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Pop Heimat und HipHop

Oh, wie schön ist Bielefeld

Redakteur Feuilleton
Ostwestfälischer Barock: Casper kehrt wieder einmal heim Ostwestfälischer Barock: Casper kehrt wieder einmal heim
Ostwestfälischer Barock: Casper kehrt wieder heim
Quelle: © Chris Schwarz
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Im Deutschrap spielt Casper die Rolle des Berliner Hipsters. Auf seinem neuen Album bekennt er sich zu seiner wahren Heimat in der ostwestfälischen Provinz – und feiert die Stadt, die es laut einer 30 Jahre alten Verschwörungslegende gar nicht gibt.

Der Junge auf dem Titelbild des Albums ist der Künstler selbst im Alter von elf Jahren. Casper spielt im Schlafanzug mit seinem Hund. Über dem Sofa hängt ein Bild vom Meer. Es könnte ein Idyll sein, 1993 in Amerika. Seine Familie war aus Bösingfeld in Ostwestfalen nach Statesboro in Georgia ausgewandert, als er noch ein Säugling war.

In „Echt von unten / Zoé Freestyle“, seinem ersten Stück auf seinem sechsten Album, erzählt Casper 30 Jahre später die Geschichte seines Coverfotos. Von Kakerlaken im Kleiderschrank, den Schlägen des Stiefvaters, verpfändeten Fernsehern und „Kämpfen für Snacks und Respekt“. Im selben Jahr kehrte die Mutter mit dem Jungen wieder heim, nach Bösing- und nach Bielefeld.

„Nur Liebe, immer“, Caspers sechstes Album, erscheint am 24. November 2023 bei Eklat Tonträger
„Nur Liebe, immer“, Caspers sechstes Album, erscheint am 24. November 2023 bei Eklat Tonträger
Quelle: Eklat Tonträger / Warner

Wenn Casper nun in „Echt von unten“ noch einmal den Bogen schlägt von Georgia nach Ostwestfalen und verkündet, er stehe für Bielefeld – im Video tänzelt er dabei im Fußballstadion der Arminia unter Flutlicht auf dem Rasen, demonstriert er, dass es deutschen Rap nicht nur als Pose gibt: „Ist es Rap oder Straßen-Cosplay, das ihr spielt? / Ist es echt oder bloß Gerede auf Beats? / Ist es wirklich dein echtes Leben, das du mimst? / Denn ich war wirklich da, wo Dämonen lachen wie Hyänen / Und Pack sich schlägt, wenn die Nacht sich legt / Man Freunde zu Grabe trägt, vor Angst nicht schläft / Und man sich für diesen Schwachsinn schämt / Mann, ich war wirklich da.“ Er sei, rappt er, keiner der Deutschrap-Deppen mit den goldenen Ketten.

Für die Rapper mit den breiten Reifen und dem mafiösen Rückhalt und für alle, die deren Musik gerade deshalb feierten und ihre Poesie beim Wort nahmen, war Casper nie ein echter Rapper. Er lebte zwar in Berlin, aber in Friedrichshain unter den Hipstern. Seine Platten hießen „Hin zur Sonne“ oder „XOXO“, eine Grußformel für Instakids, um Küsse und Umarmungen zu senden.

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Auch der Titel seines neuen Albums ist ein solcher Gruß: „Nur Liebe, immer“. Während andere deutsche Rapper, die sich für die wahren halten, ihren eigenen Ruhm bedichten und ihr Alphatum bekräftigen, ist Casper immer noch dabei, sich selbst als Mensch zu „überdenken“, wie er sagt. In „Wimpernschlag“ hadert er weiterhin mit seiner Prominenz. Nie habe er die Stimme irgendeiner Jugend sein wollen, geschweige denn unsterblich. „Geht’s um Casper oder Ben?“, fragt er sich. Ben ist er, Benjamin Griffey, Casper ist seine Figur. Wobei das Ich in seiner Lyrik nie verschwindet. In „Sowas von da (hellwach)“ berichtet er von seinen inneren Dämonen und in „Luft holen“ von seiner ewigen Suche nach sich selbst, nach Seelenruhe.

Wie auf seinem dritten Album „Hinterland“, schon vor zehn Jahren, distanziert sich Casper von Berlin, der Stadt, in der er zu einem der populärsten deutschen Rapper wurde und mit der er durch seinen Erfolg verbunden ist. Er reist zurück in die Provinz, aus der er stammt. „Nur Liebe, immer“ ist sein Heimatalbum. Seine neuen Stücke werden von zwei Hymnen eingerahmt – auf Bielefeld.

Rätselhaftes Bielefeld

Im selben Jahr, in dem sein Coverbild geschossen wurde, 1993, setzte ein Computernerd aus der Region die „Bielefeldverschwörung“ ins damals noch junge Internet. Der Witz über die Stadt, die es nicht gibt, bezog sich unter anderem auf ein Lied von Udo Lindenberg: „Und sehen wir uns nicht in dieser Welt, dann sehen wir uns in Bielefeld“, sang Lindenberg in „Rätselhaftes Bielefeld“. Die Stadt als Fake finsterer Mächte. Aus dem Spaß wurde ein Synonym für einen Ort, weit weg von allen kulturellen Epizentren und vom Hip-Hop als urbaner Kunst erst recht.

„Verliebt in der Stadt, die es nicht gibt“ ist Caspers Liebeslied an Bielefeld, ohne den Namen zu erwähnen. „Egal, wohin es mich auch zieht / Weiß ich, dass ein Teil von mir für immer bei dir liegt“, singt er: „Die Besten zu Hause und ich allein in Berlin.“ Und seine Stadt antwortet: „Du gehörst hierher.“ Eine Gitarre wird gezupft, eine Trompete bläst ihre Fanfare aus der Ferne.

Casper weiß, was Heimat ist. Die Summe der Engramme im Gehirn, der aus der Jugend, in der neuronalen Blüte, eingeschriebenen Erinnerungen. Bei ihm ist es eben Bielefeld, wo er erwachsen wurde, nicht Berlin, wo er berühmt wurde. Im Rap ist viel von Credibility und Authentizität die Rede. Casper rappt über sein jüngeres und älteres Ich, über die Jugendliebe („Immer noch nervös“) und seine Jugendsünden („Falsche Zeit, falscher Ort“).

Zum Album wird er nur ein einziges Konzert geben, am 15. Juni 2024 auf der ehemaligen Bielefelder Alm, dem Stadion, das heute als Arena nach einer lokalen Baufirma benannt ist. „Im Stadion mit 28.000 hier drin / Da braucht es mich, um die Champions League nach Hause zu bringen / Schau, wo wir sind / Tu nicht so, du weißt genau, wer ich bin“, rappt er in „Echt von unten“. Echter geht es nicht.

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