So gern man Mitglied der Oscar-Akademie wäre – man denke nur an die Hunderte von Filmen, die man online zur Verfügung gestellt bekommt –, so albtraumhaft gestaltet sich allmählich der Job, die Regeln rund um den wichtigsten Preis der Filmwelt festzulegen.
Wie etwa ist folgender Vorgang zu bewerten? Michelle Yeoh, eine der Favoritinnen für die beste weibliche Hauptrolle, veröffentlicht kurz vor der Verleihung auf Instagram neun Bildschirmfotos eines „Vogue“-Artikels, in dem es um das Rennen zwischen ihr und Cate Blanchett geht. Die „Vogue“-Autorin weist unter anderem darauf hin, dass Blanchett schon zwei Oscars verliehen bekommen habe und keinen weiteren brauche – Yeoh jedoch die erste Gewinnerin aus Asien wäre. Das brachte viele Kommentatoren auf die Barrikaden, die betonten, dass es nicht um Herkunft gehe, sondern um die schauspielerische Leistung in speziellen Filmen.
Da war wieder die unselige Identitätsdebatte, aber die Oscar-Akademie kümmerte etwas anderes mehr: Hatte Yeoh die Regel gebrochen, dass sich Nominierte nicht öffentlich über ihre Konkurrenten äußern dürfen? Yeoh löschte ihren Post schnell wieder, aber der Vorgang war in der Welt.
Und wie sollte die Akademie damit umgehen, dass ihre Mitglieder außer Yeoh, Blanchett, Michelle Williams und Ana de Armas eine fünfte Frau namens Andrea Riseborough nominierten, die niemand vorher auf dem Schirm hatte? Ihr Film „To Leslie“ handelt von einer alleinerziehenden Mutter, die obdachlos wird.
„To Leslie“ hatte in dem üblichen Oscar-Werbezirkus keine Rolle gespielt – bis zwei Wochen vor Ende der Abstimmung Promis begannen, sich für Riseborough auszusprechen: Blanchett, Gwyneth Paltrow, Kate Winslet, Jane Fonda, Mia Farrow (und mit Edward Norton auch ein Mann). Es wirkte wie eine spontane Guerrilla-Kampagne, war aber ohne Verabredung kaum denkbar. Alles mit dem Zweck, die 9500 Wähler der Akademie zu beeinflussen.
Wie will man solche Aktionen in Zeiten der sozialen Medien noch regulieren? Die Akademie tut ihr Möglichstes. Für abstimmungsberechtigte Mitglieder gilt in Zukunft: „Sie dürfen Ihre Favoriten oder die anderer Mitglieder in keinem öffentlichen Forum diskutieren.“ Auch wer mit welchem Geld wann eine Party für Nominierte abhalten darf, wird exakt festgelegt. Dieses Regelwerk ist bald eine Wissenschaft für sich selbst.
Und vor allem hat sich die Akademie hoffentlich vorher Rechtsbeistand geholt: Eigentlich handelt es sich hier ja um eine Einschränkung der Meinungsfreiheit – und ob die so einfach eingeschränkt werden kann, nur weil es die Mitgliedschaft in dem Club, dem man angehört, angeblich erfordert: Das könnte noch die Frage sein.