Neu in Kino & Streaming:Welche Filme sich lohnen - und welche nicht

Neu in Kino & Streaming: In den französischen Alpen wird um ein Mordopfer getrauert - Szene aus "In der Nacht des 12."

In den französischen Alpen wird um ein Mordopfer getrauert - Szene aus "In der Nacht des 12."

(Foto: Ascot Elite)

Heimatliebe in den Bergen, ein Serienkiller in Iran und wütende Gelbwesten in Frankreich - die Starts der Woche in Kürze.

Von SZ-Autorinnen und -Autoren

Acht Berge

Sofia Glasl: Vom ersten Treffen als Elfjährige an sind sie unzertrennlich: das Stadtkind Pietro und Bruno, das letzte Kind im abgelegenen italienischen Bergdorf Grana. Pietros Familie verbringt hier fortan die Sommerferien. Die gemeinsame Liebe zu den Bergen und die Suche nach dem eigenen Platz darin verbindet die Jungen selbst über jahrelange Funkstille hinweg. Felix Van Groeningen und Charlotte Vandermeersch verfilmen Paolo Cognettis Bildungsroman einfühlsam und rücken im beinahe quadratischen Bildformat die verklärten Postkartenpanoramen des Berglebens zurecht. Hier werden zwar aus Kindern Männer und aus Freundschaft eine Heimat, doch Landflucht und Klimawandel sind eben auch Realität.

Auf der Suche nach Fritz Kann

Nicolas Freund: Kaum etwas ist über ihn bekannt, geblieben sind nur eine Unterschrift und ein paar Dokumente: 1942 wurde der Jude Fritz Kann von den Nazis deportiert und ermordet. Der Filmemacher Marcel Kolvenbach macht sich in Deutschland, Polen, Spanien und Argentinien auf die Suche nach den Spuren dieses ersten Ehemanns seiner Großmutter - der möglicherweise auch sein Großvater ist. Die Reise führt ihn zu Gedenkstätten und Zeitzeugen, darunter ein hellwacher, 96-jähriger deutscher Jude in Buenos Aires. Ein Dokumentarfilm, der einen Toten sucht und das Leben findet.

Dust of Modern Life

Kathleen Hildebrand: Jedes Jahr verlässt der junge Bauer Liêm seine Familie für ein paar Tage, um mit anderen Männern aus seinem Dorf in Nordvietnam in den Dschungel zu gehen, mit Fallen kleine Tiere zu jagen und Essbares zu sammeln. Es ist eine Tradition, die ihn mit seinen Vorfahren verbindet und mit der Natur. Eine Tradition, die gefährdet ist, auch wenn Franziska von Stenglin in ihrem zurückhaltenden ethnografischen Dokumentarfilm nie erklärt, wodurch genau. Als die Männer im Regen das Dorf verlassen, weichen die scheppernden Radioklänge aus den Dorflautsprechern dem ohrenbetäubenden Grillenzirpen im dunkelgrünen, selbstgenügsamen Wald.

Eine Revolution - Aufstand der Gelbwesten

Philipp Stadelmaier: Emmanuel Gras begleitet eine Gruppe Gelbwesten, zwischen 2018 und 2019, bei Demonstrationen, Bürgerdebatten und Konfrontationen mit der Polizei. Dabei gelingt ihm ein Blick auf das Elend der Menschen, einen repressiven Staatsapparat und eine politische Depression, die von allen Besitz ergriffen hat. Wie sehr solidarisiert sich Gras mit den Gefilmten? Schwer zu sagen. In jedem Fall dokumentiert er die Schwierigkeit, heute militante Filme zu machen.

FCK 2020 - Zweieinhalb Jahre mit Scooter

David Steinitz: Was Sie schon immer über H.P. Baxxter wissen wollten, aber vielleicht nicht zu fragen wagten. Grimme-Preisträgerin Cordula Kablitz-Post hat den Frontmann der Band Scooter durch die Coronapandemie begleitet. Im Studio, bei Mama, beim Friseur, auf St. Tropez und irgendwann auch wieder: auf den großen Bühnen Europas. Ein fideler Dokumentarfilm über Deutschlands erfolgreichste Kirmes-Techno-Truppe. Faster, Harder, Scooter!

Holy Spider

Johanna Adorján: Ein sehenswerter psychologischer Thriller über einen iranischen Serienmörder, den es wirklich gab. Anfang des Jahrtausends ermordete er in der ultrafrommen Stadt Mashhad 16 Prostituierte und zeigte anschließend keine Reue, weil er meinte, im Sinne Gottes gehandelt zu haben. Anhand seiner Geschichte erzählt Ali Abbasi vom tief sitzenden Frauenhass in dieser Gesellschaft, die vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse in Iran umso stärker nachhallt. Die Hauptdarstellerin, Zar Amir Ebrahimi, wurde für ihre Rolle einer Journalistin, die den Mörder sucht, in Cannes als Beste Schauspielerin ausgezeichnet.

In der Nacht des 12.

Josef Grübl: Immer noch eins der wirkungsvollsten Mittel, um Zuschauer zu vergrätzen: das Filmende vorab zu verraten. Hier aber spoilert der Film selbst: Gleich zu Beginn erfährt man, dass zwanzig Prozent aller Mordfälle unaufgeklärt bleiben - und dass es sich hier um einen solchen Fall handle. Wer also erfahren möchte, wer den Tod einer bei lebendigem Leib verbrannten jungen Frau herbeiführte, dürfte enttäuscht werden. Regisseur Dominik Moll schafft es trotzdem, Spannung aufzubauen bei dieser Mördersuche in den französischen Alpen. Sein detailgenau erzählter Film hebt sich ab vom üblichen Krimi-Einerlei, er schaut den Charakteren tief in ihre Seele.

M3gan

Fritz Göttler: Fans von Annabelle oder Chucky könnten enttäuscht sein, denn Model 3 Generative Android, abgekürzt M3GAN, ist weder dämonisch noch pervers, es ist ein Produkt der avancierten Spielzeugindustrie: ein Wesen von puppen- und puttenhafter Schönheit, mittels KI darauf hinprogrammiert, einem Mädchen bei der Bewältigung ihres jungen Lebens zu helfen - es hat eben ihre Eltern verloren und die Tante, in deren Obhut sie übergeben wurde, ist mehr an ihrer Arbeit als am Muttersein interessiert, sie hat den Androiden konstruiert. Also ergreift M3GAN die (blutige) Initiative, gegen einen übergriffigen Nachbarhund oder einen mobbenden Lümmel in der Schule. Gerard Johnstone und Drehbuchautorin Akela Cooper halten sich zurück mit Splattereffekten, aber unsere KI-Zukunft erscheint auf unangenehme Weise sehr bedrohlich. Braucht die Zukunft eigentlich noch Eltern?

So Damn Easy Going

Annett Scheffel: Teenager-Sein, das ist immer ein Chaos aus Gefühlen und Zukunftsängsten. Für Joanna aber ist ohne ihre Medikamente alles ein unerträgliches Gewitter. Sie hat ADHS. Dazu Geldsorgen, einen depressiven Vater zu Hause und Herzpochen wegen ihrer neuen Mitschülerin. Die schwedisch-norwegische Co-Produktion ist von allem ein bisschen: Sozialdrama und Tragikomödie, Coming-of-Age- und Coming-out-Geschichte. Vor allem versucht Regisseur Christoffer Sandler aber die Erfahrungswelt seiner Hauptfigur auch filmisch - mit Schnitten, Übergängen und Stroboeffekten - nachfühlbar zu machen.

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Zar Amir Ebrahimi im Film "Holy Spider"

SZ PlusSerienkiller-Film "Holy Spider" im Kino
:Wo Frauen nichts sind

Der Film "Holy Spider" beruht auf der wahren Geschichte eines frommen Serienkillers in Iran. Für die Macher geht es um alles.

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