WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Kultur
  3. Pop
  4. „Love Songs“: Peter Fox und sein innerer Winnetou

Pop „Love Songs“

Peter Fox und sein innerer Winnetou

Redakteur Feuilleton
„Ich bin Alliierter“: Peter Fox im Konzert „Ich bin Alliierter“: Peter Fox im Konzert
„Ich bin Alliierter“: Peter Fox im Konzert
Quelle: Getty Images/Marco Prosch
Hier können Sie unsere WELT-Podcasts hören
Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.
15 Jahre nach seinem Album „Stadtaffe“ feiert Peter Fox sein Comeback und veröffentlicht ein zweites Meisterwerk der kulturellen Aneignung. „Love Songs“ präsentiert einen älteren, weisen Mann zwischen den Fronten, der die eine Seite besser versteht als die andere.

Ein Mann ist viel allein mit sich. Im Spiegelbild starrt ihm sein eigener Geist entgegen, während draußen vor der Tür die lebenden Toten schreiend durch die Straßen stürmen. Er sieht ihnen durch die Jalousien zu und singt: „Ich weiß, ich müsste sie umarmen, sonst werd ich schon bald wie sie.“ Sein Lied heißt „Gegengift“, eines von elf Liedern auf seinem Album „Love Songs“.

Peter Fox ist wiederauferstanden. 14 Jahre ist es her, dass der Berliner Sänger Pierre Baigorry seine Figur für tot erklärt und mit ihr ihre Reinkarnation als „Stadtaffe“ beerdigt hatte. In nur einem Jahr war dieser Peter Fox durch eine einzige Platte über das Berlin der späten Nullerjahre zu einem monströsen Star im deutschen Popmusikgeschäft geworden. Wenn er über seine Stadt als liebenswertes Rattenloch und anziehenden Affenkäfig sang, fühlten sich alle als Berliner. Eingeborene, Zugezogene, Gelegenheitsbesucher.

Lesen Sie auch

Er sang auch über sein „Haus am See“, eine Fiktion des bürgerlichen Lebens, Zehlendorf statt Kreuzberg, die es bis ins Repertoire von Heino schaffte – und die Peter Fox in seinem zweiten Leben lieber ungeschehen machen würde: Es geht nicht darum, wo jemand wohnt, sondern um seine Sicht von dort auf diese Welt und auf sich selbst.

So ist der Peter Fox mit seinem Album „Love Songs“, das die Liebe und das Liedersingen feiert, um den Zeitgeist zu entgiften, zwangsläufig ein anderer. Ein 51 Jahre alter Mann, der morgens Schmerztabletten braucht und abends eine Beißschiene zum Schlafen (in „Ein Auge blau“). Und der im Song „Vergessen wie“ nicht mehr weiß, wie seine Stadt lebt, weil er sich in seine Einsamkeit zurückgezogen hat. In „Gegengift“ verschanzt er sich: „Und ich bleib hinter meinen Barrikaden.“ Davor laden alle ihren Müll ab, ihre Wut.

Die Wut der anderen

Der Mann, in den sich Peter Fox verwandelt hat, besingt die Stimmung in den 20ern des 21. Jahrhunderts und findet den Sound dagegen. Reggae, Dancehall, Hip-Hop, Afro Drill und Amapiano. Seine Musiker und er spielen verschiedene Updates der hybriden Stücke seines Albums „Stadtaffe“, die bereits Updates der Musik von Seeed waren, der Band um Pierre Baigorry. Die West- und Ost-Berliner Ska- und Reggaeszene hatte in den 80ern und 90ern die Stadt geöffnet und geprägt. Aus Subkulturen wurden Lebensstile und aus Songs wie „Dickes B“ von Seeed und „Schwarz zu blau“ von Peter Fox die Tonspuren mit ihren klingenden Klischees dazu.

Als Peter Fox sich im vergangenen Herbst mit „Zukunft Pink“ zurückmeldete, seinem ersten Stück für ein in Aussicht stehendes zweites Album, war seine Musik für einige kein multikultureller Beitrag zum urbanen Leben mehr. Sondern das beste Beispiel einer unverschämten kulturellen Aneignung. Bezichtigt hatte ihn der Aktivist Malcolm Ohanwe: Peter Fox bereichere sich an einer Musik, die einer marginalisierten Minderheit gehöre, den People of Color, denen es passieren könne, dass ihnen die deutschen Clubs den Zutritt zu ihrer gestohlenen Musik auch noch verweigerten.

Lesen Sie auch
Deichkind
Meinung „Neues vom Dauerzustand“

In „Zukunft Pink“ ist eine digitale Schlitztrommel der Audiosoftware Fruity Loops zu hören wie im Amapiano, einer aktuellen House-Variante aus Südafrika. Die Wut könne er schon verstehen, sagte Peter Fox in „Titel, Thesen, Temperamente“ in der ARD, aber er sei der falsche Adressat: „Mann, ich bin Alliierter!“

Irritiert fand sich die Stimme der Berliner Allerweltsmusik in einer unentwirrbaren Debatte wieder, die sich vordergründig um Dreadlocks auf hellhäutigen Köpfen drehte. Peter Fox stand plötzlich zwischen denen, für die er immer zu singen glaubte – und einer Fraktion, mit der er nie etwas zu tun hatte, die blonde Dreadlocks bisher für kulturfremd hielt, die nun entschieden afrodeutsche Sounds verteidigte und ihm als Opfer einer woken Cancel Culture beisprang. Als könnte sich die Musik mit ihrer kompliziert postkolonialen und popkulturellen Aneignungsgeschichte nicht selbst wehren.

Lesen Sie auch

„Love Songs“ ist das Album, mit dem Peter Fox die eine Seite, die sich von allem bedroht fühlt, was die andere, die sogenannte woke Seite sagt und tut, mit elf lässigen Liedern in die Schranken weist. „Ich wasch die Kriegsbemalung ab, das Wasser wird rot“, singt er in „Weiße Fahnen“, gleich nach „Gegengift“. Die andere Seite, die der Aneignungsankläger, bittet er um Nachsicht. Er, der ältere, rothaarige Mann, macht weiter afrikanische, karibische, globale Popmusik auf Deutsch und aus Berlin, auch wenn er heute vielleicht mehr darüber nachdenkt.

Anzeige

Er verlässt wieder das Haus und tanzt durch seine Stadt. In „Celebration“ stellt er fest: „Bin innen gut wie Winnetou.“ Sein Winnetou ist nicht der kriegerische Winnetou zwischen den Fronten im Kulturkampf, er ist einfach nur eine Figur wie Peter Fox als Sänger, einer von den Guten: „Alle malen schwarz, ich seh die Zukunft pink, wenn du mich fragst, wird alles gut, mein Kind.“

Es wird, sagt Pierre Baigorry, zugleich sein letztes Album sein als Peter Fox.

An dieser Stelle finden Sie Inhalte von Drittanbietern
Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema

Themen