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Film Serie „Eine Billion Dollar“

Viermal reicher als Elon Musk

Redakteur Feuilleton
Philip Froissant war Kaiser Franz Joseph bevor er John Fontanelli wurde Philip Froissant war Kaiser Franz Joseph bevor er John Fontanelli wurde
Philip Froissant ist John Fontanelli
Quelle: Paramount+/W&B Television/Gordon Muehle/Xiomara Bender
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Was passiert einem Fahrradkurier, der eine Billion Dollar erbt, mit dem Geld aber die Welt retten muss? Andreas Eschbach machte aus diesem Stoff einen Meilenstein der deutschen Unterhaltungsliteratur. Jetzt wurde der Bestseller zur teuersten deutschen Paramount-Serie.

Serien, denen „When I am laid in earth“, das legendäre Lamento aus Henry Purcells Oper „Dido und Aeneas“, als akustische Folie dient, können eigentlich keine schlechten Serien sein. Leider weiß man schon, wenn man diesem todtraurigen, wehen Abgesang auf die Liebe und das Leben, den spätestens Jessye Norman unsterblich gemacht hat, das erste Mal begegnet ist, dass die Geschichte über dieser Folie unmöglich gut ausgehen kann. Was dramaturgisch bedenklich und bei einer Geschichte, in der es um nicht weniger als die potenzielle Rettung der Welt geht, natürlich eher doof ist.

Das mit dem unschönen Ende wissen die mehr als eine Million Leser von Andreas Eschbachs inzwischen fast selbst legendärem Finanzthriller „Eine Billion Dollar“ sowieso, aus dem Max Wiedemann und Quirin Berg, die Produzenten von „Dark“ und „4 Blocks“, unter tätiger Mithilfe der Drehbuchautoren Florian Iwersen und Stefan Holtz die teuerste deutsche Serien-Eigenproduktion von Paramount+ gemacht haben.

Vor 22 Jahren ist der Tausendseiter erschienen. Er machte den gelernten Ökonomen und spät berufenen Spannungsschriftsteller mit einem Schlag berühmt. Zusammen mit Frank Schätzings „Der Schwarm“ wurde „Eine Billion Dollar“ als eine Art deutscher Unabhängigkeitserklärung von der handelsüblichen amerikanischen Thrillerproduktion gefeiert.

Dass es fast ein Vierteljahrhundert dauerte, bis Eschbachs klandestine, dystopische Ökonomie-Nachhilfestunde, dieser frühe Abgesang auf die Weltwirtschaft, den Weg auf Leinwand oder Bildschirm schaffte, ist mehr als überraschend. Und hat dem von Florian Baxmeyer und Isabel Braak inszenierten und eher mühsam aktualisierten Sechsteiler nicht unbedingt gutgetan, aber wir greifen vor.

Eine Eins, zwölf Nullen

John, so geht die Seriengeschichte los, ist ein Fahrradkurier in Berlin. Einer, wie er nur im Buch steht. Er hat einen Heidenspaß beim Radeln, bricht alle Rekorde mit seinem ultraschicken Bike, beschwert sich nicht über den Lohn, muss keine dämliche Uniform tragen und wohnt, wo die jungen Endzwanziger ohne abgeschlossene Berufsausbildung in Berlin halt so in den Tag leben: in einer loftähnlichen Bude, die sich kein gewöhnlicher Fahrradkurier leisten kann. Aber wir sind hier ja auch in einem Märchen. Das darf man im Folgenden nicht vergessen. Fällt auch schwer, weil John, weil ihn Philip Froissant spielt, aussieht wie Sisis schöner Kaiser Franz Joseph in „Die Kaiserin“.

Beim schönen John nun steht eines Tages ein Erbermittler vor der Tür. Fordert Speichelprobe und Unterschrift. Wenig später findet sich John nach einer Fahrt in einer schwarzen Limousine unter blauem Himmel in einer Villa in den Bergen hinter Florenz wieder, die aussieht wie für die italienische Version einer Inga-Lindström-Schnulze, gerade frisch abgestaubt.

Der greise Pate der Vacchi, einer uralten Florentiner Geldverwahr- und -vermehranstalt, eröffnet ihm, dass John eigentlich Giovanni heißt und sich über das Erbe des Giacomo Fontanelli freuen darf. Mithin eines Vermögens, dessen Ursprung weit in die Zeit vor Henry Purcell zurückreicht und gegenwärtig eine Billion Dollar (eine Eins, zwölf Nullen) wert ist. John ist mithin viermal so reich wie Elon Musk.

Giacomo hat dem Erbe eine apokalyptische Prophezeiung biblischen Ausmaßes mitgegeben und die Aufgabe, trotz ihres drohenden, selbst gemachten Untergangs „der Menschheit ihre verlorene Zukunft“ zurückzugeben. John hat das Geld, aber er hat nichts davon, weil er eine Mission hat. Er muss mal kurz die Welt retten.

Nachdem er im Sauseschritt – soviel Zeit ist ja nicht bei einem Sechsteiler – den Rausch des Geldes mit Party, Ferrari und Koks hinter sich gebracht hat, wird aus John die perfekte Projektionsfläche der Fontanelli Group, der neue Jesus der globalen Börsenwelt. Einer, der zu beweisen versucht, beweisen muss, wie man in einer Branche, die für jeden linken Klischeedenker stets das Böse will, das Gute schaffen kann.

Falsch abgebogen

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Weil das Epizentrum von Johns Schicksal in Italien liegt, Italiener, selbst wenn sie von Türken gespielt werden, schweren italienischen Akzent sprechen und düster aussehen und Florenz ja (Dan Brown!) immer für eine finstere Weltverschwörung gut ist, biegt „Eine Billion Dollar“ von der möglichen Finanzweltanalyse relativ rasch in eine ästhetisch ziemlich hybride und auch erzählerisch unausgegorene Spökenkiekerei ab.

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Die Welt, so des Sechsteilers gefährlicher Kern, der jeden rechtspopulistischen Querdenker in seiner Weltsicht bestätigen dürfte, wird seit Jahrzehnten nicht mehr von Politikern regiert, sondern von einem illuminatenhaften Wirtschaftsbund, einem Staat hinter allen Staaten. Von Leuten, denen Gemeinwohl nichts und Machtvermehrung alles ist.

Schlecht gealtert wirkt „Eine Billion Dollar“ aber nicht nur seiner These wegen, sondern vor allem, weil es seit dem Erscheinen von Eschbachs tatsächlich bahnbrechendem ersten gelungenen deutschen Wirtschaftsthriller eine überraschende Vielzahl deutscher Börsendramen zum Streamen gab, die Maßstäbe setzten, hinter die „Eine Billion Dollar“ zurückfällt. „Bad Banks“ etwa war ästhetisch konsequenter und analytisch präziser und „King of Stonks“ satirisch zugespitzter und böser.

Hilft nicht gegen ökonomische Ahnungslosigkeit. Nur gegen musikalische. Verwahrt euer Geld sicher im Kopfkissen, ist die Botschaft. Und hört Purcell. Letzterem ist nur zuzustimmen.

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