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Literatur Definition von Arbeit

Was Karl Marx über die Vier-Tage-Woche gedacht hätte

Feuilletonredakteur
Karl Marx (1818-1883) Karl Marx (1818-1883)
Karl Marx (1818-1883)
Quelle: picture-alliance/dpa
In England ist sie groß getestet worden, für viele Menschen in Deutschland ist sie schon Realität: die Vier-Tage-Woche. Beim Ringen um kürze Arbeitszeit wäre es hilfreich, zu wissen, was Arbeit überhaupt genau ist. Hier kommt der größte Experte zu Wort.

Das neue Proletariat sind diejenigen, die freitags noch arbeiten müssen. Zumindest in Berlin sind am letzten Tag der traditionellen Arbeitswoche die Fahrradwege, U-Bahnen und die Springer-Kantine deutlich leerer. Die Vier-Tage-Woche ist mittlerweile nicht nur bei typischen Millennial-Jobs, in denen Produktivität sich nur bedingt messen lässt, üblich, sondern auch im traditionellen Handwerk, das verzweifelt junge Bewerber sucht, immer weiter verbreitet. Ein groß angelegter Test der Vier-Tage-Woche in britischen Betrieben brachte gute Ergebnisse. Der gesellschaftliche Trend geht insgesamt schon längst dahin, das überkommene Modell mit fünf Arbeitstagen zu je rund acht Stunden infrage zu stellen.

Ein guter Anlass, sich wieder einmal zu vergegenwärtigen, was Arbeit überhaupt ist. „Arbeit“ ist wie „Sprache“ einer dieser Begriffe, unter denen sich jeder etwas vorstellen kann, an deren Definition sich aber hochrangige Geister mit unterschiedlichsten Ergebnissen abgearbeitet haben. Sicher ist nur, dass es in der Debatte über die Vier-Tage-Woche nicht um Gartenarbeit und Work-out geht, sondern um Lohnarbeit.

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Deren Definition geht bis heute, entweder affirmativ oder kritisch, immer noch von Karl Marx aus. Bei dem, was in einer Vier- oder Fünf-Tage-Woche verrichtet wird, handelt es sich um „entfremdete Arbeit“ im marxschen Sinne. Entfremdung ist bei ihm Marx keineswegs eine quasi-psychologische Kategorie, so wie sie heute oft verstanden wird. In seinem ökonomischen Hauptwerk „Das Kapital“ von 1867 schreibt er über den Arbeiter: „Da vor seinem Eintritt in den Prozeß seine eigne Arbeit ihm selbst entfremdet, dem Kapitalisten angeeignet und dem Kapital einverleibt ist, vergegenständlicht sie sich während des Prozesses beständig in fremdem Produkt. Da der Produktionsprozeß zugleich der Konsumtionsprozeß der Arbeitskraft durch den Kapitalisten ist, verwandelt sich das Produkt des Arbeiters nicht nur fortwährend in Ware, sondern in Kapital, Wert, der die wertschöpfende Kraft aussaugt, Lebensmittel, die Personen kaufen, Produktionsmittel, die den Produzenten anwenden.“ Der Arbeiter lässt sich also nicht nur ausbeuten, sondern produziert auch noch die Mittel, die ihn ausbeuten.

Über den Entfremdungsbegriff streiten Marxisten seit 1932, als Marx’ Frühwerk, die „Ökonomisch-philosophischen Manuskripte“ veröffentlicht wurden. Es geht um die Frage, ob die dortige Definition von „Entfremdung“ dem zwei Jahrzehnte später verfassten „Kapital“ (in dem er sich um die Klärung der Begriffe „Entfremdung“ und „Arbeit“ wenig schert) zugrunde liegt, oder ob er sie überwunden hat, weil er in seiner Jugend noch zu sehr in den Kategorien von Hegel und Feuerbach dachte. Das Nachdenken darüber sprengt jede Vier-Tage-Woche. Denn als drängenderes Problem der Arbeitswelt erscheint eher Entgrenzung als Entfremdung. Ein neuer Cartoon im „New Yorker“ zeigt einen Mann am Computer, der bemerkt: „Eine Vier-Tage-Woche bedeutet ein Drei-Tage-um-Dinge-zu-erledigen-Wochenende.“

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