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  4. Baz Luhrmanns Film über Elvis Presley: Ich musste fast die ganze Zeit weinen

Film Baz-Luhrmann-Film

Bei „Elvis“ gewesen. Geweint

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Austin Butler ist Baz Luhrmanns "Elvis" Austin Butler ist Baz Luhrmanns "Elvis"
Austin Butler ist Baz Luhrmanns "Elvis"
Quelle: Warner Bros.
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Die Geschichte des Elvis Presley ist die Geschichte der Geburt jenes Amerikas, gegen das Donald Trump Krieg führt. Baz Luhrmann hat sie jetzt verfilmt. Tom Hanks ist dabei als Manager des „King“ ein grandioser Bösewicht. Die Tränen kommen einem auch wegen einer eklatanten Fehlbesetzung.

Baz Luhrmanns Elvis-Biopic dauert 159 Minuten. Und ich musste fast die ganze Zeit weinen. Allerdings habe ich auch bei Luhrmanns „Romeo + Julia“ mehr oder weniger durchgeweint: 113 Minuten. Das sind eine Menge Tränen.

Bei beiden Filmen geht es um eine unmögliche Liebe, die nur tragisch enden kann. William Shakespeares „star-cross‘d lovers“ scheitern am Hass der Alten. Der Star Elvis Presley scheitert an der Liebe selbst. Er braucht die Scheinliebe des Publikums, ihr opfert er alles – am Ende sich selbst.

Und wie sagt Shakespeare – übersetzt von Thomas Brasch – in der Vorrede zu „Romeo und Julia“: „Wenn ihr zwei Stunden zuseht unserm Spiel, / kann sein: Dann wisst ihr mehr, kann sein: Nicht viel.“

Luhrmann erzählt uns nichts, was wir nicht seit Albert Goldmanns Biographie von 1981 wissen. Ja, er erzählt uns weniger. Die latente Bisexualität etwa, die einen Teil der Faszination von Elvis gerade für Männer ausmachte, wird ausgeblendet. Wie alles, was nicht klar umrissen, nicht eindeutig ist.

Luhrmann liebt Knalleffekte. Und der Film liefert – besonders in der ersten halben Stunde – Knalleffekte dutzendweise. Die tausendmal erzählte Geschichte, wie ein Kind aus dem „White Trash“ Gospel und Blues, Country und Rock’n’Roll, Schwarz und Weiß vermischte und dadurch einerseits ein Ventil schuf für die unterdrückte Sexualität einer ganzen Generation weißer Kinder, andererseits die Rassentrennung zum Einsturz brachte.

Sie ist nun einmal der Gründungsmythos nicht nur des Rock’n Roll, sondern jenes Amerikas, gegen das Donald Trump und die Seinen Krieg führen. Luhrmann bestätigt die Geschichte, überzeichnet sie in grellen Bildern, belegt Gitarren und Stimmen nicht mit der Patina der 1950er-Jahre, sondern lässt sie ganz modern klingen, als erlebten wir hier und heute diesen Kulturkampf. Was wir ja tun.

Tom Hanks ist der Manager des "King" bei Baz Luhrman
Tom Hanks ist der Manager des "King" bei Baz Luhrman
Quelle: Warner Bros.

Nach den explosiven Anfangsjahren und -szenen muss alles, was kommt, wie Abstieg wirken: Der Militärdienst, mit dem Elvis vom Rebell zum Vorbild abstieg; die Hollywood-Jahre, in denen er einen Billigfilm nach dem anderen machte und sich in masochistischer Manier als Dummerchen vorführen ließ; das triumphale schwarzlederne Comeback im Revolutionsjahr 1968.

Und dann der dritte Abstieg, dieses Mal zum Las-Vegas-Star, der immer dicker wurde; das Scheitern der Ehe, die Geldprobleme, die Drogensucht, der einsame Tod auf dem Klo kurz vor einer Tournee, die wieder einmal „die beste“, „die größte“ sein sollte, und auf der doch nur die alten Hits von einem Mann recycelt worden wären, der längst zur strassbesetzten Karikatur seiner selbst geworden war.

Der Film ist entschieden zu lang

Wie konterkariert ein Film diese sich unaufhaltsam todeswärts neigende Dramaturgie des wirklichen Lebens? Um es vorwegzunehmen: Auch Luhrmann kann das nicht. Der Film ist entschieden zu lang. 120 Minuten hätten es auch getan.

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Aber Luhmann greift zu einer dramatischen Finte, indem er die ganze Geschichte von Colonel Parker erzählen lässt, Presleys Manager und spätestens seit Goldmanns Enthüllungen der Bösewicht der Geschichte. Tom Hanks spielt den Einwanderer aus den Niederlanden, der – vielleicht auf der Flucht vor der Polizei – seinen Namen änderte, staatenlos blieb und auf dem Rummel und im Zirkus die hohe Kunst lernte, dem Publikum Träume zu verkaufen und Traumerfüllung vorzugaukeln.

Und Hanks spielt den alten Gauner hinreißend. Luhrmanns These lautet: Parker hat Elvis immer nur als Rummelattraktion wahrgenommen, nie als Kulturrevolutionär ernst genommen. „Wir sind gleich“, sagt Hanks seinem Protégé: „Wir wollen die größte Show der Welt inszenieren.“

Gegen den Mephisto Hanks – dessen Gesicht dank Prosthetik im Lauf des Films mit dem Erfolg anschwillt, um dann in sich zusammenzufallen – setzt Luhrmann verschiedene Gestalten, die Elvis ermahnen, sich selbst treu zu bleiben: Seine Mutter, schwarze Musiker wie B.B. King, seine Frau Priscilla, der Produzent der Comeback-Show Steve Binder.

Durchschaute Elvis sich selbst?

Aber es fragt sich, ob ein Entertainer wie Elvis überhaupt ein Selbst hat, dem er treu bleiben kann; ob er überhaupt abseits der Bühne eine Persona hat. Die Vorstellung eines „echten“ Elvis, der zu seinen musikalischen Wurzeln zurückkehrt, ist nur eine weitere – wohl eher männliche – Projektion und nicht wahrer als die Sexualfantasien der weiblichen Fans.

Elvis selbst allerdings vermittelte mit seinem sardonischen Lächeln, seiner gespielten Naivität und seinem hintergründigen Humor immer das Gefühl, er durchschaue sich selbst. Aber vielleicht ist auch das nur Projektion.

Hier endlich – und zum Schluss – muss von dem Hauptdarsteller die Rede sein. Austin Butler kann die Moves des King of Rock and Roll gut nachmachen, aber das kann inzwischen jeder halbwegs begabte Elvis-Imitator: ein ehrenwerter Beruf, mit dem viele Leute Geld verdienen, ironischerweise nicht zuletzt auf dem Rummel, wo Parker sein Handwerk lernte.

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Was Butler so gar nicht hat, das ist das Abgründige, Gefährliche, Selbstironische des King, vom Tragischen ganz zu schweigen. Butler ist der Typ netter Junge von nebenan. Elvis war kein netter Junge. Butler ist hübsch. Elvis war schön. Butler entstammt einer Generation, die Popmusik ganz nett findet. Elvis entstammte einer Generation, für die Musik so wichtig war wie Religion.

„Jailhouse Rock“ ist nicht bloß ein Song, es ist ein Manifest. Eine Hymne. Dieses Lebensgefühl kann man nicht spielen. Jedenfalls kann Butler das nicht. Vielleicht habe ich auch deshalb geweint.

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