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Feministischer Widerstand weltweit

18. Mai 2022

Gewalt gegen Frauen ist ein globales Problem. Doch weltweit setzen sich Frauen erfolgreich zur Wehr. Wie sie für ihre Rechte kämpfen, zeigt das Goethe-Institut mit dem Festival "Frequenzen. Feminismen global".

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Comicbild einer Frau, um die herum Wasser fließt.
Dieses Wandbild zeigt "Mother Tining", die in den Philippinen für den Erhalt ihrer Community kämpftBild: Nina Martinez/Jaja Verlag

"Proteste und Widerstand verlaufen nicht unbedingt überall auf der Welt nach dem gleichen Muster. Jedes Land, jeder Kontext bietet seine eigenen Motivatoren, seine eigenen Katalysatoren", erklärt die indische Verlegerin Urvashi Butalia während der Pressekonferenz zum Berliner Festival "Frequenzen. Feminismen global". "Eine Gemeinsamkeit der feministischen Proteste auf der ganzen Welt ist jedoch die einzigartige Art und Weise, in der Feministinnen ihre eigenen Formen des Protests entwickelt haben."

Kunst als Medium des Widerstands

Butalia engagiert sich seit mehr als 40 Jahren für Frauenrechte und dafür, diskriminierten Volksgruppen in ihrem Heimatland eine Stimme zu geben. Die Autorin und Publizistin war Mitgründerin des ersten feministischen Buchverlags Indiens und führt seit 2003 ihren eigenen Verlag. Gemeinsam mit der Textilkünstlerin Aram Han Sifuentes und der afghanischen Künstlerin Nabila Horakhsh hat sie am Donnerstag das dreitätige Festival eröffnet. Sifuentes entwirft Protestbanner und wird während des Festivals auch einen Workshop dazu leiten. Horakhsh lehnt sich mit ihren farbenfrohen und aussagekräftigen Bildern gegen das Patriarchat in ihrem Land auf - in den letzten Monaten vor allem gegen die wieder erstarkte Taliban, die die Rechte von Frauen in Afghanistan mit Füßen treten.

Das interdisziplinäre Festival, das vom Goethe-Institut vom 19.-21. Mai 2022 in Berlin organisiert wird, gibt einen Einblick in die verbindenden Elemente von feministischen Protestkulturen auf der ganzen Welt, möchte aber auch die individuellen Kontexte beleuchten. "Wir sprechen in unserem Projekt von Feminismen", meint Nadine Siegert, die seit 2021 das Goethe-Institut in Lagos, Nigeria leitet. Gerade im Hinblick auf den afrikanischen Kontinent mit seinen über 50 Ländern, sei es wichtig in der Mehrzahl zu sprechen, da die Ausgangssituationen und damit auch die Protestbewegungen in den jeweiligen Staaten sehr unterschiedlich seien.

"Südafrika ist ja sehr bekannt für seine sehr fortschrittliche, sehr moderne Verfassung", so Siegert während der Pressekonferenz weiter. "In der Verfassung Südafrikas werden nicht nur Frauen, sondern auch Gruppen wie zum Beispiel der LGBTI-Community sehr viele Rechte eingeräumt (...) Leider sieht das dann in der Realität doch oft sehr anders aus." Siegert nennt hier unter anderem das erschreckende Beispiel der "korrektiven Vergewaltigungen": Gerade lesbische Frauen laufen in Südafrika Gefahr, vergewaltigt zu werden mit der Absicht, ihre sexuelle Orientierung damit zu "korrigieren". Auch deshalb ist Südafrika laut Schätzungen der Vereinten Nationen  das Land, in dem weltweit die meisten Frauen vergewaltigt werden. 

Siegert weist weiter daraufhin, dass die häusliche Gewalt gegen Frauen während des harten Lockdowns in den südafrikanischen Metropolen wie Johannesburg stark angestiegen ist. Auch die Zahl der Feminizide - oder Femizide, wie die Tötungen von Frauen aufgrund ihres Geschlechts in einigen Ländern genannt werden - hat weltweit drastisch zugenommen.

Drei Frauen knien rund um einen Banner aus Textil, den sie gemeinsam gestalten.
Im Workshop von Aram Han Sifuentes lernen die Teilnehmenden, wie sie mithilfe von Appliquetechniken Protestbanner herstellen können Bild: Michael Thomas

Dass sexualisierte Gewalt ein globales Problem ist, wird unter anderem während der Diskussionsrunde "Feminizide und Gewalt gegen Frauen" am 20. Mai erörtert. Zwei der Referentinnen, Hannah Beeck und Lujan Pinelo, haben vor einigen Jahren die Online-Datenbank Feminizidmap gestartet, die Frauenmorde in Deutschland dokumentiert. Weitere Referentinnen dieses Panels sind die Juristin Valeria España, die sich mit Gerichtsurteilen und der Strafverfolgung in verschiedenen Ländern Südamerikas auseinandersetzt und die indischen Schriftstellerin Meena Kandasamy, die in ihren Texten über Trauma und Gewalt gegen Frauen schreibt. 

Feminismus ist kein "Luxusanliegen"

Protest, Widerstand und der Kampf für mehr Geleichberechtigung sind nicht nur Themen, die von in Städten lebenden Frauen vorangetrieben werden, sondern auch von Frauen in ländlichen Gebieten, wie die Comicbuchreihe "Movements and Moments" zeigt. Initiiert vom Goethe-Institut Jakarta, präsentiert dieses Projekt 16 ausgewählte Geschichten aus 14 Ländern des globalen Südens. Dabei geht es neben Frauenrechten auch um ökologischen Aktivismus, den Klimawandel oder den Kampf für Bildung und die Rechte von LGBTIQA+ Menschen.

Bei der Projektpräsentation am 20. Mai stellen die Referentinnen Faye Cura und Nina Martinez beispielsweise den Comic "Lasst den Fluss fließen" (s. Artikelbild) vor. Es ist die wahre Geschichte von Leticia, genannt "Mother Tining", einer über 70-jährigen Frau vom Naneng-Stamm in Kalinga in der Region Cordillera auf den Philippinen. Sie protestierte gegen den Bau eines von der Weltbank finanzierten Damms, der das Dorf Naneng und andere Dörfer in den umliegenden Provinzen überflutet hätte. Mehr als 40 Jahre dauerte der Kampf der Frauen und Männer gegen die "National Power Corporation" und die philippinische Polizeitruppe. Sie trotzten Gewalt, Entführung und Folter. Der Damm wurde aufgrund des hartnäckigen Widerstands nicht gebaut. Bis zum heutigen Tag leisten Mother Tining und andere indigene Aktivisten und Aktivistinnen noch Widerstand gegen Maßnahmen von Unternehmen und Regierung, die dem Fluss Chico und seinem Umland schaden könnten.

Das Bild zeigt drei Einzelbilder von Frauen, die sich zum gemeinsamen Protest zusammenschließen.
Sich zu vernetzen, ist für Frauen in ihrem Kampf für mehr Rechte, sehr wichtigBild: ccarolseixas

Der Kampf für mehr Rechte umfasst viele Generationen, wie die Geschichte von Mother Tining zeigt. Das bestätigt auch Urvashi Butalia: "Es sind Frauen in meinem Alter. Wir haben graue Haare. Wir sind schon so lange dabei, dass wir im Laufe der Jahre gelernt haben, uns nicht [von der Depression] überrollen zu lassen." Das Festival "Frequenzen. Feminism Global" gibt mehr als 50 Aktivistinnen aus der ganzen Welt nun in Berlin eine Plattform.

Für alle Interessierten außerhalb Berlins besteht aber auch die Möglichkeit, digital den Kampf für Frauenrechte zu verfolgen. In Afrika etwa nutzen Feministinnen immer häufiger das Internet, um sich zu vernetzen. Das zeigen auch die vom Goethe-Institut mitgestalteten Webseiten zum Projekt "House of African Feminism", das ebenfalls beim Festival thematisiert wird.