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  3. Taylor Swift bricht alle Rekorde der US-Charts: Mit „Midnights“ durch die dunkle Zeit

Meinung Taylor Swift

Der passende Soundtrack, um durch den Herbst Richtung Winter zu schaukeln

Sie ist die einflussreichste Sängerin der Welt Sie ist die einflussreichste Sängerin der Welt
Sie ist die einflussreichste Sängerin der Welt
Quelle: Universal Music
Taylor Swift bricht mit ihrem neuen Album einen Rekord nach dem anderen. Erstmals belegt eine Künstlerin die ersten zehn Plätze der US-Charts gleichzeitig. Dass ausgerechnet die Songs von „Midnights“ so erfolgreich sind, liegt an einer besonderen Mischung.

Wenn Taylor Swift ein neues Album rausbringt, ist der Erfolg sicher. Auf den MTV-Awards der letzten Jahre räumte die Künstlerin so gut wie jedes Mal Preise ab. Dieses Jahr gleich drei für ihre Musikvideos. Seitdem ihr Album „Midnights“ zu streamen ist, bricht auch dieses überall Rekorde. Es hatte am Tag nach der Veröffentlichung die höchsten Streaming-Zahlen auf Spotify jemals. Auch wurde es in der ersten Woche öfter gehört, als jedes andere Album zuvor. Die Strophe „It’s me/hi/I’m the problem/It’s me“ aus ihrem Song „Anti-Hero“ ist bereits ein TikTok-Trend und nun dominiert Swift die ersten zehn Plätze in den „Top 100“ in den USA. Was macht die 32-Jährige auf diesem Album richtig, dass ihr die Massen zu Füßen liegen?

Swift hat zwei Versionen ihres Albums veröffentlicht. Die erste mit 13 Liedern und die zweite als 3am-Edition, mit weiteren Songs, die es nicht auf das „offizielle“ Album geschafft haben. Denn es ist ein Konzeptalbum, in dem es um 13 schlaflose Nächte geht. In der Vorankündigung war von den Schrecken der Nacht und verschwitzten Träumen die Rede. Von den Dämonen, die uns begegnen, wenn wir nicht schlafen können. Doch nach dieser Qual, diesem unbehaglichen Ringen hören sich die Lieder nicht an. Im Gegenteil. Taylor Swift klingt wie immer nach einer blumenwiesigen Kindheitserinnerung, in der man sich verstecken kann. Nur dass es diesmal eher Mohnblumen sind, aus denen Opiate dunsten. Der Sound ist zwar etwas gedämmter als sonst, doch erinnert immer noch an ein Märchen. Wie wenn sie sagt „triff mich um Mitternacht“. Dieses Heimelige, das dem Geist Raum für Eskapismus gibt und gleichzeitig mit verträumten Klängen und Beats à la Billie Eilish an die Gegenwart anknüpft, ist genau das, wonach wir uns gerade sehnen.

Und dann macht Taylor Swift den Einstieg in ihr Album auch noch sehr einfach: Die Sängerin ist eine Meisterin der Pop-Ohrwürmer und zieht den Hörer direkt rein. Es beginnt mit einem verschwommenen Sound in „Lavender Haze“. Lavendel, beruhigend wie Kamille oder Baldrian. Doch einschläfernd ist der Song nicht. Eher umschmeichelt es einen. Als würde man in einem Dampfbad tanzen. Ein Gefühl, das sich auch durch die weiteren Songs zieht. Bedrohlich, wie ein Alptraum wirken die Klänge weniger. Höchstens die Texte scheinen in ihrer Absurdität manchmal schaurig, wenn Swift etwa in „Anti-Hero“ singt:

„Sometimes I feel like everybody is a sexy baby / And I‘m a monster on the hill / Too big to hang out / Slowly lurching toward your favorite city / Pierced through the heart but never killed“

Auf Deutsch:

„Manchmal habe ich das Gefühl, jeder ist ein sexy Baby / Und ich bin ein Monster auf dem Hügel / Zu groß zum Abhängen / Langsam in Richtung deiner Lieblingsstadt taumelnd / Durch das Herz durchbohrt, aber nie getötet“

Passend zum Sound und der Schlafzimmer-Thematik tut sich Taylor Swift mit der Königin der melancholischen Klänge zusammen. Den Song „Snow on the Beach“ singt sie gemeinsam mit Lana Del Rey. Und so klingt er auch. Als würde man auf einer Luftmatratze in einer großen Badewanne treiben, gegen die sehr sanfte Wellen schlagen. Eingelullt treibt man weiter durch das ganze Album. Ein Sound, mit dem auch der erste der zusätzlichen Tracks beginnt. Der Anfang von „The Great War“ simmert ähnlich Opium-trunken im Ohr wie die Lieder der „Summertime-Sadness“-Sängerin. Doch im Pop-Refrain klingt es wieder nach Swift.

Swift wird persönlich

Einige Songs erinnern an die junge Taylor Swift. Die über Romeo und Julia und weiße Pferde gesungen hat. Etwa wenn sie im melodischen Stakkato Stichworte für Liebesgeschichten aneinanderreiht. In „Question…?“ singt sie: „Good Girl, Sad Boy, Big City, Wrong Choices.“

Taylor Swift ist eine gute Geschichtenerzählerin. Sie schreibt ihre Songtexte und die Drehbücher für ihre Musikvideos selbst. Das ist Teil ihres Erfolgs. Vor allem da es häufig ihre eigenen Geschichten sind, die ihr Liebesleben betreffen. Swifties wissen, so nennt sich ihre Gefolgschaft, dass sie in „Out of Style“ über ihren Ex-Freund Harry Styles singt. In „Midnights“ greift sie nun ein Kindheitstrauma auf, von dem sie schon auf der Bühne erzählte. Als sie klein war, wollte niemand mit ihr spielen. Sie fing an, Songs zu schreiben.

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In „Mastermind“ heißt es: „No one wanted to play with me as a little kid / So I’ve been scheming like a criminial eversince / To make them love me and make it seem effortless.“ Auf Deutsch: „Als kleines Kind wollte niemand mit mir spielen / Also habe ich seither wie ein Verbrecher intrigiert / Um sie dazu zu bringen, mich zu lieben, und es mühelos erscheinen zu lassen.“

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Diese Zugänglichkeit hat ihr Millionen Fans verschafft. Auf Twitter folgen ihr 91,6 Millionen Menschen. Die Reichweite und die Macht der Taylor Swift wurde spätestens in der Netflix-Dokumentation „Miss Americana“ deutlich. An einer Stelle ringt sie mit sich, ihrer Familie und ihrem Management, als sie einen Tweet gegen Donald Trump absetzt. Alle raten ihr davon ab, sie sei bis dahin noch nie politisch gewesen. Vielleicht auch das ein Grund, warum sich so viele auf sie einigen können. Doch sie twittert. Donald Trump, bis dahin auch ein Fan von ihr, gibt ein Pressestatement, dass er ihre Musik jetzt ein wenig weniger mögen würde.

Die 32-Jährige weiß, was sie tut. In „Midnights“ schimmert im Text immer wieder die „alte“ Taylor durch, die in ihrer „Girl-Next-Door“-Ästhetik Idol für Millionen TikTokender Jugendlicher ist. Gleichzeitig schafft sie durch den melancholischen Sound eine Verbindung zu allen Menschen, die sich in der Welt gerade etwas verloren fühlen. Durch das tröstlich Schummerige in ihren Songs reicht sie ihnen die Hand. Taylor Swift trifft zur richtigen Zeit den richtigen Ton. Es ist das passende Album, um durch den Herbst Richtung Winter zu schaukeln.

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