Was ist Jugend? Eine große philosophische Frage, die bei Bedarf pragmatisch beantwortet werden kann: Die Jugend, das sind alle von 18 bis 23 Jahren. So hat es der Berliner Senat für die Jugendkulturkarte entschieden. Sie soll für Berliner zusätzlich zu dem vom Bund beschlossenen Kulturpass gelten. Von Anfang Februar bis Ende April können junge Menschen mit Wohnsitz in Berlin 50 Euro in ausgewählten Kulturstätten ausgeben. Was zu der nächsten Frage führt: Was ist Kultur?
Berlin hat sie in vier Kategorien unterteilt: Kinos, Museen, Bühnen und Clubs. Hier werden sich erste Augenbrauen heben. Filme, Theater und Museen wird jeder Kulturkonservative fröhlich abnicken. Da geht es um Kunst, um die Dokumentation und Interpretation der Welt, des Menschen und seiner Abgründe. Von dieser Überlegung her sollten sie dann aber auch die Clubs verstehen. Schließlich geht es auch hier um den Menschen – und seine Abgründe.
Tanz ist Kulturtechnik und individuelle Kunst- und Ausdrucksform. Die Berliner Clubkultur ist gelebter Hedonismus und steht gerade im vor gar nicht so langer Zeit noch so unfreien Ostteil der Stadt für Freiheit. Touristen von überall kommen dafür in die Hauptstadt. Vielleicht ist Kultur auch einfach das, was in fremder Länder Reiseführer steht. In Wien müsste ein Kulturpass dann konsequenterweise auch freies Speisen in Kaffeehäusern erlauben. Doch muss man dabei Karl Kraus lesen, oder reicht auch Gameboyspielen? Und warum gilt das Berliner Ticket für seinen berühmtesten Club, das Berghain, nicht?
Welche Gedanken in die Auswahl geflossen sind, verrät die Anmelde-Website zur Jugendkarte nicht. Nur, dass es darum gehe, die von Corona gebeutelten jungen Menschen sowie der gebeutelten Kulturszene zu helfen. Abholen kann man sie nur in den Bibliotheken Berlins. Einen Bibliotheksausweis für ein Jahr gibt es gratis dazu. So steckt hinter dem Konzept wohl doch die Hoffnung, dass „die Jugend“ auf dem Weg in den Club über etwas Hochkultur stolpert. Die trockene Pille im Cocktailglas.