Die Zahlen sind andere, die Buchstaben nicht. Die Kampfjets, über die gerade so viel in der Zeitung steht – die MiGs und die F-16 der sich zugunsten der Ukraine formierenden Kampfjetkoalition – sind Nachfahren der Maschinen von damals, wollte man ihnen denn so etwas wie Verwandtschaftsverhältnisse zugestehen.
„Die russischen Maschinen“, schrieb der amerikanische Schriftsteller James Salter Jahrzehnte später über den Koreakrieg, an dem er als Kampfpilot teilgenommen hatte, „waren MiG-15 Jets mit gepfeilten Tragflächen, exzellent entworfen und mit Schnellfeuerkanonen ausgerüstet … Zur damaligen Zeit gab es noch keine Raketen; diese kamen erst ein paar Jahre später.“ James Salter, der damals noch James Horowitz hieß, flog „am Yalu“ einen amerikanischen F-86 Jet, eine Maschine, wie er seinen friedensverwöhnten Lesern ein halbes Jahrhundert danach erklärte, die „in etwa gleichwertig“ war, allerdings nicht ganz so hoch flog wie die MiGs.
Für Salters ersten Roman „Jäger“ (1957), der unmittelbar nach dem Koreakrieg entstand, ist dieses Detail von Bedeutung: Sein Held, der Kampfpilot Cleve, sieht die feindlichen MiGs meist von unten; oft brennt er vergebens darauf, dass sie zu ihm herabstoßen, damit er sich mit ihnen messen kann. Dass russische Piloten in den Cockpits sitzen, ist ein offenes Geheimnis, eigentlich aber ist Cleve das alles egal: die Winkelzüge des Kalten Krieges, die große Geopolitik, das Leid der kleinen Leute tief unten am Boden – das alles interessiert ihn nicht. Cleve will MiGs, er will „sich einen Champion holen“. Er will, als wüsste er, dass es damit zu Ende geht, „noch einmal den Hauch von Größe spüren“.
„In einem Gletscher aus Raum“
„Jäger“ ist tatsächlich ein befremdlicher Roman und wirkt heute umso befremdlicher, weil er gut 40 Jahre später in nur leicht veränderter Fassung noch einmal erschien, nachdem sein Autor, mit anderen, weniger irritierenden Büchern, zu spätem Ruhm gekommen war. An allem, was an „Jäger“ aber so verstörend war, hielt Salter auch eingangs des 21. Jahrhunderts fest. „Wenn man heutzutage einen Roman liest, in dem Krieg Ruhm bedeutet und Töten als eine Art Sport gilt“, sei das „eine Überraschung“, notierte 1999 ein verblüffter Rezensent, der nach dem 24. Februar 2022 vielleicht nicht ganz so verblüfft gewesen wäre. Von Salters „titanischen Sätzen“ überwältigen aber ließ er sich doch.
In „Jäger“ hängen die feindlichen MiGs „reglos in einem Gletscher aus Raum“, die F-86 wiederum erscheinen als „räuberische Elritzen“, und der Luftkampf ist „berauschender, süßer Überschwang“. Ein Abschuss – ausgerechnet – ist etwas für die Ewigkeit, und dass der Feind gelegentlich „menschliche Gestalt“ annimmt, ist jedes Mal eine Enttäuschung; die Jets verleihen dem Piloten ja Flügel, damit er sich über das bloß Menschliche erhebt. „Er war nicht gekommen“, schreibt Salter über seinen Helden, „um nur zu überleben.“
Nachdem „Jäger“ zum ersten Mal erschienen war, hat James Horowitz seinen Dienst bei der Air Force quittiert und sich ganz in den Schriftsteller James Salter verwandelt. Seine Romane aber schrieb Salter, der 2015 im Alter von 90 Jahren starb, aus demselben Grund, aus dem Horowitz in den Krieg gezogen war: Er wollte „die eine große Tat, aus der Anonymität heraus, dem Versagen.“