Netflix verschickt keine DVDs mehr per Post, nach 25 Jahren wird der Service in den USA eingestellt. Es ist anzunehmen, dass viele Leser in Deutschland nicht wissen, dass der heutige Streaming-Gigant einmal so angefangen hat, 1998 mit Tim Burtons „Beetlejuice“, es darum also auch eh wurscht ist. Doch das Ende des Postversands ist zwar nur ein kleiner Schritt für Netflix, weil umsatzmäßig nicht mehr viel herumkam. Symbolisch betrachtet aber ist die Ankündigung eine Zäsur.
Der Autor dieser Zeilen hat die in dünnen Papierhüllen verschickten Silberlinge, so sagte man damals, erstmals im Jahr 2005 bei seiner Vermieterin in Philadelphia gesehen. Das ist mal eine nette Idee – so schlicht muss ungefähr mein Gedanke gewesen sein. Blöd für die Videotheken allerdings, das dann doch, denn was wird dann mit Blockbuster, dem früher omipräsenten DVD-Verleiher? Wird er zum Opfer der faulen Amerikaner, die keine Lust haben, die paar Schritte zur Videothek zu gehen? Nur fünf Jahre später stellte Blockbuster einen Insolvenzantrag, 2013 wurden die letzten Läden geschlossen.
Nun, meine Vorstellungskraft war trotz intensiver Nutzung des Internets begrenzt. Immerhin war in diesem Sommer 2005 auch YouTube erst ein halbes Jahr alt und noch einmal zwei Jahre später, 2007, streamte Netflix die ersten Serien. Die beiden Filmkritiker des „Philadelphia Inquirer“, für den ich damals arbeitete, schickten mich zu Filmvorführungen wie Werner Herzogs „Grizzly Man“ – ob sie damals auch weiße Umschläge von Netflix in der Post hatten, weiß ich nicht.
Heute ist wiederum Netflix als börsennotiertes Unternehmen unter Druck, denn die Erwartungen der Anleger sind trotz eines zuletzt steigenden Gewinns riesig. Die Anleger wird das Ende des Postversands kaum interessieren, die Botschaft ist aber bedeutend. Hier und jetzt ist die physische Existenz von Datenträgern vorbei und Netflix streamt nur noch. Im vergangenen Vierteljahrhundert wurden 5,2 Milliarden DVDs verschickt. Kein Grund, jetzt wehmütig zu werden, dafür fehlte den Scheiben Patina und Pathos.