Neu in Kino & Streaming:Welche Filme sich lohnen - und welche nicht

Neu in Kino & Streaming: Willem Dafoe als Kunstdieb in einer Szene des Films "Inside".

Willem Dafoe als Kunstdieb in einer Szene des Films "Inside".

(Foto: Wolfgang Ennenbach/dpa)

Zwei koreanische Ganoven wollen ein Baby verkaufen, ein Einbrecher sitzt fest, und Aufnahmen des Luftkriegs von 1945 werfen aktuelle Fragen auf. Die Starts der Woche in Kürze.

Von SZ-Autorinnen und -Autoren

Boston Strangler

Carlotta Wald: Vielleicht war alles in den Fünfzigern petrolfarben - durch den ewigen Rauch in der Luft. Vielleicht ist Petrol aber auch nur die notwendige Farbe dieses True-Crime-Thrillers. Schattig, düster, tief. Kein Sonnenschein, kaum Klarheit. Dass drei Frauen in kürzester Zeit erwürgt werden, interessiert bei der Polizei in Boston erst mal niemanden, so wie Femizide eben lange niemanden interessiert haben. Nur einer Journalistin, gespielt von Keira Knightley, fällt etwas auf. Sie lässt nicht locker, als aus drei Toten dreizehn werden. Jede weitere Leiche zieht die Reporterin tiefer ins Düster der Zeit, gegen das sie sich mit Whiskey und Willensstärke wappnet. Matt Ruskin ist schon der dritte Regisseur, der den "Boston Strangler" filmisch zu fassen sucht. An den Klassiker von 1968 kommt er nicht heran. Doch wer Petrol liebt, mag trotzdem gucken. (Auf Disney+)

Broker

Martina Knoben: Ein weiterer Familienfilm des japanischen Meisters Hirokazu Kore-eda. Zwei (durchaus sympathische) Ganoven stehlen einen Säugling aus einer Babyklappe und versuchen - zusammen mit dessen Mutter und verfolgt von zwei hartnäckigen Polizistinnen - ihn an ein liebevolles kinderloses Paar zu verhökern. Das wird zu einem Roadtrip durch den "Tigerstaat" Südkorea, an die Randgebiete des Kapitalismus, wo es nichts bringt, sich an geschriebene Regeln zu halten. Die Zweckgemeinschaft auf Verkaufstour in einem klapprigen Van wächst zur liebevollen Ersatzfamilie zusammen, aber es ist eine Gemeinschaft auf Zeit. Ein verlogenes Happy End will der Menschenfreund (und -kenner) Kore-eda glücklicherweise nicht erzwingen.

Inside

Sofia Glasl: Der Schauspieler Willem Dafoe macht aus jeder noch so reduzierten Rolle ein Ereignis. Da ist das Planspiel, das der griechische Regisseur Vasilis Katsoupis sich für ihn ausgedacht hat, ein gefundenes Fressen: Als Dieb bricht er in das Penthouse eines Kunstsammlers ein, wird jedoch vom Sicherheitssystem überrumpelt und sitzt fest - und das sehr lange. Drehbuchautor Ben Hopkins legt in diesem Survival-Thriller in Museums-Ambiente einige Diskurse über den Wert von Kunst an, stolpert dann aber ein bisschen über die eigene Ambition. Das tut Dafoes Performance zwischen Hunger-Halluzination und Isolations-Wahnsinn zum Glück kaum einen Abbruch.

Luftkrieg

Martina Knoben: Ein Archivfilm, die Aufnahmen sind alt. Aber deutsche Ruinenstädte im Zweiten Weltkrieg sehen nicht anders aus als das zu Schutt zerschossene Aleppo, die neuen zerstörten Geisterstädte im Ukrainekrieg. Der ukrainische Regisseur Sergei Loznitsa hat Aufnahmen des Luftkriegs gegen Nazi-Deutschland zu einem Filmessay montiert, der die Aufrüstung der feindlichen Parteien und die Zerstörung deutscher Städte wuchtig vor Augen führt. Inspiriert von W. G. Sebalds Buch "Luftkrieg und Literatur" stellt er über die historische Betrachtung hinaus grundsätzliche Fragen: Ist ein Luftkrieg vertretbar? Lässt sich der Kampf gegen die Zivilbevölkerung als Mittel im Krieg rechtfertigen? Dass Loznitsa den Kampf gegen Nazi-Deutschland als Beispiel nimmt, Deutsche als Opfer zeigt, provoziert - und erschwert auf produktive Weise die Antwort.

Der Maler

Anke Sterneborg: Der Schauspieler Ben Becker, der Regisseur Oliver Hirschbiegel und der Künstler Albert Oehlen haben gleichberechtigt einen Film über die Entstehung eines Bildes erdacht. Zusätzlich in Text und Musik assistiert ihnen die Deutschpunk-Musikerin Gudrun Gut, die derselben Generation angehört. Entstanden ist dabei zwar kein Meisterwerk, aber ein faszinierendes Spiel mit dem Künstlerporträtfilm, mit der Wahrnehmung und Entstehung von Kunst. Als Mann und Maler allein im Atelier erinnert Ben Becker an Hannelore Elsner, die in Hirschbiegels "Mein letzter Film" als Schauspielerin ihre Seele entblößte, im virtuos schillernden Dialog nur mit der Kamera. Becker lässt protzig, selbstgefällig, lächerlich und zugleich verletzlich seiner inneren Rampensau freien Lauf, macht das Atelier zu seiner Bühne.

Der Pfau

Josef Grübl: Schmeckt wie Hühnchen, behauptet die Köchin - und schiebt einen gerupften Pfau in den Ofen. Sieht aus wie eine Murder-Mystery-Komödie à la Agatha Christie, behauptet Lutz Heineking. Und kriegt es hin, dass seine Adaption des Romans von Isabel Bogdan weder Krimi noch Komödie ist. Dafür darf man dem titelgebenden Federvieh beim Durchdrehen zusehen - und ein paar deutschen Stars, wie sie aus der müden Vorlage Witz oder wenigstens ein bisschen Leben herauskitzeln wollen. Es gelingt ihnen nicht wirklich, immerhin sieht der Schauplatz (ein heruntergerocktes Herrenhaus in Schottland) hübsch aus. Obwohl darin gar nicht gedreht wurde.

Shazam! Fury of the Gods

Fritz Göttler: Zerstört die Museen, holt das alte magische Gerät aus den Vitrinen, es hat seine Kraft nicht verloren... die geraubte Kunst, die Musealisierung durch die Menschen macht die Götter wütend, die Töchter des großen Atlas. "Fury of the Gods" ist der Untertitel des zweiten "Shazam!"-Films aus dem DC-Universum, von Daniel F. Sandberg. Mit dem magischen Wort "Shazam!" verwandeln sich Billy Batson und seine Adoptivgeschwister in großspurige Superhelden, zischen ab wie eine Rakete zu großen Missionen. Die Familiengeschichte, die den ersten Film so bewegend machte - Billy als ein von der Mutter verstoßener lost boy - ist stark zurückgedrängt, der neue Film ist lauter, chaotischer, effekthascherischer. Philadelphia wird böse demoliert, von fiesen Urwaldpflanzen überwuchert, von schlammigen Chimären heimgesucht, von trampeligen Einhörnern gerettet.

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