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Benin-Bronzen auf dem Weg nach Nigeria

Julia Hitz
15. Dezember 2022

Die ersten Benin-Bronzen wurden in Deutschland für den Rücktransport nach Nigeria freigegeben. Nach über 100 Jahren des Abwiegelns der Europäer bekommt Nigeria die wertvollen historischen Kulturgüter zurück.

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Eine Frau in der Mitte steht neben zwei Männern. Sie alle lächeln, der rechte Mann hält einen bronzenen Schlüssel in der Hand.
Freudige Übergabe eines Objektes der Benin-Bronzen im Rautenstrauch-Joest-Museum in KölnBild: Julia Hinz/DW

Einst sangen die Beatles einen Song über Widersprüche. "Hello, Goodbye" liest sich ein bisschen wie die leidvolle Geschichte der Restitution: "Einer sagt Ja, einer sagt Nein. Sagst du Ja, sage ich Nein." 

Einen Beatles-Song werden der Generaldirektor der "National Commission for Museums and Monuments" Nigerias, Abba Isa Tijani Abba Isa Tijani und Yusuf Maitama Tuggar, Nigerias Botschafter in Deutschland, wohl kaum gesummt haben auf ihrer Reise durch Deutschland, um die ersten Benin-Bronzen abzuholen. Doch die unbändige Freude und der Stolz der beiden ist spürbar. Es ist ein historischer Moment: Das geraubte Kulturgut war im Juni 2022 - nach über 100 Jahren - wieder in nigerianisches Eigentum übertragen worden. Nun kehren die ersten Bronzen nach Nigeria zurück.

Benin-Bronzen: Ikonen afrikanischer Kunst

Es sind über 1130 Objekte, die in deutschen ethnologischen Museen lagerten oder gezeigt wurden und die nun wieder im Besitz von Nigeria sind: Stolze Kulturgüter, kunstvoll gefertigte Skulpturen und Reliefs aus Bronze und Messing sowie Arbeiten aus Elfenbein, Koralle und Holz. 

In Vitrinen stehen einige Artefakte, die zu den Benin-Bronzen gehören.
Letzte Ausstellung der Benin-Bronzen im Kölner Rautenstrauch-Joest-MuseumBild: Fadi Elias

Sie schmückten seit dem 16. Jahrhundert den großen Herrscherpalast des damaligen Königreichs Benin. 1897 eroberte eine britische Expedition mit brutalen Mitteln das Königreich, brannte den Palast nieder und zerstörte Benin City (im Südwesten des heutigen Nigerias) fast vollständig. Die Kunstwerke wurden geraubt und über Auktionen in London nach ganz Europa verkauft, über 5000 Stück insgesamt. Deutsche Institutionen erwarben die weltweit zweitgrößte Sammlung.

Zähes Ringen um Restitution kolonialer Raubkunst

Es war ein weiter Weg von der Kolonialzeit über die Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonien bis zum heutigen Diskurs, in dem immer mehr Stimmen eine Beziehung auf Augenhöhe fordern. Die ungleichen Strukturen, die in der Kolonialzeit tief in Institutionen und Staatswesen eingeschrieben wurden, haben sich auch in der Kulturpolitik lange fortgeschrieben.

Emmanuel Macron (r.) und Patrice Talon stehen in Anzügen nebeneinander und lächeln in die Kamera.
Emmanuel Macron (r.) mit Benins Präsident Patrice Talon (l.) im November 2021: Frankreich restituierte damals 26 Kunstobjekte an BeninBild: Bertrand Guay/AFP/Getty Images

Nach dem bahnbrechenden Bericht des senegalesischen Sozialwissenschaftlers Felwine Sarr und der französischen Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy 2018 setzte sich der französische Präsident Emmanuel Macron an die Spitze der Restitutionswilligen. Mittlerweile haben einige, wie zum Beispiel Belgien, aufgeholt und auch Deutschland hat in Sachen Restitution inzwischen von der Bremse aufs Gaspedal gewechselt. 

Fünf deutsche Museen beginnen mit der Rückgabe der Benin-Bronzen  

Die großen ethnologischen Institutionen in Stuttgart, Köln und Hamburg sind die Stationen von Tijani und Tuggar in diesen Tagen: das Linden-Museum, das Rautenstrauch-Joest-Museum und das Hamburger Museum für Kulturen und Künste der Welt. Aus allen drei Häusern treten nun Objekte die Reise zurück nach Nigeria an. Tijani und Tuggar unterzeichnen mit den Kommunen die Verträge, damit die Objekte Europa verlassen können.

Von den 92 Bronzen des Rautenstrauch-Joest-Museum bleiben 89 vorerst als Leihgaben in Köln, 2023 sollen weitere 52 Objekte zurückgeführt werden. Drei Objekte treten nun direkt die Reise nach Nigeria an: ein Schlüssel, ein Thron und eine Büste. "Diese Objekte sind symbolisch, sie repräsentieren das Königreich Benin und die Autorität des Oba (so lautet der Titel der Könige von Benin, Anm. d. Red.)", erläutert Prof. Abba Isa Tijani im Gespräch mit der DW. Für die Rückführung weiterer Objekte werden zur Zeit neue Orte für die Aufbewahrung und Präsentation gebaut, so Tijani.

Blick auf eine Benin-Bronze in einem Ausstellungsraum - Büste eines geschmückten Kopfes und beringten Halses
Benin-Bronze kehrt jetzt aus Köln nach Nigeria zurückBild: Julia Hinz/DW

Auch das Ethnologische Museum in Berlin und die Völkerkundemuseen in Leipzig und Dresden restituieren ihre Bronzen. 15 Museen mit kleineren Beständen werden folgen.

Zur Ankunft der Bronzen gibt es ein Fest in Benin City

Die Ankunft der ersten Bronzen wird in Nigeria groß gefeiert werden, sagt Abba Isa Tijani. Es werde auf jeden Fall öffentliche Zeremonien geben. Im ersten Quartal 2023 ist dann eine große Museumsausstellung mit den Bronzen geplant. "Wir wollen allen Nigerianern die Möglichkeit geben, ins Museum zu gehen, die Objekte zu sehen und zu feiern, dass sie nun zurückgekehrt sind." Hier gehe es nicht einfach um Kunstobjekte: "Das ist ein Stück Geschichte, das zurückkehrt." Tijani hat diesen Prozess über Jahre begleitet, maßgeblich gestaltet. "Es ist ein wirklich großer Moment für mich, voller Emotionen", sagt Tijani.

Dekolonialisieren: nicht nur Museen, auch Beziehungen

"Die Büchse der Pandora ist jetzt auf", sagt Nanette Snoep, Anthropologin und Direktorin des Rautenstrauch-Joest-Museum. "Das ist ein neues Kapitel für diese Museen und auch ein neues Kapitel für internationale Museumskooperationen." Die niederländische Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin hat sich seit langem zur Restitution bekannt. "Wir stehen nun am Anfang einer neuen Geschichte." Der Weg sei noch weit, die Eigentumsrechte der Benin-Bronzen seien nur der Beginn eines Prozesses, der noch viele Hürden habe - etwa wenn die Eigentumsverhältnisse nicht so gut dokumentiert sind wie bei den Bronzen.

"Wir müssen sehr aufpassen, dass die Rückgabeverhandlungen nicht wieder kolonisiert werden", mahnt Snoep. "Dekolonialisierungsprozesse sind nicht einfach. Das tut weh. Das bedeutet auch, Privilegien abzugeben."

Dass der Schmerz des Abgebens nicht unbedingt ein Schmerz des Verlustes sein muss, betont Abba Isa Tijani. "Viele Objekte bleiben als Leihgaben, als Botschafter unserer Kultur hier. Wir sehen wunderbare Möglichkeiten für zukünftige Kooperationen."