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Film Iris Knobloch

Eine deutsche Premiere in Cannes

Iris Knobloch Iris Knobloch
Neue Präsidentin der Filmfestspiele von Cannes: Iris Knobloch
Quelle: Julien Faure/Leextra via opale.photo/laif
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Das gab es noch nie: Das bedeutendste Filmfestival der Welt, Hochburg französischen Nationalstolzes, steht erstmals unter dem Vorsitz einer Nicht-Französin, der Deutschen Iris Knobloch. Ihren ersten Job – die Herablassung zu kontern – hat sie schon gemeistert.

Ein Filmfestival steht und fällt mit den Filmen, die es zeigt. Um legendär zu werden, braucht es aber einen symbolischen Überschuss, ein surplus, wie die Franzosen sagen. Zur Magie von Cannes gehören die 24 Treppenstufen hoch zum Festivalpalais. Berlin und Venedig begnügen sich mit der Horizontalen; an der Croisette führt der rote Teppich direkt in den Kinohimmel. Wer ihn emporsteigt, darf sich der Aufmerksamkeit der ganzen Filmwelt gewiss sein. Regisseure, Produzenten und Darsteller stehen im Blitzlichtgewitter Tausender Fotografen. Im Ritual der montée des marches kristallisieren sich Mythos und Wirklichkeit des Festivals.

Freilich ist auch von enormer Bedeutung, wer die Gäste in diesem Olymp der Kinowelt empfängt. In wenigen Tagen wird zum ersten Mal Iris Knobloch am Ende der Festivaltreppe stehen. Die neue Festivalpräsidentin tritt in einschüchternd große Fußstapfen. Bis 2014 hatte der vornehme Gilles Jacob das Amt inne, der es mit unerschütterlicher Verbindlichkeit ausübte. Er war das Antlitz von Cannes, seit er es, zunächst als Direktor, in den späten 70er-Jahren zum wichtigsten Filmfestival der Welt machte. Auf ihn folgte Pierre Lescure, der als Gründer des Bezahlsenders Canal plus von unschätzbarer Bedeutung für das französische sowie das Weltkino war und Jacobs Vermächtnis mit etwas rustikalerer Eleganz, aber ebensolcher Zugewandtheit und Cinephilie antrat. Am Dienstag, wenn es in Cannes abermals losgeht, wird die Filmwelt also genau hinschauen, welch eigenen Stil die neue Gastgeberin kultivieren wird.

Die Croisette ist Knobloch bestens vertraut: Sie besucht das Festival seit mittlerweile 25 Jahren. Bis 2021 tat sie es in verschiedenen leitenden Funktionen beim amerikanischen Medienkonzern Warner; zuletzt trug sie als Geschäftsführerin die Verantwortung für die Filialen in den Beneluxländern, Deutschland, Österreich und der Schweiz. Als ihren größten Erfolg verbucht sie, 2011 den stummen Schwarz-Weiß-Film „The Artist“ in den Wettbewerb geführt zu haben, wo er einen triumphalen Siegeszug begann, der darin gipfelte, dass er als erste französische Produktion den Oscar als bester Film gewann. Auch in ihrer neuen Rolle ist Knobloch ein Pilotfisch: Sie ist die erste Frau und die erste Nichtfranzösin in diesem prestigeträchtigen Ehrenamt.

Dass die gelernte Juristin das jüngste Kind von Charlotte Knobloch ist, ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden, mag in Deutschland große Strahlkraft haben. In Frankreich ist es indes von allenfalls anekdotischem Interesse. Die Weltoffenheit, zu der sie in ihrer Familie erzogen wurde, wird ihr von Teilen der in Frankreich chronisch patriotischen Filmbranche durchaus als Malum ausgelegt. Sie werfen ihr eine zu große Nähe zu den Hollywoodstudios vor. Ihr Motto „Make money, have fun and do some good“ klang vielen verdächtig. Dazu gesellte sich ein antideutscher Affekt. Wenn schon eine Präsidentin, dann doch besser eine einheimische! Wenige ihrer Gegner besaßen die Höflichkeit, ihren Namen korrekt zu schreiben.

Knobloch galt als Inkarnation der neoliberalen Politik Macrons. Tatsächlich war es die damalige Kulturministerin Roselyne Bachelot, die ihr im Dezember 2021 das Amt antrug. Es stand von Anfang an fest, dass eine Frau die Nachfolge von Pierre Lescure antreten sollte. Eine ehemalige Kulturministerin, eine frühere Leiterin der Filmförderung sowie die Direktorin eines Fernsehsenders waren im Gespräch. Von Knobloch erhoffte sich Bachelot nicht zuletzt, dass sie das Hollywoodkino wieder verstärkt an die Croisette locken könnte. Immerhin ist sie eng mit Playern wie Clint Eastwood und Christopher Nolan befreundet – die freilich auch von sich aus gern nach Cannes kommen. Als Einzige erfüllt Knobloch jedoch das insgeheim entscheidende Kriterium: Sie kommt gut mit Thierry Frémaux aus, der als Generaldelegierter des Festivals alle Fäden zieht. Es ist nicht einfach, neben dem starken Mann von Cannes zu bestehen. Gilles Jacob gab die Präsidentschaft keineswegs nur aus Altersgründen ab. Knobloch und Frémaux haben jedoch schon in der Auswahlkommission für die französischen Oscar-Kandidaten gedeihlich zusammengearbeitet.

Im Verwaltungsrat des Festivals, der aus Vertretern der Politik, staatlicher Organe und zahlreicher Berufsverbände zusammengesetzt ist, stieß Bachelots Wunschkandidatin auf erbitterten Widerstand. Der zentrale Einwand bestand darin, dass sie als Mitgründerin des Akquisitionsunternehmens I2PO, das sich auf Investitionen in die Unterhaltungsindustrie spezialisiert, in Interessenkonflikte geraten könnten. Zudem ist ein Teilhaber des Unternehmens, François-Henri Pinault, Hauptsponsor des Festivals. Auch der Umstand, dass Knobloch auf dem Höhepunkt der Pandemie einen Filmkonzern verlassen hatte, schürte die Skepsis der Branchenvertreter: Wie belastbar mag ihre Liebe zum Kino sein? Letztlich übte Dominique Boutonnat, der von Macron beharrlich protegierte Präsident der Filmförderung CNC, so massiven Druck aus, dass Knobloch die geheime Wahl gewann.

Die Marke Cannes stärken

Bislang galt in der Presse das geflügelte Wort „Niemand schert sich darum, wer Präsident von Cannes ist – außer, es ist Gilles Jacob.“ Denn die eigentliche Macht an der Croisette liegt in den Händen des Generaldelegierten, der die Verantwortung für das Programm trägt. Dass Knoblochs Kandidatur zu einem Politikum wurde, unterstreicht die nicht nur symbolische Bedeutung dieser Position.

Sie ist mitnichten nur repräsentativ oder erschöpft sich in der Konzipierung der Eröffnungs- und Abschlussgala. Sie verlangt diplomatisches Geschick: Die Präsidentin muss im Dialog mit lokalen und nationalen Behörden sowie internationalen Partnern sein. Sie trägt auch die Verantwortung für das erkleckliche Festivalbudget, was einer Spezialistin für Wirtschaftsrecht wie Knobloch liegen dürfte.

Die politischen Erwartungen an sie sind hoch, welche eigenen Visionen sie hat, blieb in ihren ersten Äußerungen noch etwas vage: Sie wolle alles geben, damit das Festival relevant bleibe, es als Marke stärken und in die Zukunft führen. Bei der Pressekonferenz, in der Frémaux und sie Mitte April das Festivalprogramm vorstellten, wurde sie nicht viel konkreter. Immerhin entwaffnete sie jene Skeptiker, die ihr einen Mangel an Cinephilie unterstellen: Sie sei überglücklich, dass sich das Publikum wieder ins Kino verliebt habe. Ihre Feuertaufe absolvierte die Präsidentin in perfektem, wenngleich getragenem Französisch. Ihren Nachnamen schreiben seither alle richtig.

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