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Dem Wertewandel zum Trotz

Automobiles Kunstwerk: Mercedes „Uhlenhaut-Coupé“ Automobiles Kunstwerk: Mercedes „Uhlenhaut-Coupé“
Automobiles Kunstwerk: Mercedes „Uhlenhaut-Coupé“
Quelle: Mercedes-Benz AG
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Kriege und Krisen haben dem Auktionsgeschäft 2022 wenig geschadet: Es war tatsächlich ein Rekordjahr für die internationalen Versteigerer – und sogar auf dem vergleichsweise kleinen deutschen Kunstmarkt wurden Zeichen gesetzt.

Endlich. Erstmals in Deutschland fiel der Hammer im zweistelligen Millionenbereich. Das war ein wichtiges Signal an potenzielle Einlieferer hochpreisiger Kunst, die sich aus Tradition und sicherheitshalber lieber an die Auktionsplätze New York und London halten. Was aber sprach eigentlich bisher dagegen, in Deutschland, Österreich oder der Schweiz in diesem Preisrahmen zu bieten?

Nichts, aber die, nennen wir es einmal so, Betreuung der drei großen, international auftretenden Auktionshäuser ist konkurrenzlos umfassend. Die kostspieligen Marketingstrategien von Christie’s, Sotheby’s und auch Phillips gewährleisten weltweit höchste Aufmerksamkeit. Bestimmte Vertragsvereinbarungen mit den Einlieferern – Garantien, unwiderrufliche Vorgebote – können nur diese Marktführer leisten.

Umso bedeutender, quasi ein Meilenstein, war die Präsentation des „Selbstporträt gelb-rosa“ von Max Beckmann bei Grisebach. Die Sensation, das heiße Bietergefecht, blieb jedoch aus. Gesittet gaben sich sowohl der Auktionator als auch die wenigen Telefonbieter, deren Interesse sich beim Aufruf von 17 Millionen Euro (Angaben zur Schätzung gab es vorab nicht) rasch erschöpfte. Bei 20 Millionen überließen sie dem im Saal im Auftrag bietenden Noch-Haupteigentümer und Gründer des Hauses, Bernd Schultz, das Feld.

Ketterer knackt die 100-Millionen-Grenze

Max Beckmann hat vor allem im hochpreisigen Bereich sein Publikum in den USA. Möglicherweise haben dort die spektakulären Versteigerungen der Sammlungen des Microsoft-Mitbegründers Paul Allen (Christie’s, Gesamtergebnis nie dagewesene 1,62 Milliarden Dollar) und der im Rosenkrieg verhedderten Milliardäre Macklowe (Sotheby’s, Gesamtergebnis 922 Millionen Dollar) die entsprechenden Käufer doch ein wenig ermattet.

Klimts „Birkenwald“
105 Millionen Dollar für Klimts „Birkenwald“
Quelle: © Christie’s Images Limited 2023

In die Schweiz sei das Berliner Beckmann-Gemälde gegangen, hieß es zunächst. Kurz darauf outete sich Reinhold Würth als neuer Eigentümer. Seine imposante Sammlung nicht nur moderner Kunst befindet sich im schwäbischen Künzelsau, wo die Zentrale seines Konzerns für Befestigungs- und Montagetechnik sitzt. Natürlich reisen einzelne Werke auch in Dependancen etwa in der Schweiz; vielleicht war das gemeint.

Die 100-Millionen-Grenze hat derweil das Münchner Auktionshaus Ketterer geknackt. Gerade in den letzten Jahren ging es dort steil bergauf. Mit geschickter Akquise bedeutender Sammlungen (Deutsche Bank) und einer Strategie, die auf maßvolle Mindestgebote setzte. Das triggert die Bietlust, ist aber auch ein bisschen riskant. In der Regel ging und geht die Rechnung auf.

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Das Vertrauen der Einlieferer in Robert Ketterers Performance am Pult stieg jedenfalls, festigte sich und die Einsatzbereitschaft der Bieter im Parkett, am Telefon und im Internet. Die Taxen wurden oft weit überboten, das machte sich gut in den Verlautbarungen des Hauses zu Wertsteigerungen und Umsatz.

Derzeit versteigert Ketterer in Tranchen Werke aus der legendären Sammlung Gerlinger. Aus dem im November offerierten Abschnitt sei stellvertretend Karl Schmidt-Rottluffs „Lesende“ genannt. Für das mit 700.000 Euro geschätzte Porträt der Dichterin Else Lasker-Schüler von 1912, expressiv, farbstark, kubistisch strukturiert, fiel der Hammer bei 3,4 Millionen Euro. Gerlinger hatte es direkt beim Künstler erworben.

Karl Hartungs „Große Liegende“
Karl Hartungs „Große Liegende“
Quelle: Kunsthaus Lempertz/ © VG Bild-Kunst, Bonn 2023

Gerade mal die Hälfte des Ketterer-Jahresumsatzes meldet Lempertz (Köln). Zu den respektablen Ergebnissen mit teilweise herausragender Steigerungsquote gehörte Karl Hartungs Bronze „Große Liegende“ (Taxe 150.000 Euro; Ergebnis inklusive Aufgeld 604.000 Euro). Spitzenlos mit einem Bruttoergebnis von knapp 2,7 Millionen Euro war Alberto Giacomettis bronzener zweiteiliger Entwurf eines nie gebauten Denkmals zu Ehren des Journalisten und Abgeordneten der Kommunistischen Partei, Gabriel Péri, der von den deutschen Besatzern nach einer öffentlichen Rede in der Nationalversammlung in Paris verhaftet und umgebracht worden war. Das erste Mal hat Giacometti hier 1946 sein Werk bestimmendes Motiv des „Schreitenden Manns“ umgesetzt.

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Das Dorotheum in Wien gibt 2022 erstmals Auskunft über seine Umsätze (200 Millionen Euro), lässt sich aber nicht herab, näher zu spezifizieren, wie hoch die Anteile jenseits der Kunstauktionen sind, etwa für Schmuck, Oldtimer und Pfandgüter. Christie’s kann mit einem Jahresumsatz von 8,4 Milliarden Dollar einen neuen Rekord aufstellen, dicht gefolgt von Sotheby’s mit acht Milliarden Dollar. Mit Abstand rangiert Phillips, das von russischen Eigentümern geführte Londoner Auktionshaus, ebenfalls mit einem Rekordergebnis von 1,8 Milliarden Dollar.

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Alle Häuser addieren munter alle möglichen Sparten, fügen Private Sales hinzu, mitunter das Geschäft mit Immobilien. Einen kräftigen Schub tragen weniger öffentlichkeitswirksam Juwelenauktionen oder Oldtimerversteigerungen zum Zahlen- und Rekordgeklingel bei. Da genügt nämlich schon ein rosa Diamant. Der elfkarätige „Williamson Pink Star“ erzielte bei Sotheby’s in Hongkong 57,7 Millionen Dollar. Ein Mercedes-Benz 300 SLR „Uhlenhaut-Coupé“ von 1955 wechselte für 143 Millionen Dollar bei RM Sotheby’s (der Ableger für Classic Cars) den Besitzer.

Erstaunlich sind sie schon, die prächtigen Umsatzzahlen. Auch aus Paris, dem hochgejazzten neuen Hotspot des Kunstmarkts, wo Artcurial beträchtliche Steigerungen und einen Jahresumsatz von gut 216 Millionen Euro verlauten lässt. Krieg, Energiekrise, Inflation, schier nicht zu bewältigender Klimawandel, pandemischer Stillstand, nichts kann die Kaufbereitschaft offenbar stoppen. Ist das der unersättliche Investitionsdrang, gar die Liebe zur Kunst? Kann sein, dass man mit den erheblichen, noch frei floatenden Ressourcen den globalen Veränderungsprozessen und den damit einhergehenden Wertediskussionen trotzen will.

Millennials kaufen jetzt auch Kunst

Das lässt sich flott über die Auktionen und deren digitales Instrumentarium bewerkstelligen. Reisen zu Kunstmessen gelten da vergleichsweise als zu mühsam, zu zeitraubend. Das Geschäft dort floriert nicht mehr wie gehabt. Da die Kosten für Logistik und Versicherung steigen, wird sich das auf die Teilnahmebereitschaft der Galerien auswirken. So gesehen zeugt der groß angelegte (160 Aussteller) Jahresauftakt mit der neuen Megaveranstaltung Art SG in Singapur von Courage und der Gewissheit der Veranstalter, dass hier derzeit und in Zukunft das Zentrum des asiatischen Kunstmarkts zu verorten ist.

Hongkong gilt freilich weiterhin als maßgeblicher, immer noch aufstrebender Handelsplatz für zeitgenössische Kunst mit dem stärksten Zuspruch der Millennials. Phillips lässt gerade eine große Dependance nach Plänen von Herzog & de Meuron errichten, Sotheby’s wird folgen. Im Gegensatz zum chinesischen Festland werden hier keine Zölle erhoben, Mehrwertsteuer fällt genauso flach wie Erbschaftsteuer.

„Falling Woman“ von Anna Weyant
„Falling Woman“ von Anna Weyant
Quelle: Sotheby’s

Ganz allgemein wächst der Anteil jener Käufer, die noch keine oder gerade 40 Jahre alt sind. Sie sichten das Angebot nach aufstrebenden Talenten und sorgen so geschwind für gehörigen Preisauftrieb. Noch besser geht das, wenn altgediente Topgaleristen wie der 77-jährige Larry Gagosian mit von der Partie sind. Das dramatische Motiv „Falling Woman“ der 27-jährigen Künstlerin Anna Weyant, seiner aktuellen Lebensgefährtin, profitierte mit einem Sotheby’s-Ergebnis von 1,6 Millionen Dollar wohl nicht nur vom derzeitigen Run auf Arbeiten weiblicher Künstler.

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