Favoriten der Woche:Es gibt Wärmepumpen auch in schön

Favoriten der Woche: Sieht nicht toll aus, aber immerhin auch nicht scheußlich: eine verkleidete Wärmepumpe.

Sieht nicht toll aus, aber immerhin auch nicht scheußlich: eine verkleidete Wärmepumpe.

(Foto: CAV Climatic Art Vision)

Endlich setzen sich Verkleidungen für die neuen Problemzonen deutscher Einfamilienhäuser durch: Diese und weitere Empfehlungen der Woche aus der SZ-Kulturredaktion.

Von SZ-Autorinnen und -Autoren

Design: Wärmepumpen-Versteck

Sigrid Amling ist als Geschäftsführerin der Firma CAV (Climatic Art Vision) eine Klimawandelgewinnerin. Was ihr zu gönnen ist. Der Umwelt aber auch. Denn das erst 2019 gegründete Unternehmen bietet Verkleidungen für Klimaanlagen und Wärmepumpen an. Gut so. In Deutschland gibt es 16 Millionen Einfamilienhäuser. Die jetzt nach und nach mit Wärmepumpen ausgerüstet werden. Was zum Problem führt, dass die Wärmepumpe, sie mag ökologisch unter Umständen zu begrüßen sein, meistens kongenial zu Klofenster, Restmülltonne und dem Schild "Hier wird abgeschleppt!" passt. Womit deutsche Häuser halt gern ihre Besucher begrüßen. Die Wärmepumpe, groß wie ein halbes Kleinauto, wird daher zunehmend zur weiteren Problemzone - neben dem Photovoltaikverhau auf dem Dach. Wärmepumpen zu verkleiden: Es ist ein Akt der Barmherzigkeit. Gerhard Matzig

Serie: Slow Horses

Favoriten der Woche: So stellt sich kein Mensch einen Agenten vor.

So stellt sich kein Mensch einen Agenten vor.

(Foto: Apple TV+)

Treffen sich zwei Spione beim Asiaten, der Jungagent River Cartwright und sein Chef Jason Lamb, der beschäftigt ist mit einem Nudelgericht. Nach kurzer Zeit wechselt der Junge vom Platz gegenüber auf den neben seinem Mentor - und wer die erste Staffel der Apple-Serie "Slow Horses" gesehen hat, weiß warum: nicht weil hochgeheime Sachen zu besprechen sind, sondern weil River es einfach nicht mehr aushält, Lamb beim Essen zuzuschauen, dessen Schlürfen und Schmatzen.

Jackson Lamb ist eine grausige Eminenz des britischen MI5, er war mal ein Topagent, nun ist er ein schmuddeliges, unförmiges Wesen, das die bizarre Abteilung Slough House leitet - eine Abstellkammer für junge Versager im Dienst. Die irgendwann Mist gebaut haben und von den richtigen Agenten verachtet werden, dennoch weiter auf ein Comeback hoffen. Lamb - er streift in seinem düsteren Büro als Erstes die Latschen von den Füßen und holt die Flasche hervor - verwendet seine Arbeitszeit vor allem darauf, die jungen Leute zu schikanieren, die ihm anvertraut sind. Ein Kindergarten, in dem der Kindergärtner der schlimmste Kindskopf ist.

Die Romane von Mick Herron um die "lahmen Gäule" im Slough House sind auch auf Deutsch Bestseller. In der zweiten Apple-Staffel (sechs Folgen, Regie Jeremy Lovering), die nach dem Roman "Dead Lions" entstand, tritt Lamb persönlich stark in Aktion, und er hat immer noch viele Tricks auf Lager, wenn es um Beschattung, Befragung, Kombinieren geht - er wird verkörpert von Gary Oldman, den immer noch die respektable Agenten-Aura umgibt, die er als George Smiley in der Le-Carré-Verfilmung "Dame, König, As, Spion" hatte. "Soho hat sich verändert", murmelt er, als er Aufnahmen einer Überwachungskamera aus dem Viertel sieht, "wo sind all die Huren und Junkies ..."

In der neuen Staffel geht es um russischen Oligarchen und Überläufer, um Energieversorgung und Diamanten, aber auch um sehr persönliche Rachegefühle aus dem Kalten Krieg. Die Kids sind Feuer und Flamme, überadaptiert, sie wollen (sich) beweisen, dass sie ganze Arbeit leisten können. Agentenarbeit als eine vertrackte lebensgroße Schachpartie - deshalb wird auch die irre "unsterbliche Partie" zwischen Kieseritzky gegen Anderssen groß gefeiert. Man fühlt sich wohl im Kreis dieser Versager, dieser Underdogs, all der losers & misfits & boozers, die Mick Jagger im Titelsong feiert ...

Bisher sind vier Folgen zu sehen, am vorletzten Tag dieses Jahres wird die Serie zu Ende gehen. Fritz Göttler

Klangkunst: Radio Art Zone

Favoriten der Woche: Das Projekt "Radio Art Zone" dokumentiert den Soundtrack des Kulturhauptstadtjahrs in Luxemburg.

Das Projekt "Radio Art Zone" dokumentiert den Soundtrack des Kulturhauptstadtjahrs in Luxemburg.

(Foto: Radio Art Zone)

Im Kontext des voluminösen Audio-Projekts Radio Art Zone ist der Name dieser Equipe ein subtiler Witz: "60 Secondes Radio". Der Auftrag war nämlich nicht, eine Minute Radio zu machen. Sondern 22 Stunden. Und ein solcher Auftrag erging an 99 weitere Künstler und Kompanien. Kuratiert haben die Radio Art Zone Sarah Washington und Knut Aufermann, sie gehörte zum Programm des Kulturhauptstadtjahres in Esch/Luxemburg: An hundert Tagen beinahe rund um die Uhr Klangkunst, gesendet übers lokale Radio ARA und als Livestream. Nun sind diese Radiokunstprojekte dauerhaft auf der Plattform radioart.zone zugänglich. Manches aus diesem Who is who der Szene ist kontemplativ, anderes verstörend. Field Recordings stehen neben Elektrokompositionen. Mittendrin inszeniert das 60 Secondes Radio eine Abfolge von 1320 Countdowns und feiert Mariola Brillowska einen Tag lang eine wilde polnische Hochzeit. Stefan Fischer

Comic: Wo ist Anne Frank

Favoriten der Woche: Ari Folman, Lena Guberman: "Wo ist Anne Frank - Eine Graphic Novel", S.Fischer, 22 Euro

Ari Folman, Lena Guberman: "Wo ist Anne Frank - Eine Graphic Novel", S.Fischer, 22 Euro

(Foto: S.Fischer Verlag)

Anne Frank hat die Einträge in ihrem berühmten Tagebuch an eine Fantasiefreundin namens Kitty adressiert. Im Comic "Wo ist Anne Frank" (S. Fischer) wird Kitty zum Leben erweckt vom israelischen Regisseur Ari Folman ("Waltz with Bashir"), der 2017 schon "Das Tagebuch der Anne Frank" als Comic adaptiert hat. Im Folgeband steigt Kitty blauäugig, rothaarig und so temperamentvoll wie ihre Schöpferin aus der Tinte des Tagebuchs auf - für eine grafische Erzählung (Illustration: Lena Gruberman) eine tolle Idee. Im Amsterdam unserer Gegenwart sucht Kitty nach ihrer Freundin Anne, wird als Diebin des Tagebuchs verfolgt und freundet sich mit dem Flüchtlingsjungen Peter an. Action- und Love-Story-Elemente, dazu gefällige Zeichnungen erleichtern jüngeren Lesern den Zugang zur Geschichte, die durch die Verknüpfung mit der Geflüchtetenthematik zudem überzeugend ins Heute geholt wird (für Leser ab 10, der ebenfalls von Folman inszenierte gleichnamige Film läuft von Februar an im Kino). Martina Knoben

Klassik: Andrè Schuen

Favoriten der Woche: André Schuens neues Album mit Liedern von Franz Schubert.

André Schuens neues Album mit Liedern von Franz Schubert.

(Foto: Deutsche Grammophon)

Derzeit kann man den Bariton Andrè Schuen in der Münchner Neuproduktion von Richard Wagners "Lohengrin" erleben und nun auch in einem neuen Album mit Liedern von Franz Schubert. Klingt nicht sehr aufregend, ist es aber. Nicht nur, weil sich der 27-jährige Schuen derzeit auf dem Höhepunkt seines enormen Könnens bewegt, sondern weil er, anders als andere große Baritone, in Oper und Lied gleichermaßen überzeugt und meist darüber hinaus sehr begeistert. Im "Lohengrin" erhebt er die Rolle des Heerrufers allein musikalisch vom königlichen Adlatus zur staatstragenden Position, und in Franz Schuberts Liederzyklus "Schwanengesang" (DG) zeigt er auf vielerlei Art, warum man sich als Sänger wie als Hörer mit dem Wiener Klassiker an der Schwelle zur Romantik noch mal ganz neu einhören kann und sollte. Schuen verfügt über einen weichen Schmelz, bisweilen fast so klangintensiv wie bei seinem Kollegen Bo Skovhus, behält dabei immer einen deutlich strukturieren stimmlichen Kern, der nicht nur einen leichten Wiedererkennungswert hat, sondern eine Grundstabilität, die sich sofort auf den Hörer überträgt. Diese Sicherheit erlaubt Freiheiten in der Gestaltung, die den Hörer nicht verunsichern. Man empfindet jeden Stimmungsumschwung im Detail immer als Bereicherung, als freudige Überraschung, nie als verschreckende Nervosität. Und während sich Schuen früher oft ein wenig auf diesen klangstrukturierenden Kern versteifte, wirkt er neuerdings so gelöst wie nie. Alles scheint ihm zuzufliegen, und ebenso auch dem Hörer, der sich recht unangestrengt, fast schon unkonzentriert und gedankenlos in die kleinen Dramen aus den Gedichten von Ludwig Rellstab, Johann Gabriel Seidl und Heinrich Heine hineinziehen lassen kann. Schubert und Schuen sind sich darin einig, dass die musikdramatischen Mittel dabei sehr sparsam und zielgerichtet, also sehr effektiv eingesetzt werden müssen, um eher unterschwellig psychologisch zu wirken als zu sehr mit naheliegenden, ohnehin aufkommenden Emotionen und plakativer Textausdeutung aufgeladen. Helmut Mauró

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