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Elbphilharmonie

Game of Drones

Autorenprofilbild von Stefan Grund
Von Stefan GrundRedakteur
Veröffentlicht am 29.04.2022Lesedauer: 4 Minuten
»Breaking Waves - Elbphilharmonie
"Breaking Waves" - Das Künstlerduo Drift lässt Drohnen um die Elbphilharmonie tanzenQuelle: Bertold Fabricius/PRESSEBILD.DE

Genesis-Festspiele: Zur Eröffnung des Internationalen Musikfests Hamburg gelingt die Neuschöpfung von Haydns „Schöpfung“ durch das NDR Elbphilharmonie Orchester unter Leitung von Alan Gilbert. Im Anschluss verzaubert vor der Fassade die Lichtperformance „Breaking Waves“ – die für Freitag abgesagt werden musste.

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Erst große Kunst im Saal, dann große Kunst um das Gebäude herum. Die Eröffnung des Internationalen Musikfests in Hamburg am Donnerstagabend sprengte den aus diesem Anlass üblichen Rahmen, denn das Drohnenballett „Breaking Waves“ vom niederländischen Künstlerduo Drift sollte ursprünglich zum fünften Geburtstag der Elbphilharmonie am 11. Januar seine Uraufführung erleben. Geplant war der Tanz der 300 beleuchteten Drohnen zur Live-Darbietung des Klavierkonzertes von Thomas Adès. Doch er musste wegen der Pandemie verschoben werden und fand nun zu einer Aufzeichnung des Jubiläumskonzertes statt, als Livestream auf dem Smartphone abrufbar.

Leuchtende Drohnen synchronisieren die Wellen von Elbphilharmonie, zeitgenössischer Klassik und Elbe

Dem so bewegten wie bewegenden Kunstwerk gelang, was die beiden Drift-Künstler, Lonneke Gordijn und Ralph Nauta, intendiert hatten: Sieben Minuten voller fließender Wellenbewegungen, die einen Resonanzraum zur Architektur des Gebäudes schufen, sowie zum zweiten Satz des Konzertes von Thomas Adés, stellvertretend für das musikalische Herz, das in der Elbphilharmonie pulsiert – und zu den Wellen der Elbe, die das Gebäude umströmen. Die Synchronisation all dieser Wellenbewegungen zu einem gemeinsamen Erlebnis für die Zuschauer und Zuhörer überall im Hafen, mit Schwerpunkt an den Landungsbrücken und auf dem Musical-Boulevard vor dem „König der Löwen“, gelang.

»Breaking Waves - Elbphilharmonie
"Breaking Waves" - Das Künstlerduo Drift lässt Drohnen um die Elbphilharmonie tanzenQuelle: Bertold Fabricius/PRESSEBILD.DE

Viele Betrachter verfolgten das Geschehen auch bei einer Bootspartie von Bord einer Barkasse oder anderen Schiffen aus. Die Polizei sperrte die Elbe etwa zehn Minuten lang für den Schiffsverkehr, denn die 300 Drohnen flogen die Elbphilharmonie vom Südufer aus an. Bei der Generalprobe am Vortag ging einiges schief – unter anderem stürzten zehn Drohnen ab – sodass Generalintendant Christoph Lieben-Seutter der Uraufführung gelassen entgegenblickte. Das seit zwei Jahren vorbereitete Projekt im Wert von 800.000 Euro gelang. Finanziert wurde es von Mäzenen (eine halbe Million Euro) und der Kulturbehörde (300.000 Euro).

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Filigrane Ästhetik der Lichtperformance schlägt die Brücke zwischen Kultur und Natur

Die Schwingungen von Adès Musik inspirierten den Tanz der Drohnen. Als feines Game of Drones, Spiel der Drohnen, vermaßen sie in geordneten Formationen vorwiegend auf der südlichen Flanke und vor der Westspitze die Ausmaße der Elbphilharmonie und ihre Formen. Dabei nahmen sie Impulse scheinbar von der Wasseroberfläche auf, hoben sich außen neben dem Gebäude empor und stiegen immer wieder über die Dachhöhe hinaus. Die wechselnde Beleuchtung immer neuer Konstellationen in den Farben weiß, rot und blau waren dabei ein entscheidender Faktor für die Gestaltung der Schwingungen. Denn Drift geht es um die Darstellung der perfekt geschaffenen Natur mit High-Tech-Ausdrucksmitteln. Die Reflektion der Choreografien in der Glasfassade verstärkte den Eindruck einer Welle, die das Gebäude schließlich in einer Drohnengischt übersteigt.

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»Breaking Waves - Elbphilharmonie
"Breaking Waves" - Das Künstlerduo Drift lässt Drohnen um die Elbphilharmonie tanzenQuelle: Bertold Fabricius/PRESSEBILD.DE

Dabei betonen die Künstler in ihrer Arbeit die filigrane Struktur des Lebens und legen neben der Ästhetik Wert auf die Funktionalität. Bewegliche Lichtinstallationen von Drift sind aktuell in Hamburg noch gut eine Woche lang unter dem Titel „Moments of Connection“ im Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen. Museumsdirektorin Tulga Beyerle empfahl dem Elbphilharmonie-Intendanten Lieben-Seutter das Künstlerduo für die Jubiläumsinstallation. Diese erinnerte nun gar nicht an die vergleichsweise plumpe Lasershow zur Eröffnung 2017 oder gar an die sonst am Hafenrand üblichen Feuerwerke. Diesmal ging es nicht um das Grelle und Laute, sondern um das Erhellende, Einfühlsame.

„Die Schöpfung“ von Joseph Haydn lässt in der Neuschöpfung durch Gilbert keine Wünsche offen

Vor der Genesis der Bildenden Kunst ließ das Musikfest-Auftaktkonzert von NDR Elbphilharmonie Orchester, NDR Vokalensemble und WDR Rundfunkchor unter Leitung von Alan Gilbert keine Wünsche offen. Das Oratorium „Die Schöpfung“ von Joseph Haydn wurde auch durch die Solisten zu einem unsterblichen Kunstmoment. Die mit einem so wohl- wie volltönend warm klingenden Sopran gesegnete Christina Landshamer glänzte allein und im Duett mit dem Ausnahme-Bariton Benjamin Appl, der über eine unglaubliche Klarheit in Sprache und Gesang verfügt. Wie der überzeugende Tenor Benjamin Hulett, den dritten Sänger im Bunde, verfügt er zudem über eine schauspielerische Ader. Allen gelang es, ihre Hörer direkt zu berühren.

Das NDR Elbphilharmonieorchester, das NDR Vokalensemble, der WDR Rundfunkchor und die Solisten
Das NDR Elbphilharmonieorchester, das NDR Vokalensemble, der WDR Rundfunkchor und die SolistenQuelle: Daniel Dittus

Das Werk Haydns erstrahlte in dieser Neuschöpfung durch das Residenzorchester der Elbphilharmonie, das die Akustik des Saales mittlerweile komplett verinnerlicht hat und punktgenau bedient. Da wird der leiseste Ton so ausgereizt, wie jede Übersteuerung vermieden. Gilbert nimmt die Musiker des Orchesters an die Hand und mit in seine Haydn-Klangwelt, die jede Nuance des Komponisten stark herausarbeitet. Auch der vereinte Chor der Rundfunkanstalten war eine Wonne, die Abstimmung mit dem Orchester war exzellent, da ging nichts verloren, da versuchte niemand, dem anderen die Schau zu stehlen. So kam „Die Schöpfung“ in ihrer ganzen Wucht zur Geltung – samt der lautmalerischen Elemente Genesis eins und zwei.

Am Freitagabend musste die Aktion „Breaking „waves“ abgesagt werden, weil bei den vorherigen Aufführungen Fremddrohnen mitflogen, die für Abstürze sorgten. Die Luftsicherheitsbehörden untersagten daraufhin eine weitere Aufführung.