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Pheline Roggan

Sie will Filme grün machen

Von Britta Schmeis
Veröffentlicht am 28.04.2022Lesedauer: 5 Minuten
Schauspielerin Pheline Roggan im Hamburger Schanzenviertel
Schauspielerin Pheline Roggan im Hamburger SchanzenviertelQuelle: Bertold Fabricius

Pheline Roggan ist für ihre Rolle in der Comedy-Serie „Jerks“ bekannt. Weniger dagegen als Klimaaktivistin. Doch die von ihr mitinitiierte Selbstverpflichtung haben bereits mehr als 600 Filmschaffende unterzeichnet. Dabei geht es um mehr als Catering und Klamotten.

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Pheline Roggan ist genervt, oder vielmehr empört. Ihr Fahrrad ist weg, geklaut und mit ihm der für die Einkäufe so praktische Kindersitz. Dieses Fahrrad war nicht neu oder sonderlich teuer, aber es bedeutete für sie Lebensqualität für die kurzen Wege in der Schanze, wo sie mit Freund und Tochter wohnt. Ein Gefährt als Ausdruck ihrer Lebenseinstellung.

Die 40-Jährige, bekannt etwa aus der Serie „Jerks“, will bewusst leben – im Kleinen wie im Großen. „Ich fahre so häufig wie möglich Bahn und fliege nur, wenn es sich absolut nicht vermeiden lässt, kaufe viel Secondhand-Kleidung, etwa von den Produktionsfirmen nach den Drehs und ich versuche größtenteils regionale, saisonale Bio-Lebensmittel zu essen“, sagt die Schauspielerin.

Fahrrad, Biosachen und Secondhand – so weit, so wenig ungewöhnlich für eine moderne Großstadtfrau. Doch Pheline Roggan bezeichnet sich als Klimagerechtigkeitsaktivistin, irgendwann waren ihr die kleinen Anpassungen im Alltag nicht mehr genug. „Wenn Deutschland klimaneutral werden will, muss in allen Bereichen dringend etwas geschehen“, sagt sie. Also überlegte sie mit Kolleginnen und Kollegen, wie sie auch ihr Branche umkrempeln könnte.

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Auf der Berlinale 2020 hatte Roggan zusammen mit ihren Kollegen Moritz Vierboom und Miriam Stein sowie der Regisseurin Laura Fischer eine Diskussion zum Thema „Grünes Drehen“ veranstaltet, um sich mit der Branche darüber auszutauschen, wie der gesamte Produktionsprozess nachhaltiger gestaltet werden kann. Dabei schlugen ihr auch Vorurteile entgegen, sie kennt die Vorbehalte über das Filmgeschäft. „Es heißt immer, Schauspielerinnen und Schauspieler bestehen bei den Drehs auf persönlichen Luxus. Das aber stimmt überhaupt nicht“, sagt sie entschieden. Und auch andere Gewerke wie etwa das Licht bestünden nicht immer auf Fleisch beim Catering, sagt Roggan, wie es ebenfalls immer heiße.

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Also beschloss sie gemeinsam mit Vierboom, Stein und Fischer eine Initiative für die Selbstverpflichtung zu mehr Klimaschutz am Set ins Leben zu rufen, im engen Austausch mit existierenden Initiativen wie dem „Grünen Drehpass“ der MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein. ChangeMakers.film heißt diese Initiative und die Liste der Selbstverpflichtung reicht von umweltschonenden Transportmitteln (mehr Bahnfahren statt Flugreisen), über Naturkosmetik, Catering und Müllvermeidung bis hin zum Storytelling.

„Wir Schauspielerinnen müssen nicht in jeder Szene ein neues Outfit tragen. Das ist nicht nur unrealistisch, sondern vermittelt auch ein falsches Bild“, sagt Roggan. Als starkes Medium habe der Film die Chance, umweltbewusstes Leben zu vermitteln. Green Storytelling heißt das im Fachjargon. Mehr als 600 Filmschaffende, darunter der Schauspieler Bjarne Mädel, der Regisseur und Produzent Lars Jessen, Katja Riemann und Jella Haase, haben die Selbstverpflichtung bereits unterschrieben.

Die Idee: Klimaschutz muss strukturell angegangen werden, auch wenn jeder Einzelne durchaus geliebte Gewohnheiten aufgeben muss. „Klar, wenn man nach einem langen Drehtag plötzlich in die U-Bahn steigen soll, anstatt mit dem Taxi zu fahren, ist das schon erst mal ungewohnt und auch nicht so bequem. Aber wenn wir nicht endlich anfangen konsequent zu handeln, wird es für uns alle noch viel ungemütlicher“, sagt sie.

Neben dem Kampf für einen klimafreundlicheren Film spielt Roggan natürlich auch, gerade steht sie für die fünfte Staffel der Pro7-Serie „Jerks“ vor der Kamera. In der Impro-Comedy von Christian Ulmen spielt Roggan die Freundin von Fahri Yardim, mit dem sie einst in einer WG zusammenwohnte. Es geht um extrem peinliche Alltagssituationen zweier Paare in Potsdam.

„In der Serie heißen unsere Figuren ja tatsächlich wie wir selbst, aber natürlich sind es nicht unsere Geschichten“, sagt Roggan. Allerdings forderten ihr die Dreharbeiten immer wieder alles ab. „Ich muss meine Hemmungen jedes Mal wieder neu abbauen und mich zwingen, die peinlichen Situationen nicht zu harmonisieren, sondern auszuhalten und sie lieber noch zu verschärfen.“

Als größte Herausforderung bezeichnet Roggan, die während ihrer Schulzeit am Helene-Lange-Gymnasium zu modeln begann, daran aber schnell die Lust verlor, ihre Rolle in dem Einpersonenstück „Das kunstseidene Mädchen“ an den Hamburger Kammerspielen. Sie erinnert sich an die Zeit davor: „Das war eine Wahnsinns-Arbeit und vor der Premiere hatte ich wahnsinnige Angst. Aber je größer die Angst umso besser kann es werden.“

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Roggan ließ sich 2001 bis 2004 an der Hamburger Schule für Schauspiel ausbilden, noch ohne das konkrete Ziel vor Augen, Schauspielerin zu werden. „Eine Freundin hatte sich damals beworben, also habe ich das auch gemacht“, erinnert sie sich. Bereits 2004 spielte sie eine Punkerin in „Kebab Connection“ nach einem Drehbuch von Fatih Akin. In dessen „Soul Kitchen“ war sie 2009 zu sehen.

Es folgten zahlreiche Film- und Fernsehproduktionen sowie Theaterauftritte, darunter auch bei den Nibelungen-Festspielen in Worms. Im Kino war sie zuletzt als Kreuzfahrt-Pianistin in der Kunsträuber-Komödie „Das schwarze Quadrat“ zu sehen, im Fernsehen als gestrenge Lehrerin in „Moooment!“, einer Comedy-Serie auf Kika, in der es um Alltagsrassismus geht.

Roggan strahlt etwas Unzerstörbares, Unnahbares aus. Vielleicht liegt das an ihrer Physiognomie, an ihrem hellen Teint, dem strengen Blick, den sie aufsetzen kann. Dabei findet sie das „Zickige“ eher langweilig, wie sie sagt. Dann lieber schon richtig böse, so wie in der Märchenverfilmung von „Aschenputtel“, in der sie die Stiefschwester spielte. Das ist zwar schon mehr als zehn Jahre her, das Image hängt ihr aber bis heute an, zumindest bei den Freundinnen ihrer fünfjährigen Tochter. Die zeigen auf dem Spielplatz schon mal auf sie und rufen: „Das ist doch die Böse aus Aschenputtel.“