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Kultur Geheimnisvolle Malerei

Im dunklen Reich des Victor Man

In der Ausstellung von Victor Man im Frankfurter Städel In der Ausstellung von Victor Man im Frankfurter Städel
In der Ausstellung von Victor Man
Quelle: Städel Museum/Norbert Miguletz/© VG Bild-Kunst, Bonn 2023
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Im Frankfurter Städel tritt der rumänische Künstler Victor Man in den Wettbewerb mit den alten Meistern. Er gilt als einer der gefragtesten Maler unserer Zeit. Dabei ist er alles andere als gegenwärtig.

So ein Grün hat man selten gesehen. Auch so ein Blau nicht. Die Akzente auf dem „Portrait of A. with My Left Ear“ wirken elektrisch und leuchten aus dem Innersten des Bildes heraus wie ein Stück Plastik vom Grund eines modrigen Teiches. Man hat solche Bilder überhaupt selten gesehen.

Vieles ist bemerkenswert an dieser Ausstellung von Victor Man im Städel Museum. Das fängt schon mal mit dem Ort an. Das Städel hat die Soloausstellung mitten in seine Altmeistersammlung gehängt, dorthin, wo sonst die Landschaftsbilder der alten Niederländer versammelt sind.

Aber Victor Man ist gar kein alter Niederländer, er ist 1974 geboren und stammt aus Rumänien. Genauer gesagt, aus dem siebenbürgischen Cluj. Dort und in Berlin unterhält er Ateliers, bleibt dem Kunstweltspektakel der Metropole aber lieber fern. Nicht einmal zu seinen eigenen Eröffnungen kommt er, und Interviews gibt er erst recht keine. Nichts, so erklärt einem die Kuratorin der Städel-Schau, Svenja Grosser, soll von seinem Werk ablenken. Und das wird ihm gerade förmlich aus den Händen gerissen.

Victor-Man-Gemälde: „Girl in Love With a Wound“, 2020/21
Victor Man, „Girl in Love With a Wound“, 2020/21
Quelle: © VG Bild-Kunst, Bonn 2023/Foto: Stefan Korte Courtesy of the artist & Galerie Neu, Berlin

Nicht nur, dass Victor Man seine Werke gern für sich behält. Die Kunstwerke, die der Maler über seine namhaften Galerien an die glücklichen Auserwählten verkaufen lässt, werden, wenn sie denn einmal dort landen, auf dem Sekundärmarkt zu erstaunlichen Preisen gehandelt. Wo man vor zehn Jahren noch für fünfstellige Beträge zum Man-Sammler werden konnte, da werden jetzt für Einzelwerke Vermögen ausgegeben. Im Juni 2023 wurde das 2017 gemalte, 130 mal 120 Zentimeter große Bild „Weltinnenraum“ beim Auktionshaus Christie’s für 1,7 Millionen britische Pfund versteigert – bei einem Schätzpreis von 100.000 bis 150.000 Pfund.

Rar und mysteriös: Victor Man

„Victor Man“, wirbt das Städel Museum, „gilt seit Jahren als einer der gefragtesten und gleichzeitig rarsten Künstler der Gegenwart.“ Was genau aber macht ihn so gefragt? Zum einen ist das die Malerei selbst. Mans Leinwände sind zumeist in gedeckten, dunklen Farbtönen gehalten. Es braucht Zeit, bis man sich an ihre Lichtverhältnisse angepasst hat – ein wenig ist das so, als betrete man ein abgedunkeltes Zimmer.

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Umso schimmernder wirken dann kupferne Beschläge auf Möbeln oder die Perlen, die auf die Jacke einer dunkelhaarigen Dame gestickt sind. Moderne Smartphones scheitern an der Wiedergabe, und das ist mitunter wirklich aufregend. Das Blau der Stickereien an einem Kleidungsstück, die grünliche Gesichtsfarbe der Menschen, die der Künstler aus seinem nahen Umfeld rekrutiert, die roten Haare und die grünen Blätter.

Meist schauen die Protagonisten mysteriös ins Nichts, bis auf „Girl in Love With a Wound“, das auch das Ausstellungsplakat ziert. Dieses erstaunlich präsente Girl bohrt seinen Blick liegend in den Betrachter hinein, gebettet auf organisch-rätselhafte Formen. Sich selbst malt Victor Man als maskenhaften Grübler, und als einen hellen Schemen vor dem schwermütigen, hier und da wie tropische Fische leuchtenden Bildnis seines Vaters.

Gemälde von Victor Man: „Self as the Man of Sorrows“, 2021
Victor Man, „Self as the Man of Sorrows“, 2021
Quelle: © VG Bild-Kunst, Bonn 2023, Courtesy of the artist & Galerie Neu Foto: Stefan Korte

Diese Porträts sind kleine Universen in sich, in denen nichts dem Zufall überlassen ist. Victor Man, erfährt man, arbeitet mitunter sehr lange an einem Bild, bis wirklich alles in seinem Sinn ist. Das also ist der Reiz dieser Kunst. Ein anderer sind die „vielfältig verwobenen Zitate“, die „Einflüsse des Trecento und Quattrocento“, die Anklänge an Symbolismus und Neue Sachlichkeit, die in Ausstellungskatalogen zu Man immer wieder hervorgehoben werden.

Keine Frage: Der Rumäne liebt Zitate. Er baut häufig Referenzen an schon sehr lange verstorbene Maler und Schriftsteller in die Werktitel ein. In „Girl with Goya’s Scull (Memorable Equinox)“ von 2021 liegt eine nackte Frau rücklings auf einem Schemel, hat die Arme über dem Kopf verschränkt und kuschelt mit einem Totenschädel. Goya taucht im Titel auf, seine „Nackte Maya“ ist einer der berühmtesten Akte der Kunstgeschichte. Und dann hat Francisco de Goya ja immer wieder Tod, Wahnsinn und Gewalt thematisiert, damals, zur Zeit der Napoleonischen Kriege vor mehr als 200 Jahren.

Zeitlose Sachlichkeit

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Bei Victor Man hat der Tod nichts Drohendes oder Grausiges, er ist ein atmosphärisches Zitat aus dem Fundus der Literatur und der Kunstgeschichte. Alles wirkt unheimlich stimmig, kostbar, seltsam und schräg. Aber fordert diese Kunst einen wirklich heraus? Geht sie Risiken ein? Keins der Gemälde tritt in den Dialog mit der Gegenwartskunst ein, oder überhaupt mit der Gegenwart. Das unterscheidet ihn von den zitierten Meistern.

Eine betont zeitlose Atmosphäre herrscht vor, die Kleider und Frisuren der Protagonisten könnten aus den 1930ern stammen, die maskenhaften Gesichter haben etwas von der Neuen Sachlichkeit, ohne dass sie, wie die Werke der 20er- und 30er-Jahre, auf die Schwingungen in der Gesellschaft ihrer Zeit eingehen. Victor Man bleibt in seinem Atelier, im Netz seiner idiosynkratischen Bezüge.

Unbetiteltes Gemälde von Victor Man aus dem Jahr 2013
Unbetiteltes Gemälde von Victor Man aus dem Jahr 2013
Quelle: © VG Bild-Kunst, Bonn 2023 Foto: def image, Courtesy of the artist & Galerie Max Hetzler

Sosehr er sich als Künstler der Öffentlichkeit entzieht, so überdeutlich macht er der Öffentlichkeit daran, welche Referenzen er hat. Er malt gern rätselhafte Bilder ins Bild hinein. Die polynesische Maske im Hintergrund von „The Chander with Gauguin’s Evil Spirit“ ist eine direkte Übernahme aus einem Bild von Paul Gauguin.

Die erstaunliche Leinwand „Untitled (Connaissez-vous des Esseintes?)“ mit dem etwas zu groß dimensionierten Kopf der porträtierten Dame von 2015 wiederum gibt Rätsel auf: Umfasst diese Frau eine Stuhllehne oder eine maorische Hiebwaffe aus Jade? Die Kastanienblüten im Hintergrund haben etwas Tropisch-Sinistres, dabei wachsen sie doch im Garten des Malers in Mitteleuropa.

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Des Esseintes wiederum ist die Hauptfigur aus einem Roman von Joris-Karl Huysmans von 1884, der den Dekadenzbegriff des Fin de Siècle auf den Punkt gebracht hat. Aber der ist heute eben auch ein literaturhistorisch ab- und durchgearbeiteter Topos. Genauso wie Hölderlins Gedicht „An Zimmern“ von 1812, das der Ausstellung ihren Titel leiht, nicht gerade eine Neuentdeckung ist. Ist diese Kunst eine?

Städel hat auch ein Man-Gemälde in der Sammlung

Für Victor Man ist „Linien des Lebens“ die zweite institutionelle Einzelausstellung in Deutschland. Er war 2014 „Artist of the Year“ der Deutschen Bank, für seine Berliner Schau hatte er damals die Räume auch architektonisch im Sinn seiner Vision umgestalten lassen. In Frankfurt war das nicht nötig, das gedämpfte Blaugrau der Wände und der dunkle Steinboden passen perfekt zur Farbigkeit der Gemälde.

Das Städel nahm Man bereits 2020 in seine Sammlung auf, das Geld dazu stammte aus den Mitteln des Städel’schen Museums-Vereins (und die Preise waren noch erschwinglich). Die kleinformatige „Study for the Grimace of Tenderness“ hängt nicht in der Ausstellung, sondern im Untergeschoss des Museums, bei den Zeitgenossen, inmitten von Leinwänden von Miriam Cahn, Georg Baselitz, Daniel Richter oder Marwan.

Blick in die Ausstellung von Victor Man im Frankfurter Städel
Blick in die Ausstellung von Victor Man im Frankfurter Städel
Quelle: Städel Museum/Norbert Miguletz/© VG Bild-Kunst, Bonn 2023
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Man habe bewusst einen Abstand zu den übrigen Bildern gelassen, wird einem erklärt, damit Mans geheimnisvolle Feinmalerei sich besser entfalten könne. Das ist nachvollziehbar. Ob es am Ende aber ein gutes Zeichen ist? Das muss jeder selbst entscheiden.

Fest steht: Man sieht eine betörende Malereiausstellung, wenn man jetzt nach Frankfurt fährt, denn die Kunst von Victor Man ist eine, die man sich definitiv gern ansieht. Es ist leider aber auch eine, mit der man über gar nichts streiten kann. Dafür hat Man sich, wie Jean des Esseintes, zu sehr in sein eigenes Reich zurückgezogen.

„Victor Man. Die Linien des Lebens“, bis 4. Februar 2024, Städel Museum, Frankfurt/Main

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