Worum es beim „Jedermann“ geht, bekommt man ohne Umschweife mitgeteilt: Das Stück von Hugo von Hofmannsthal soll dem Zuschauer zeigen, „wie unsere Tag und Werk auf Erden / vergänglich sind und hinfällig gar“. Und die christliche Botschaft alten Stils kennt keine Ausnahmen: Vergänglich und hinfällig ist, wie am Montag bekannt wurde, schon jetzt die Neuinszenierung des „Jedermann“, die erst diesen Sommer bei den Salzburger Festspielen Premiere feiert. Nächstes Jahr soll ein anderer „Jedermann“ auf der Bühne stehen – mit neuem Regisseur und neuer Besetzung.
Es ist eine große Überraschung, nicht zuletzt für die Beteiligten. Bis vor Kurzem war man in Salzburg überzeugt, dass die mittlerweile dritte – und für die Kritik: schwächste – Inszenierung von Michael Sturminger noch die nächsten zwei Jahre laufen würde. Der Regisseur hatte mit einer inszenierten Störung durch „Klimakleber“ versucht, den großbürgerlichen Mahner Hofmannsthal mit dem aktivistischen Moralismus der „Letzten Generation“ kurzzuschließen. So war man zwar belehrt, wie viel „konservative Revolution“ im Klimaaktivismus steckt, doch künstlerisch war das ein schwacher Ansatz.
Ausgewechselt wird nicht nur die Regie, auch die Besetzung muss weichen. Nur konsequent: In der enttäuschenden Inszenierung hatten sich Michael Maertens als Jedermann und Valerie Pachner als Buhlschaft nicht wirklich für Größeres empfehlen können. Im Vergleich zu Lars Eidinger und Verena Altenberger blieben sie blass. Allein Sarah Viktoria Frick als Gott und Teufel brachte Tempo und Witz in den öden Abend, der so ungreifbar vor sich hin waberte wie die Musik von Anja Plaschg, bekannt als Soap&Skin. Weil die Verträge bereits unterschrieben waren, erwägen die Künstler nun rechtliche Schritte gegen die Entscheidung.
Der plötzliche Richtungswechsel wird der neuen Schauspieldirektorin der Salzburger Festspiele angerechnet: Marina Davydova. In Baku geboren, war sie unter anderem als Kritikerin in der russischen Theaterszene bekannt, 2016 verantwortete sie das Schauspielprogramm der Wiener Festwochen. Inzwischen hat sie Russland verlassen, seit Anfang des Monats hat sie nun ihren neuen Job in Salzburg angetreten. Nun räumt sie ohne Rücksicht auf Verluste künstlerisches Mittelmaß ab? Nein, die Entscheidung habe sie nicht allein und nicht aufgrund ihrer Vorlieben getroffen, teilte Davydova mit.
In Salzburg dürfte man fürchten, dass mit der jetzigen Inszenierung Publikum und Geld wegbleiben. Die Frage ist: Welche Trümpfe hat Davydova in der Hinterhand? Wer wird den „Jedermann“ inszenieren – und wer spielen? Die Schauspieldirektorin sprach von einer „sehr schwierigen Entscheidung“, hat aber schon eine Vision, die demnächst präsentiert wird. Ein Zeichen für die Schauspielsparte der Festspiele? Man darf gespannt sein. Immerhin neigt man in Salzburg dazu, sich in der ästhetischen Provinz einzurichten, wie am dortigen Schauspielhaus. Auch für den „Jedermann“ könnten solche Rufe laut werden. Besser wäre, etwas Neues zu wagen. Sicher ist nur, dass auch das nicht für ewig sein wird.