Installation von Brigitte Kowanz
Zu Beginn der 1980er-Jahre hat die österreichische Künstlerin Brigitte Kowanz begonnen, mit Schwarzlicht, fluoreszierenden und phosphoreszierenden Pigmenten zu arbeiten. Sie war eine Pionierin der transmedialen Auseinandersetzung mit Räumen und Licht, schuf Raumbilder und Schatten-Projektionen, die sie bis kurz vor ihrem Tod im vergangenen Jahr stetig weiterentwickelte.
Die Münchner Galerie Max Goelitz hat nun in einem extrem verdunkelten Raum ihrer erst im November 2022 eröffneten Berliner Dependance in der Rudi-Dutschke-Straße einige dieser frühen Arbeiten mit den jüngsten aus Kowanz’ Flashback-Serie zu der immersiven Gesamtinstallation „4≠4“ zusammengefügt. Die strahlenden Objekte verströmen über ihren gewitzten Experimentalcharakter hinaus eine schillernde Magie der Dinge und der Farben.
Saâdane Afif in den Wilhelmhallen
Die Reinickendorfer Wilhelmhallen sind seit einigen Jahren auf der Landkarte der Berliner Kunst verzeichnet – Architekten sind ansässig, Künstler haben ihre Ateliers. Auch die Galerie Mehdi Chouakri leistet ambitionierte Arbeit für den Norden.
Er zeigt dort und in der Fasanenstraße die Auseinandersetzung von Saâdane Afif mit „The Coalman“, dem Bergmann. 70 geschnitzte Objekte werden zu sehen sein, darunter ein Brief von Debussy an seinen Kohlenhändler.
Fotorealismus von Britta Thie
Schauspielern heißt warten. In den Pausen zwischen den Takes hat die Künstlerin und Schauspielerin Britta Thie Porträts von Geräten geschossen, die man als Zuschauer normalerweise nicht zu sehen bekommt, ohne die aber in der hoch technisierten Welt der Sci-Fi- und Actionserien so gut wie nichts mehr geht: „light, rig and gear“, also die technische Ausrüstung, die auf dem Set herumsteht.
Thie kennt sich aus mit Bildern und Inszenierungen. Sie studierte Performance und Experimentalfilm und war Meisterschülerin von Hito Steyerl. 2015 schuf sie eine Webserie für die Frankfurter Schirn Kunsthalle. In der Galerie Wentrup in der Knesebeckstraße kann man ihre fotorealistische Malerei in der Ausstellung „Scene“ entdecken: Kameras unter Schirmen und folierte Mikrofone – fast schon menschlich wirkende Zeugen einer medial durchinszenierten Gegenwart.
Skulpturen von Kapwani Kiwanga
Die Qualität von Kapwani Kiwanga zeigt sich gerade dort, wo es manche Kunst schwer hat, im harten Wettbewerb zu bestehen. Auf den die Sinne überflutenden Großevents: Bei der Art Basel hinterließ sie ihre Duftmarke mit einem Tor aus aromatischen Eukalyptusblättern. Auf der figurensatten Biennale von Venedig schuf sie einen Augenruheraum hinter bunten Vorhängen und mit Fracking-Sand gefüllten Glasskulpturen. Im kommenden Jahr wird sie dort den kanadischen Pavillon bespielen.
In der Galerie Tanja Wagner in der Pohlstraße sind die Arbeiten der Serie „Hour Glass“ jetzt schon ein Höhepunkt des Gallery Weekend, an den Wänden hängen mundgeblasene „Shifting Sands“ und Objekte aus Sisalfasern. Das hat in der Ausstellung „Raw“ nicht nur einen hohen ästhetischen Reiz, sondern sendet auch subtile Botschaften von Ausbeutung und Materialknappheit. Ihre Kunst sehe sie nicht als politisches Projekt, sagt Kiwanga, für sie sei alles politisch.
Berühmte Fotografinnen
In der Fotogalerie Kicken am Kaiserdamm haben bis September im fünften Teil der Ausstellungsserie „Sheroes of Photography“ ausschließlich Fotografinnen einen angemessenen Auftritt: Etwa Lucia Moholy-Nagy, die lange und zeittypisch im Schatten ihres Mannes László und der Bauhaus-Granden wirkte. Oder Marta Hoepffner, bekannt für ihre experimentellen Fotos, die späten Ruhm mit lichtkinetischen Objekten erlangte.
Von der jung verstorbenen Aenne Biermann, die sich in den Zwanzigern rasch einen Namen mit neusachlichen Architektur- und Pflanzenaufnahmen machte, reicht das Programm bis zu Barbara Klemm, der renommierten Pressefotografin, deren Schwarz-Weiß-Motive aus Politik und Feuilleton eine, wenn auch zunächst nüchterne, doch unverkennbar poetische Handschrift tragen.
Iranische Künstlerinnen
Vor zwölf Jahren erschien ein berührendes Buch der Künstlerin Parastou Forouhar über ihre Familiengeschichte, ihre 1998 in Teheran ermordeten Eltern; am 14. Februar 2011 begannen Studenten in Iran wieder einmal gegen das Regime aufzubegehren, auch dieser Protest wurde niedergeschlagen. In der Rückschau kann man kaum fassen, wie sich das Grauen immer noch steigerte.
Die Galerie Crone in der Fasanenstraße bringt in der Gruppenausstellung „Simurgh. Ten Women Artists from Iran“ Künstlerinnen zusammen, die alle Bezug zum Iran haben, dort geboren wurden, geflohen sind, Schicksale teilen – keine von ihnen ist geblieben. Kuratiert hat sie Basak Senova, Professorin in Wien, entlang der persischen Legende des Vogels Simurgh. Alle Frauen verbindet, dass sie Kunst machen, die iranische Kultur hochhalten und sich mit den Verbrechen des Regimes auseinandersetzen.
Kritikerin kuratiert
Es passiert nicht oft, dass Kritiker selbst Ausstellungen machen, aber wenn es passiert, dann schaut man ganz besonders aufmerksam hin. Isabelle Graw hat mit „Texte zur Kunst“ eine einflussreiche Zeitschrift gegründet, sie lehrt Kunsttheorie und kuratiert nun in der Galerie Max Hetzler unter dem Titel „In Defense of Symbolic Value: Artistic Procedures in the Resort“ eine Gruppenschau über „Resortisierung“.
In den neuen Dependancen der Topgalerien – Inseln, Landsitze, Wintersportorte – trifft sich, wer das Geld dafür hat, und der lästige Rest bleibt mangels Zugangsmöglichkeiten draußen. Eine Entwicklung, die Graw als „Abschied von dem Habermas’schen Ideal einer kritischen Öffentlichkeit“ definiert und welcher „traditionell die Bewertung von Kunst obliegt“. Was geschieht, wenn Kunst zwischen splendid isolation und digitalen Bubbles zerrieben wird? Hier soll man’s erfahren.
Konkrete Kunst
Klassische Kunsthändler sind die Exoten auf dem Galerienwochenende. Was sie umso interessanter macht – neben all der Ware, die atelierfrisch auf Käufer wartet, sich am Markt (und in der Kunstgeschichte) aber erst bewähren muss. Der früh verstorbene Kinetiker und Op-Artist Gerhard von Graevenitz gehört zum Programm des Kunsthandels Wolfgang Werner.
In Kombination mit Werken des vom Surrealisten zum Abstrakten gewandelten dänischen Maler Richard Mortensen und den ungegenständlichen Bildern von dem Schweden Olle Bærtling feiert der in der Fasanenstraße ansässige Kunsthändler in seiner Ausstellung zum Gallery Weekend die Dynamik der geometrischen Moderne der Fünfzigerjahre.
Performance im Film
Einst war der Gebäudekomplex an der Dahlemer Clayallee Kaserne und Sitz des Luftgaukommandos der Nazis – bedrohliche Diktatorenarchitektur. Als die Alliierten 1945 übernahmen, installierten die Amerikaner hier ihr Berliner Hauptquartier. Jahrelang stand das Zentralgebäude schließlich leer. Die monströs dimensionierten Hallen mit weißgeädertem schwarzem Marmor ausgekleidet, praktisch fensterlos, dienten hin und wieder als düstere Filmkulisse.
Bis Markus Hannebauer den denkmalgeschützten Bau zusammen mit dem Architekturbüro Sauerbruch Hutton zum Privatmuseum für Videokunst umfunktionierte. Seit 2019 werden im Fluentum Positionen aus seiner Sammlung gezeigt. Zum Gallery Weekend hat Loretta Fahrenholz‘ neueste Arbeit, „Trash the Musical“, Premiere, ein gut halbstündiger Film für den die Performance-Künstlerin Alicia McDaid nach durchgeknallter Influencerinnen-Art Schminktutorials mit Gesangs- und Tanzeinlagen und sonstige Bizarrerien darbietet – Ängste, Kunst und Müll verschmelzen zum radikalen Ereignis.
Produzentengalerie im Haus Berlin
Adrian Ghenie gehört mittlerweile zu Berlin wie die „Cluj Connection“ auf den internationalen Kunstmarkt. In den Nullerjahren gründete Ghenie in Transsilvanien die Produzentengalerie Plan B, seit 2008 gibt es eine Dependance in Berlin. Ein beispielloser, wohlverdienter Aufstieg folgte für den Künstler, bis in den rumänischen Pavillon auf der Biennale von Venedig.
Jetzt ist die Galerie Plan B von einem Hinterhof an der Potsdamer Straße in einen der beiden Türme am Strausberger Platz gezogen, ins Haus Berlin vom Ost-Berliner Architekten Hermann Henselmann. Das Ensemble an der Karl-Marx-Allee soll in die Liste des Unesco-Weltkulturerbes aufgenommen werden. Die aufwendige Renovierung betont den historischen Charakter der Räume. Zur Eröffnung zeigt die Galerie nun, ja natürlich: Adrian Ghenie.
Konzeptkunst und Faserzement
Berlin debattiert seit Jahren, wie man schnell und gut Wohnungen baut, dabei hat es in den Fünfzigern doch schon mal vorgemacht, wie das geht. Im Hansaviertel am Tiergarten entstanden im Rahmen der Interbau 1957 ganz und gar nicht uniforme Bauten internationaler Architekten, darunter auch das Eternithaus.
Sechzehn Positionen zwischen Design, Kunst und Architekur versammelt die Kuratorin Tina Roeder unter dem Titel „Conceptal Substance“ in diesem Juwel des Faserzementplattenbaus von Paul Baumgarten.
Kunstmesse Paper Positions
Es ist eines dieser Gebäude in Berlin-Mitte, die man ständig mit dem Fahrrad kreuzt. An der Seite Neorenaissance, vorn eine Glasfassade. Hinein ins ehemalige Generaltelegraphenamt geht es eher selten – außer die Paper Positions läuft. Dann kommt man in den Genuss des über gusseisernen Säulen gläsern überdachten Lichthofs.
Die kleine feine Messe für Zeichnungen, Grafiken und andere Kunstwerke auf Papier fühlt sich sichtlich wohl in der Telekom-Hauptstadtrepräsentanz und zieht immer mehr gute Galerien an. Unter den Teilnehmern ist Thole Rotermund aus Hamburg mit seinem klassisch modernen Programm. Anita Beckers aus Frankfurt zeigt Abstraktionen von Lena Ditlmann, Thomas Fuchs aus Stuttgart neue Bilder von Rainer Fetting. Aus Belgrad kommt X Vitamin, um Marina und Nikola Markovic den Berliner Sammlern vorzustellen.