Michi Strausfeld: "Gaumenfreuden":Mexikos köstliches Vermächtnis

Michi Strausfeld: "Gaumenfreuden": Chiles en Nogada: gefüllte Paprika mit Walnusssauce und Granatapfelkernen. In Mexiko ein sehr beliebtes Gericht.

Chiles en Nogada: gefüllte Paprika mit Walnusssauce und Granatapfelkernen. In Mexiko ein sehr beliebtes Gericht.

(Foto: Marcos Castillo/Alamy Stock Photos)

Eine kulinarische Kulturgeschichte Lateinamerikas zeigt, wie stark der Kontinent seit seiner gewaltsamen Eroberung die Küchen und Essgewohnheiten Europas geprägt hat.

Von Hans Gasser

Schon mal eine Tartuffel gegessen? Oder einen Paradiesapfel? Ganz bestimmt! Denn bei diesen beiden Ackerfrüchten handelt es sich um die Kartoffel und die Tomate, beides zunächst skeptisch beäugte Einwanderer aus Südamerika, heute aber aus der europäischen Küche nicht mehr wegzudenken. Desgleichen Mais, Chili, Vanille und noch viele weniger bekannte essbare Pflanzen. Den aus europäischen Hungerregionen wie der Extremadura kommenden Konquistadoren erschien Mexiko wie das Paradies.

"Sie sieht aus wie eine Trüffel und gekocht ist sie innen so weich wie eine gebratene Marone. Sie hat, wie die Trüffel, weder Schale noch Kern, denn sie wächst wie diese unterirdisch." So beschrieb Pedro Cieza de León, ein Spanier, der schon 1533 nach Peru kam, die Kartoffel. Aus seinen Werken erfuhr Europa noch viel mehr über die Lebensweise und Ernährung der indigenen Bevölkerung, die durch die europäische Aggression bald fast ausgerottet werden sollte. So etwa über Quinoa, das es heute in jedem Bioladen gibt, oder über die schmackhaften Meerschweinchen, "Kaninchen der Indien" genannt, die es in Europa allerdings nie auf den Teller, sondern nur in die Kinderzimmer geschafft haben.

Michi Strausfeld: "Gaumenfreuden": Die Vielfalt der peruanischen Kartoffelsorten.

Die Vielfalt der peruanischen Kartoffelsorten.

(Foto: Arvind Jayashankar/mauritius images / Alamy Stock Photos)

Michi Strausfeld, Kennerin und Herausgeberin von lateinamerikanischer Literatur, geht es in ihrem erhellenden und sinnlichen Büchlein aber nicht nur um die Produkte, sondern vor allem auch darum, was die gewaltsam angestoßene Vermischung europäischer und lateinamerikanischer Küchen an kulinarischen Höchstleistungen hervorgebracht hat und immer noch hervorbringt, vor allem in Mexiko und Peru sowie auch in Brasilien.

So wurde Mexiko mit seinem Pflanzen- und Tierreichtum nach der Eroberung durch Cortés schnell zu einem Schmelztiegel aus lateinamerikanischer, europäischer und auch asiatischer kulinarischer Kultur. Denn bald kamen die Galeonen von den ebenfalls spanischen Philippinen nach Acapulco, sie hatten Pfeffer, Zimt, Nelken und Ingwer geladen. Auf dem Landweg wurde die Fracht auf die andere Seite gebracht, um von Veracruz weiter nach Europa geschifft zu werden, zusammen mit mexikanischen Produkten wie Kartoffeln, Mais oder Tomaten. Knoblauch, Rindfleisch und Zitrusfrüchte steuerten übrigens die Spanier bei. Und natürlich vermischten sich im Transitland Mexiko die Produkte und die Geschmäcker zu etwas ganz Neuem.

Michi Strausfeld: "Gaumenfreuden": Michi Strausfeld: Gaumenfreuden. Eine kulinarische Kulturgeschichte Lateinamerikas mit Rezepten von Sabine Hueck. Wagenbach Verlag, Berlin 2023. 160 Seiten, 24 Euro.

Michi Strausfeld: Gaumenfreuden. Eine kulinarische Kulturgeschichte Lateinamerikas mit Rezepten von Sabine Hueck. Wagenbach Verlag, Berlin 2023. 160 Seiten, 24 Euro.

(Foto: Wagenbach Verlag)

Strausfelds kundige und mit vielen literarischen Querverweisen gespickte Ausführungen werden ergänzt von Rezepten der aus Brasilien stammenden Köchin Sabine Hueck. Sie zeigt etwa die Zubereitung des mexikanischen Nationalgerichtes Chiles en Nogada, gefüllten Paprika mit Walnusssauce und Granatapfelkernen, während Strausfeld erläutert, wie dieses Gericht zwischen Kolonialzeit, Unabhängigkeit und mexikanischer Revolution seine Auf und Abs erfuhr, um heute auf keiner Festtafel im Land zu fehlen. Ähnlich ging es mit dem aztekischen Pozole, einem raffinierten Eintopf aus weißem Mais und Schweinefleisch, der je nach politischer Entwicklung gefragt war oder nicht: Während die weiße Oberschicht die französische Kochkunst als der indigenen und mestizischen überlegen vorzog, gab es im Volk nach der Unabhängigkeit 1821 eine starke Rückbesinnung auf die aztekische Kochtradition.

Viele Rezepte sind relativ einfach und machen große Lust, sie nachzukochen, auch, weil man damit Urgerichte kennenlernt, von denen man bisher immer dachte, sie kämen aus Italien: So fürchteten die Eroberer, bei ihrem Vormarsch nach Tenochtitlán, der prächtigen Hauptstadt der Azteken, im Kochtopf zu landen, "gegart in einer ihnen unbekannten Sauce aus Tomaten, Chili und Salz, genannt Chimole". Die Mexikaner kennen viele Variationen davon, mal mit geräucherten Chilis (Chipotle-Sauce), mal mit Limetten und Koriander (Pico de Gallo). Sie auszuprobieren, ist auf jeden Fall ein Gewinn.

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