist, dass es eines Kampfes bedarf, die Zuschauer vom Streaming-Sofa zurückzuholen.

Den schönsten Auftritt hatte Ulrich Tukur

Der Abend wurde von dem Regisseur Ed Herzog in Szene gesetzt, der sich mit einer der erfolgreichsten Serien in die deutsche Kinogeschichte eingeschrieben hat, mit den inzwischen sieben Eberharter-Krimis. Das sind bekanntlich etwas gröber gestrickte Teile, doch der Filmpreisabend lavierte sich mit großem Takt durch die schwierigen Zeiten.

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Den schönsten Auftritt hatte Ulrich Tukur, der mit seinem Akkordeon Minne-Ständchen auf die Nebendarstellerinnen-Nominierten sang. Die Moderatorin Katrin Bauerfeind, die sich als „Barbara Schöneberger light“ einführte, führte mit einer angenehmen Portion Chuzpe durch den Abend, der im Übrigen komplett durchgegendert war. Da gab es kein Pardon, darüber gab es keine Scherze auf der Bühne, sehr wohl allerdings über die durchvegetarisierten Häppchen, die serviert wurden.

Wider den Stachel des öffentlichen Konsenses wurde in einigen der Dankesreden gelöckt. So begann Andreas Kleinert, mit seiner Thomas-Brasch-Biografie der große Gewinner des Abends, mit der Feststellung, jetzt müsse er im Sinne Braschs eigentlich mit einer kapitalismuskritischen Rede anheben. Die sparte er sich, um - sicher auch im Sinne Braschs – Kritik daran zu üben, dass Rüstungskonzerne zu den Profiteuren der Ukraine-Krise gemacht würden: „In einer freien Gesellschaft müssen auch Pazifisten Pazifisten sein dürfen.“

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