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Warum es Spaß macht, Thomas Mann auf Englisch zu lesen

Feuilletonredakteur
Thomas Mann (1875-1955) Thomas Mann (1875-1955)
Thomas Mann (1875-1955)
Quelle: Getty Images/Hulton Archive
Thomas Mann? In English please! Der Zauberer aus Lübeck ist einer der deutschen Autoren, die vielfach übersetzt werden. Das kann auch für deutsche Leser reizvoll sein. Denn einen klügeren literarischen Gesprächspartner als den jeweiligen Übersetzer findet man selten.

In der traditionsreichen Everyman’s Libary, die seit 1906 Klassiker der Weltliteratur auf Englisch zu erschwinglichen Preisen liefert – leider längst nicht mehr im handlichen Oktavformat –, sind deutschsprachige Autoren rar. Wenig überraschend ist Franz Kafka ein Spitzenreiter mit drei Büchern: „The Castle“, „The Trial“ und „Collected Stories“.

Kafka ist global ja auch bei Menschen, die nie etwas von ihm gelesen haben, als eine Art literarisches Meme so populär, dass sogar bei den „Simpsons“ auf ihn angespielt werden konnte – etwa mit dem „Café Kafka“, einem Studententreff, und einer Halloween-Folge in den gedruckten Comics namens „Metamorphosis“, in der sich Homer in einen Käfer verwandelte. Am Schluss stand das Wort „konec“ für „Ende“, weil die Autoren fälschlich davon ausgingen, dass Kafka auf Tschechisch schrieb.

Gleichrangig mit Kafka steht Thomas Mann auf Platz 1 – und keineswegs nur, wie manche andere deutschsprachige Autoren, mit nur noch antiquarisch erhältlichen Titeln. „Buddenbrooks“, „The Magic Mountain“ und „Doctor Faustus“ sind aktuell lieferbar. Mann ist zwar popkulturell nicht so präsent wie Kafka. Aber gerade das sehr deutsche Element in Manns Büchern hat Leser im Ausland immer wieder angezogen. Wer Mann liest, um Deutschland zu verstehen, wird nicht enttäuscht werden.

Manchmal kann sich das sogar auf Englisch lohnen. Ein passionierter deutscher Thomas-Mann-Leser, der sich in einem irrationalen Akt spontan die Everyman’s-Ausgabe von „Doctor Faustus“, übersetzt von H. T. Love-Porter, gekauft hat, wird reich belohnt. Wer den Roman mehrfach auf Deutsch gelesen hat, verspricht sich von der Übersetzung ein Erlebnis, das einem Gespräch mit einem Menschen, der Thomas Mann genauso kennt und liebt, ähnelt – und er wird belohnt.

Als erstes schlägt man natürlich die Stellen auf, in denen Adrian Leverkühns Professor Kumpf das Frühneuhochdeutsch Luthers imitiert, und den Brief über sein infektiöses Erlebnis mit einer Prostituierten, den Adrian an seinen Freund und Biografen Zeitblom schreibt, wobei er wiederum Kumpf parodiert. Es macht Spaß, zu lesen, wie Love-Porter diese Sätze in ein Renaissance-English übertragen hat: „I bade my guide draw to an ende by shewing me an inn where I could eat.“

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Übrigens gibt es eine untergründige Verbindung, die dazu führt, dass das Englisch der King-James-Bibel von 1611 und das der Luther-Bibel erstaunlich kompatibel sind. William Tyndale, der als Erster große Teile der Bibel ins Englische übersetzte, kam 1524 nach Wittenberg, um von Luther und Melanchthon zu lernen. Obwohl er natürlich Griechisch und wohl auch Hebräisch konnte, gibt es eindeutige Indizien, die belegen, dass er sich bei seiner Bibel-Übertragung stärker an Luthers deutscher Version orientierte als an den Originalen. Tyndale wurde zwar als Ketzer hingerichtet, aber seine Übersetzungen lagen später großen Teilen der King-James-Bibel zugrunde.

Wer Thomas Mann auf Englisch liest, geht auch diesen geheimen Pfaden der deutsch-englischen Sprach- und Übersetzungsgeschichte nach.

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