Jafar Panahi ist raus aus dem Iran. Das ist – einerseits – die Nachricht, auf die die Filmwelt lange gewartet hat. Im Jahr 2009 war er nach einer Gedenkveranstaltung für Neda Agha-Soltan verhaftet worden (Agha-Soltan war eine Studentin, die wie Mahsa Amini durch staatliche Einwirkung zu Tode kam). Im Jahr darauf wurde er wegen „Propaganda gegen das System“ zu sechs Jahren Gefängnis und zwanzig Jahren Berufsverbot verurteilt, seinen Pass zog man ein. Die Berlinale lud ihn als Mitglied in ihre Jury, Panahi durfte nicht ausreisen, sein Stuhl blieb leer.
Die folgenden zehn Jahre verbrachte Panahi in ständiger Schwebe: Er musste seine Haft nicht antreten und drehte, mehr oder minder klandestin, neue Filme, die außer Landes geschmuggelt und bei Festivals ausgezeichnet wurden, zuletzt „No Bears“ mit dem Spezialpreis der Jury in Venedig. Dann, im Sommer vergangenen Jahres, wurde Panahi doch verhaftet, um seine schon verjährte Strafe zu verbüßen. Als er dagegen mit einem Hungerstreik protestierte, kam er im Februar auf Kaution frei.
Nun also, auf dem Instagram-Konto seiner Frau, ein Foto von den beiden mit Gepäckwagen und Koffern, aufgenommen auf einem offenbar nicht-iranischen Flughafen. Tahereh Saeedi schreibt dazu: „Nach 14 Jahren wurde Jafars Reiseverbot aufgehoben, und endlich können wir ein paar Tage zusammen reisen.“ Eine iranische Quelle bestätigte, dass Panahi seinen Pass zurückbekommen habe: „Er und seine Frau haben den Iran für eine einwöchige Reise verlassen und werden danach nach Teheran zurückkehren.“
Bleibt die Frage – und hier kommt das Andererseits – was der Vorgang zu bedeuten hat. „No Bears“ zeigt Panahi des Nachts an der unbewachten Grenze zur Türkei, ein paar Schritte und er hätte das Land verlassen können. Es geht ihm aber nicht um Exil, es geht ihm darum, in seiner Heimat arbeiten zu können. Insofern ist diese „offizielle Ausreise“ wichtig. Sie ist ein Erfolg seiner Standhaftigkeit und der internationalen Proteste. Sie kann auch ein Deeskalations-Signal der Teheraner Regierung sein.
Und wir sollten an Wolf Biermann denken, der 1976 für ein Konzert in Köln die DDR verlassen konnte – und nie mehr zurück durfte.