Appetit hat der Kinobesucher nach diesem Film nicht. Im Gegenteil: An der ein oder anderen Stelle kam eher das Popcorn wieder hoch. So wie die Schüler in Jessica Hausners Film „Club Zero“ auch permanent ihr Essen wieder hochwürgen.
Der im vergangenen Jahr zu den Festspielen von Cannes eingeladene Film spielt irgendwo in einem Elite-Internat. Dort lehrt die neu eingestellte Ernährungscoachin Novak – passend gekleidet im Trainingsanzug – ein paar Schüler, dass Essen nicht mehr als eine lästige kulturelle und letztlich kapitalistisch-böse Angewohnheit ist. Aber die gute Nachricht: Man kann sie sich auch wieder abgewöhnen. Dazu lerne man zunächst eine bewusste Nahrungsaufnahme: tief einatmen, das Stückchen Kartoffel noch mal halbieren, besser vierteln, langsam zum Mund führen, daran riechen und schließlich bedächtig kauen.
Frau Novak wird von der Australierin Mia Wasikowska gespielt. Tim-Burton-Liebhaber kennen sie als Alice in der düster-wundersamen Verfilmung von „Alice im Wunderland.“ In „Club Zero“ übernimmt Wasikowska die Rolle der Antiheldin, die mit Fastentees und einer diabolischen Sanftheit langsam eine Gruppe Jugendlicher zu ihrer Sekte formt. Eigentlich wollten die mithilfe der Ernährungskunde nur ein paar zusätzliche Punkte für ihr Zeugnis. Doch bald wird aus dem Schulfach eine Obsession. Wer nicht mitmacht, ist ein Verräter am höheren Ziel und muss auf Linie gebracht werden.
Körper, Kampf und Kapital
Das Ziel? Eigentlich alles: Klimaschutz, Kontrolle über Geist und Körper, Kampf gegen Konsum und Kapital. Es sind Internatskinder mit reichen, aber dadurch, so legt es der Film nahe, komplizierten Eltern. Während Mama und Papa auf ihren Balkonen von Verzicht schwadronieren, zoomt die Kamera heraus und gibt den Blick auf ihre opulenten Häuser und Gärten frei.
Der Film wird langsam erzählt, quälend langsam. Die Szenen wiederholen sich. Schon wieder sitzt da jemand am Küchentisch und will nichts essen. Schon wieder versuchen die Eltern, sie oder ihn zu überreden. Böse Worte und brennendes Schweigen. Dann wird gewürgt, gekotzt, das Gewürgte wieder gefressen, bis der Zuschauer sich fragen muss, wie weit man für eine Metapher eigentlich zu gehen bereit ist – und ob man den Kinosaal nicht vorzeitig verlassen sollte.
Frau Novak und ihre Stuhlkreise werden von ewigen Trommeln und Vogelperspektiven begleitet. Die Eltern – oder andere Schüler – versuchen nicht, der Lehrerin ernsthaft das Handwerk zu legen. Ein Bemühen um Schadensbegrenzung ist das höchste der Gefühle. Dabei hätte eine solche Spannung der Erzählung gutgetan. Nur eine Mutter scheint wirklich besorgt um ihren Sohn und erkennt das Ausmaß der Gefahr. Natürlich ist das die arme alleinerziehende Mutter mit dem Stipendiumssohn. Die Arbeiterklasse liebt ihre Kinder eben noch auf eine Art, für die die Reichen zu verblendet sind.
Am Ende weiß man nicht genau, über wen sich die österreichische Regisseurin Jessica Hausner, bei den großen Filmfestivals ein gern gesehener Gast, eigentlich lustig macht. Eigentlich über alle: Lifestyle-Gurus, neoliberale Optimierer und die verbesserungswütige Jugend. Es ist ein Werk, das viele Interpretationen zulässt. Das Schauen ist allerdings eine Qual. Dem Zuschauer wird ein unappetitlicher und monotoner Happen nach dem nächsten serviert.