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Kultur Konrad R. Müller (1940 - 2023)

Der „Kanzlerfotograf“ holte sie alle nah ran

Leitender Redakteur Geschichte
Konrad R. Müller konnte nicht nur Kanzler Konrad R. Müller konnte nicht nur Kanzler
Konrad R. Müller konnte nicht nur Kanzler
Quelle: Agentur Focus/ Konrad Rufus Müller
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Er gehörte zu den großen Fotografen der Bundesrepublik, porträtierte Autoren, Musiker und Schauspieler. Aber ein Objekt fing er mit seiner Linse ein wie kein anderer: Die Regierungschefs Deutschlands. Ein Nachruf auf Konrad R. Müller.

Die hohe Kunst des Porträts besteht darin, den Menschen hinter dem Gesicht zu zeigen – ganz gleich, ob es gemalt ist oder fotografiert wird. Konrad R. Müller konnte das wie kaum ein anderer. So war es kein Zufall, dass alle bisherigen Regierungschefs der Bundesrepublik, von Adenauer bis Scholz, zum „Kanzlerfotografen“ kamen, um sich ablichten zu lassen. Seine Aufnahmen prägen seit Jahrzehnten das Bild, das die Deutschen von ihren wichtigsten Politikern haben.

Am 22. März 1940 in Berlin-Wilmersdorf geboren, war Müller in der katholischen Diaspora der nun geteilten ehemaligen Hauptstadt aufgewachsen und hatte sich hier, nach einem bald abgebrochenen Studium der Malerei an der Hochschule der Künste, für den Beruf des Fotografen entschieden.

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Schon das hatte mit einem Bundeskanzler zu tun: „Ich war fasziniert war vom Gesicht Konrad Adenauers“, sagt Müller 1974 anlässlich einer Ausstellung mit Aufnahmen der seinerzeit fünf Bundeskanzler in Hamburg gegenüber WELT. Im Bundestagswahlkampf 1965 habe er den Gründungskanzler geradezu „verfolgt“ und dabei intensive Erfahrungen mit der „Psychologie eines Gesichts“ gesammelt.

Ikonische Erhard-Bilder

Ein knappes Jahr später machte Rainer Barzel, seinerzeit der kommende Mann der CDU, Müller mit dem Altkanzler bekannt. Zufällig am 26. Geburtstag des Fotografen, dem 22. März 1966, gelang ihm beim CDU-Parteitag in Bonn das erste seiner klassischen Adenauer-Porträts: über die linke Schulter des 90-Jährigen fotografiert, in hartem Licht, das nichts schönte oder milderte.

Die Aufnahme gefiel, so dass Adenauer den Autodidakten Müller einlud, ihn in Cadenabbia zu besuchen, an seinem Urlaubsort. Dort entstanden weitere „typische“ Müller-Porträts: dicht heran ans Gesicht, oft bildfüllend, stets schwarz-weiß, fast immer auf herausragend auflösendem Mittelformat-Material und meist mit fast unbarmherzigem Licht. Gerade im Druck ist der Bildband „Konrad & Konrad“ über „Begegnungen des Fotografen Konrad Rufus Müller mit dem deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer 1963 bis 1967“ des Kölner Greven-Verlages (erscheint noch im Dezember 2023, 80 S., 20 Euro).

Fortan ließ Müller das Thema Kanzler nicht mehr los, und so nutzte er sein bei Terminen mit Adenauer gewonnenen Einsichten bei all seinen Nachfolgern. Von Ludwig Erhard gelangen ihm zum Beispiel zwei ikonische Bilder – ein Foto, auf dem der glücklose zweite Kanzler seinen Mund vollständig mit der rechten Hand verdeckte, das also nur Augen und Nasenpartie zeigte – und trotzdem den ganzen Menschen. Die zweite bedeutende Erhard-Aufnahme entstand zehn Jahre später, 1977, und zeigt ihn frontal. Am wenigsten bekannt geworden ist das Porträt von Kurt Georg Kiesinger, dem Kanzler der ersten Großen Koalition. Es ist ganz im Stil der Adenauer-Porträts gehalten, zeigt einen nachdenklichen Regierungschef.

An Kohl abgearbeitet

Auch sonst brachte die Aufgabe als Porträtfotograf unerwartete Einsichten mit sich: „Ich habe diesen Mann verehrt“, schrieb Müller über Willy Brandt und fuhr fort: „Doch ist der von Millionen so genannte ,Willy‘ ist mir in all den Jahren auch immer fremd geblieben.“ Obwohl der Sozialdemokrat Müller nah an sich heranließ, ihn ins Haus seiner Frau Rut im norwegischen Hamar einlud.

Von Helmut Schmidt gelang dem Fotografen das vielleicht typischste Porträt: Leicht mürrisch, mit verschränkten Armen, die Prinz-Heinrich-Mütze auf dem Kopf, schaut er wie ein Visionär aus dem Bild heraus in die Zukunft. Ein anderes Porträt zeigt den „Macher“ der deutschen Politik 1978 im Gegenlicht – sehr dunkel und dennoch unmittelbar erkennbar.

Viele Jahre lang immer wieder begleitete Müller den nächsten Regierungschef, Helmut Kohl. „An diesem Kanzler habe ich mich abgearbeitet“, erinnerte sich Müller. Zu Kohls 60. Geburtstag stellte er einen Bildband zusammen, mehr als 60 Aufnahmen und mit einem Essay von Peter Scholl-Latour. Bei der Vorstellung lobte Christoph Stölzl, der Gründungsdirektor des von Kohl initiierten Deutschen Historischen Museums, den Bildband und nannte die 140 Seiten eine „außergewöhnliche Studie zum Verhältnis von Politik und Fotografie“. WELT illustrierte mehrere Kanzler-Interviews mit Porträts von Müller und lobte seine Darstellungen: „Konrad R. Müller hat den Menschen Helmut Kohl fotografiert, holt ihn heraus aus den vom Fernsehbild gewohnten Stereotypen und herunter vom Prominenten-Sockel.“

Musiker und Autoren

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Doch die Kanzlerfotografie war nur die bekannteste Tätigkeit von Müller. Daneben machte er zahllose Porträts von Prominenten, von Musikern ebenso wie von Schauspielern, Autoren, TV-Stars und vielen anderen. Außerdem beauftragten ihn deutsche und internationale Magazine mit Fotostrecken, oft Landschaftsfotografie. Er war sich nicht zu schade für eine Serie über die ältesten Hunde Deutschlands und machte auch schon mal einen Schnappschuss, der Musiker der Münchner Philharmoniker (natürlich von hinten) im Pissoir eines Konzerthauses in London zeigte – erkennbar an den Frackschößen und dem unter den Arm geklemmten Horn.

Wie seine Kollegen Sven Simon (Alias von Axel Springer jr., 1941–1980) und Jupp Darchinger (1925–2013) gehörte Konrad R. Müller zu den großen Fotografen der Bundesrepublik. Gemeinsam war ihnen, bei allen stilistischen Unterschieden, das Gefühl für den besonderen Blickwinkel und den richtigen Augenblick: Entscheidend ist eben, den Menschen hinter dem Gesicht zu erkennen. Am vergangenen Samstag ist Konrad R. Müller in seiner Wahlheimat Königswinter im Alter von 83 Jahren gestorben – während sein letzter Bildband gerade im Druck ist, den er nicht mehr selbst wird sehen können.

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